Herr v. G -- der ältere, soll gesagt ha- ben, den Willen hat sich der liebe Gott vor- behalten, vom Verstand hat er uns ein gutes Stück abgebrochen, und als er das sagte, brach er sich Brod ab, welches er, wie wir wissen, ungern schnitt! --
Mein Vater ist dagegen der unvorgreifli- chen Meynung gewesen, daß dem Menschen viel Willen anheim gestellt wäre, den Ver- stand aber hätte sich Gott der Herr vorbe- halten.
Endlich haben sie sich auf den Satz verei- nigt. daß der Verstand eine herrliche Gabe Gottes sey, wenn nur nicht der Unverstand seine Lobrede übernehme! --
Liebhaber, hast du je deine Geliebte beten gehört? und gesehen? Lieber Gotthard! wie hättest du hier alles, alles vergessen, was nicht deine Tine ist, wenn du sie gesehen und gehört hättest? Wer verdenkt dem Gottfrie- den seine Liebe zur in Gott andächtigen Jungfer? --
Jener Arme, der einen reichen Mann um Geld ansprach, erwiederte, da ihn der Rei- che fragte, gegen was für Sicherheit? -- Ingroßation auf den Himmel! -- Der Reiche gab ihm nichts, weil auf diese Güter
schon
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Herr v. G — der aͤltere, ſoll geſagt ha- ben, den Willen hat ſich der liebe Gott vor- behalten, vom Verſtand hat er uns ein gutes Stuͤck abgebrochen, und als er das ſagte, brach er ſich Brod ab, welches er, wie wir wiſſen, ungern ſchnitt! —
Mein Vater iſt dagegen der unvorgreifli- chen Meynung geweſen, daß dem Menſchen viel Willen anheim geſtellt waͤre, den Ver- ſtand aber haͤtte ſich Gott der Herr vorbe- halten.
Endlich haben ſie ſich auf den Satz verei- nigt. daß der Verſtand eine herrliche Gabe Gottes ſey, wenn nur nicht der Unverſtand ſeine Lobrede uͤbernehme! —
Liebhaber, haſt du je deine Geliebte beten gehoͤrt? und geſehen? Lieber Gotthard! wie haͤtteſt du hier alles, alles vergeſſen, was nicht deine Tine iſt, wenn du ſie geſehen und gehoͤrt haͤtteſt? Wer verdenkt dem Gottfrie- den ſeine Liebe zur in Gott andaͤchtigen Jungfer? —
Jener Arme, der einen reichen Mann um Geld anſprach, erwiederte, da ihn der Rei- che fragte, gegen was fuͤr Sicherheit? — Ingroßation auf den Himmel! — Der Reiche gab ihm nichts, weil auf dieſe Guͤter
ſchon
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Herr v. G — der aͤltere, ſoll geſagt ha-
ben, den Willen hat ſich der liebe Gott vor-
behalten, vom Verſtand hat er uns ein gutes
Stuͤck abgebrochen, und als er das ſagte,
brach er ſich Brod ab, welches er, wie wir
wiſſen, ungern ſchnitt! —
Mein Vater iſt dagegen der unvorgreifli-
chen Meynung geweſen, daß dem Menſchen
viel Willen anheim geſtellt waͤre, den Ver-
ſtand aber haͤtte ſich Gott der Herr vorbe-
halten.
Endlich haben ſie ſich auf den Satz verei-
nigt. daß der Verſtand eine herrliche Gabe
Gottes ſey, wenn nur nicht der Unverſtand
ſeine Lobrede uͤbernehme! —
Liebhaber, haſt du je deine Geliebte beten
gehoͤrt? und geſehen? Lieber Gotthard! wie
haͤtteſt du hier alles, alles vergeſſen, was
nicht deine Tine iſt, wenn du ſie geſehen und
gehoͤrt haͤtteſt? Wer verdenkt dem Gottfrie-
den ſeine Liebe zur in Gott andaͤchtigen
Jungfer? —
Jener Arme, der einen reichen Mann um
Geld anſprach, erwiederte, da ihn der Rei-
che fragte, gegen was fuͤr Sicherheit? —
Ingroßation auf den Himmel! — Der
Reiche gab ihm nichts, weil auf dieſe Guͤter
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/463>, abgerufen am 27.11.2024.
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