Frage wegen, die erste Bitte um Vergebung anbringen sollen. Was hast denn du getrof- fen? fragte mich Junker Gotthard, da ich mit meiner Jagdprobe so schlecht in seinen Augen bestand. Dies edle Geschöpf, war meine Antwort, die ein Blick auf Tinchen geleitete. Diese unschuldige Frag und Ant- wort fiel mir jetzt so sehr auf, daß ich nahe war, laut dran zu denken! Nicht wahr? Sie hatten Tinchen nicht gekannt, Herr Major! fragte mich die gute Mutter? Nein, erwiedert' ich sehr aufrichtig. Und woran würd es gelegen haben an Bild, oder Rah- men? An beyden, sagt ich, gnädige Frau. Tinchen war nicht gegenwärtig! -- Herr v. W -- hatte sich auf eine ganz kurze Zeit beurlaubt, und die liebe Frau v. W -- ent- deckte mir, daß Tinchen schon von lang her etwas in ihrem Herzen getragen, in ihrem Gewissen, fügte sie hinzu, wahrlich nicht. Sie ist so, so unschuldig, als wie sie ins Waßer fiel! wie sie ihnen den Abschiedskuß gab! Tinchen, fuhr sie fort, konnte anfäng- lich nicht aufhören, ihr Lob zu verkündigen, und die Geschichte mit Minen! wie viel Ehre haben sie damit eingelegt! -- Seit einiger Zeit hat Tinchen sie und alles vergessen, mich
dünkt,
Frage wegen, die erſte Bitte um Vergebung anbringen ſollen. Was haſt denn du getrof- fen? fragte mich Junker Gotthard, da ich mit meiner Jagdprobe ſo ſchlecht in ſeinen Augen beſtand. Dies edle Geſchoͤpf, war meine Antwort, die ein Blick auf Tinchen geleitete. Dieſe unſchuldige Frag und Ant- wort fiel mir jetzt ſo ſehr auf, daß ich nahe war, laut dran zu denken! Nicht wahr? Sie hatten Tinchen nicht gekannt, Herr Major! fragte mich die gute Mutter? Nein, erwiedert’ ich ſehr aufrichtig. Und woran wuͤrd es gelegen haben an Bild, oder Rah- men? An beyden, ſagt ich, gnaͤdige Frau. Tinchen war nicht gegenwaͤrtig! — Herr v. W — hatte ſich auf eine ganz kurze Zeit beurlaubt, und die liebe Frau v. W — ent- deckte mir, daß Tinchen ſchon von lang her etwas in ihrem Herzen getragen, in ihrem Gewiſſen, fuͤgte ſie hinzu, wahrlich nicht. Sie iſt ſo, ſo unſchuldig, als wie ſie ins Waßer fiel! wie ſie ihnen den Abſchiedskuß gab! Tinchen, fuhr ſie fort, konnte anfaͤng- lich nicht aufhoͤren, ihr Lob zu verkuͤndigen, und die Geſchichte mit Minen! wie viel Ehre haben ſie damit eingelegt! — Seit einiger Zeit hat Tinchen ſie und alles vergeſſen, mich
duͤnkt,
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Frage wegen, die erſte Bitte um Vergebung
anbringen ſollen. Was haſt denn du getrof-
fen? fragte mich Junker Gotthard, da ich
mit meiner Jagdprobe ſo ſchlecht in ſeinen
Augen beſtand. Dies edle Geſchoͤpf, war
meine Antwort, die ein Blick auf Tinchen
geleitete. Dieſe unſchuldige Frag und Ant-
wort fiel mir jetzt ſo ſehr auf, daß ich nahe
war, laut dran zu denken! Nicht wahr?
Sie hatten Tinchen nicht gekannt, Herr
Major! fragte mich die gute Mutter? Nein,
erwiedert’ ich ſehr aufrichtig. Und woran
wuͤrd es gelegen haben an Bild, oder Rah-
men? An beyden, ſagt ich, gnaͤdige Frau.
Tinchen war nicht gegenwaͤrtig! — Herr
v. W — hatte ſich auf eine ganz kurze Zeit
beurlaubt, und die liebe Frau v. W — ent-
deckte mir, daß Tinchen ſchon von lang her
etwas in ihrem Herzen getragen, in ihrem
Gewiſſen, fuͤgte ſie hinzu, wahrlich nicht.
Sie iſt ſo, ſo unſchuldig, als wie ſie ins
Waßer fiel! wie ſie ihnen den Abſchiedskuß
gab! Tinchen, fuhr ſie fort, konnte anfaͤng-
lich nicht aufhoͤren, ihr Lob zu verkuͤndigen,
und die Geſchichte mit Minen! wie viel Ehre
haben ſie damit eingelegt! — Seit einiger
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/453>, abgerufen am 22.11.2024.
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