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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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weiß, daß man es heut zu Tage dazu anlegt,
durch gute Worte gute Plätze zu suchen.
Wenns nur ohne Nagelbohr gehen wird!

Meine liebe selige Mutter schrieb meine
Krankheit im vierzehnten Jahre auf die Rech-
nung des betrübten Sündenfalls -- --

Extrapost! Die Festlichkeit und Höf-
lichkeit, welche unser theurer Herr v. W --
so brüderlich zu vereinigen wußte, floß, die
reine Wahrheit zu sagen, aus der Quelle des
Stolzes! -- Hierin folgte der Herr Sohn
dem Vater buchstäblich, und da es ihm nicht
verborgen bleiben konnte, daß eben die Höf-
lichkeit
das Wort Melchisedech war, wel-
ches seinem Herrn Vater rings umher, in
einem solchen Lande, wie Curland, übel
ausgelegt ward; so machte er sich noch eine
gewisse Heucheley eigen, die weit unartiger
hervorschoß, als wenn sie blos aus der Wur-
zel der Fest- und Höflichkeit entsprossen
wäre! -- In seines Vaters Hause war er
höflich und festlich, und zwar gegen seinen
Vater, ungezogen cursch in aller Rücksicht,
sobald er ins Freye kam. Alles von dieser
Verfahrungsart konnte dem Vater unmöglich
verborgen bleiben; indessen schrieb er dies

flugs

weiß, daß man es heut zu Tage dazu anlegt,
durch gute Worte gute Plaͤtze zu ſuchen.
Wenns nur ohne Nagelbohr gehen wird!

Meine liebe ſelige Mutter ſchrieb meine
Krankheit im vierzehnten Jahre auf die Rech-
nung des betruͤbten Suͤndenfalls — —

Extrapoſt! Die Feſtlichkeit und Hoͤf-
lichkeit, welche unſer theurer Herr v. W —
ſo bruͤderlich zu vereinigen wußte, floß, die
reine Wahrheit zu ſagen, aus der Quelle des
Stolzes! — Hierin folgte der Herr Sohn
dem Vater buchſtaͤblich, und da es ihm nicht
verborgen bleiben konnte, daß eben die Hoͤf-
lichkeit
das Wort Melchiſedech war, wel-
ches ſeinem Herrn Vater rings umher, in
einem ſolchen Lande, wie Curland, uͤbel
ausgelegt ward; ſo machte er ſich noch eine
gewiſſe Heucheley eigen, die weit unartiger
hervorſchoß, als wenn ſie blos aus der Wur-
zel der Feſt- und Hoͤflichkeit entſproſſen
waͤre! — In ſeines Vaters Hauſe war er
hoͤflich und feſtlich, und zwar gegen ſeinen
Vater, ungezogen curſch in aller Ruͤckſicht,
ſobald er ins Freye kam. Alles von dieſer
Verfahrungsart konnte dem Vater unmoͤglich
verborgen bleiben; indeſſen ſchrieb er dies

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[466/0474] weiß, daß man es heut zu Tage dazu anlegt, durch gute Worte gute Plaͤtze zu ſuchen. Wenns nur ohne Nagelbohr gehen wird! Meine liebe ſelige Mutter ſchrieb meine Krankheit im vierzehnten Jahre auf die Rech- nung des betruͤbten Suͤndenfalls — — Extrapoſt! Die Feſtlichkeit und Hoͤf- lichkeit, welche unſer theurer Herr v. W — ſo bruͤderlich zu vereinigen wußte, floß, die reine Wahrheit zu ſagen, aus der Quelle des Stolzes! — Hierin folgte der Herr Sohn dem Vater buchſtaͤblich, und da es ihm nicht verborgen bleiben konnte, daß eben die Hoͤf- lichkeit das Wort Melchiſedech war, wel- ches ſeinem Herrn Vater rings umher, in einem ſolchen Lande, wie Curland, uͤbel ausgelegt ward; ſo machte er ſich noch eine gewiſſe Heucheley eigen, die weit unartiger hervorſchoß, als wenn ſie blos aus der Wur- zel der Feſt- und Hoͤflichkeit entſproſſen waͤre! — In ſeines Vaters Hauſe war er hoͤflich und feſtlich, und zwar gegen ſeinen Vater, ungezogen curſch in aller Ruͤckſicht, ſobald er ins Freye kam. Alles von dieſer Verfahrungsart konnte dem Vater unmoͤglich verborgen bleiben; indeſſen ſchrieb er dies flugs

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/474>, abgerufen am 28.11.2024.