Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Bald hätt ich zu bemerken vergessen, daß
Herr v. W -- mir des Abends das Geleite
gegeben und des Morgens früh nach meinem
Wohlseyn sich erkundigen laßen! -- Früh-
stück ward jedem in sein Zimmer gebracht,
und es kann zehn gewesen seyn, da Herr v.
W -- zu mir kam in vollem Staat und mir
die Visite gab. Es ward mir auf den Er-
mel geheftet, daß ich sie ihm wiedergeben
müßte, das that ich, und nun war bis zum
Verlobungsmittag alles nach Ortsgebrauch
berichtiget! --

Man gab mir zu verstehen, ob ich nicht
Lust und Liebe hätte das Verlobungszimmer
anzusehen! Ich hatte nicht Lust und Liebe! --
Da ich indessen merkte, daß diese Anregung
höheres Orts sich herschrieb gieng ich, und
fand ein Zimmer, wo ein Sopha stand, car-
moisinroth beschlagen, drüber Grosvater
und Grosmutter so unaufgeräumt gemahlt,
daß es mir vorkam, als wäre dies gute
Paar unwillig, daß man sie aus dem Schlafe
stöhre! --

Man öfnete zwey Flügelthüren und ich
fand eine solche allerliebste Uebereinkunft, daß
es schien, als freuten sich die Zimmer, daß
sie einander sähen. Man sah es recht, daß

eins

Bald haͤtt ich zu bemerken vergeſſen, daß
Herr v. W — mir des Abends das Geleite
gegeben und des Morgens fruͤh nach meinem
Wohlſeyn ſich erkundigen laßen! — Fruͤh-
ſtuͤck ward jedem in ſein Zimmer gebracht,
und es kann zehn geweſen ſeyn, da Herr v.
W — zu mir kam in vollem Staat und mir
die Viſite gab. Es ward mir auf den Er-
mel geheftet, daß ich ſie ihm wiedergeben
muͤßte, das that ich, und nun war bis zum
Verlobungsmittag alles nach Ortsgebrauch
berichtiget! —

Man gab mir zu verſtehen, ob ich nicht
Luſt und Liebe haͤtte das Verlobungszimmer
anzuſehen! Ich hatte nicht Luſt und Liebe! —
Da ich indeſſen merkte, daß dieſe Anregung
hoͤheres Orts ſich herſchrieb gieng ich, und
fand ein Zimmer, wo ein Sopha ſtand, car-
moiſinroth beſchlagen, druͤber Grosvater
und Grosmutter ſo unaufgeraͤumt gemahlt,
daß es mir vorkam, als waͤre dies gute
Paar unwillig, daß man ſie aus dem Schlafe
ſtoͤhre! —

Man oͤfnete zwey Fluͤgelthuͤren und ich
fand eine ſolche allerliebſte Uebereinkunft, daß
es ſchien, als freuten ſich die Zimmer, daß
ſie einander ſaͤhen. Man ſah es recht, daß

eins
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0467" n="459"/>
        <p>Bald ha&#x0364;tt ich zu bemerken verge&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
Herr v. W &#x2014; mir des Abends das Geleite<lb/>
gegeben und des Morgens fru&#x0364;h nach meinem<lb/>
Wohl&#x017F;eyn &#x017F;ich erkundigen laßen! &#x2014; Fru&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ck ward jedem in &#x017F;ein Zimmer gebracht,<lb/>
und es kann zehn gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, da Herr v.<lb/>
W &#x2014; zu mir kam in vollem Staat und mir<lb/>
die Vi&#x017F;ite gab. Es ward mir auf den Er-<lb/>
mel geheftet, daß ich &#x017F;ie ihm wiedergeben<lb/>
mu&#x0364;ßte, das that ich, und nun war bis zum<lb/>
Verlobungsmittag alles nach Ortsgebrauch<lb/>
berichtiget! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Man gab mir zu ver&#x017F;tehen, ob ich nicht<lb/>
Lu&#x017F;t und Liebe ha&#x0364;tte das Verlobungszimmer<lb/>
anzu&#x017F;ehen! Ich hatte nicht Lu&#x017F;t und Liebe! &#x2014;<lb/>
Da ich inde&#x017F;&#x017F;en merkte, daß die&#x017F;e Anregung<lb/>
ho&#x0364;heres Orts &#x017F;ich her&#x017F;chrieb gieng ich, und<lb/>
fand ein Zimmer, wo ein Sopha &#x017F;tand, car-<lb/>
moi&#x017F;inroth be&#x017F;chlagen, dru&#x0364;ber Grosvater<lb/>
und Grosmutter &#x017F;o unaufgera&#x0364;umt gemahlt,<lb/>
daß es mir vorkam, als wa&#x0364;re dies gute<lb/>
Paar unwillig, daß man &#x017F;ie aus dem Schlafe<lb/>
&#x017F;to&#x0364;hre! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Man o&#x0364;fnete zwey Flu&#x0364;gelthu&#x0364;ren und ich<lb/>
fand eine &#x017F;olche allerlieb&#x017F;te Uebereinkunft, daß<lb/>
es &#x017F;chien, als freuten &#x017F;ich die Zimmer, daß<lb/>
&#x017F;ie einander &#x017F;a&#x0364;hen. Man &#x017F;ah es recht, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eins</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0467] Bald haͤtt ich zu bemerken vergeſſen, daß Herr v. W — mir des Abends das Geleite gegeben und des Morgens fruͤh nach meinem Wohlſeyn ſich erkundigen laßen! — Fruͤh- ſtuͤck ward jedem in ſein Zimmer gebracht, und es kann zehn geweſen ſeyn, da Herr v. W — zu mir kam in vollem Staat und mir die Viſite gab. Es ward mir auf den Er- mel geheftet, daß ich ſie ihm wiedergeben muͤßte, das that ich, und nun war bis zum Verlobungsmittag alles nach Ortsgebrauch berichtiget! — Man gab mir zu verſtehen, ob ich nicht Luſt und Liebe haͤtte das Verlobungszimmer anzuſehen! Ich hatte nicht Luſt und Liebe! — Da ich indeſſen merkte, daß dieſe Anregung hoͤheres Orts ſich herſchrieb gieng ich, und fand ein Zimmer, wo ein Sopha ſtand, car- moiſinroth beſchlagen, druͤber Grosvater und Grosmutter ſo unaufgeraͤumt gemahlt, daß es mir vorkam, als waͤre dies gute Paar unwillig, daß man ſie aus dem Schlafe ſtoͤhre! — Man oͤfnete zwey Fluͤgelthuͤren und ich fand eine ſolche allerliebſte Uebereinkunft, daß es ſchien, als freuten ſich die Zimmer, daß ſie einander ſaͤhen. Man ſah es recht, daß eins

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/467
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/467>, abgerufen am 28.11.2024.