ben) daß er bey dieser Gelegenheit alle Re- geln der Höflichkeit gegen den Herrn Schwie- gervater übertreten. Kein Wunder, daß er diesem Ehrenmann, der mit seiner Tochter nicht verlegen war, in Harnisch jagte, und daß die fehlgeschlagene Hofnung dem Herrn v. W -- keine Minute verdarb! -- Fast hätte man glauben sollen, Tinchen und Gott- hard hätten sich aus bloßer Liebe verlassen, so schien es, da sie sich einander los waren. Tinchen legte indessen ein Jahr nach dem andern zurück, und was noch mehr ist, so war sie so sehr in sich gekehrt, daß die Eltern ihrethalben fürchteten. Es kann sich auch wohl ein D. Saft mit einem Heyrathsrecipe obenein gemeldet haben, worauf um so mehr Rücksicht genommen ward, als ein Lor- chen, wie schon erwähnt worden, in der Gegend sich so herabgesetzt, daß so gar Tin- chen nicht mehr Lorchen genannt wurde. In dieser Lage ward Tinchen von einem reichen Junker gesehen, der nicht aus dem Lande ge- kommen war. Aug auf, oder Beutel, sagte Herr v. W --, und intreßirte sich fast gröb- lich für diese Heyrath. Herr v. W -- be- wies, daß wenn gleich die Höflichkeit zu allen Dingen nütze wäre, daß Geld ihr nur etwas
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ben) daß er bey dieſer Gelegenheit alle Re- geln der Hoͤflichkeit gegen den Herrn Schwie- gervater uͤbertreten. Kein Wunder, daß er dieſem Ehrenmann, der mit ſeiner Tochter nicht verlegen war, in Harniſch jagte, und daß die fehlgeſchlagene Hofnung dem Herrn v. W — keine Minute verdarb! — Faſt haͤtte man glauben ſollen, Tinchen und Gott- hard haͤtten ſich aus bloßer Liebe verlaſſen, ſo ſchien es, da ſie ſich einander los waren. Tinchen legte indeſſen ein Jahr nach dem andern zuruͤck, und was noch mehr iſt, ſo war ſie ſo ſehr in ſich gekehrt, daß die Eltern ihrethalben fuͤrchteten. Es kann ſich auch wohl ein D. Saft mit einem Heyrathsrecipe obenein gemeldet haben, worauf um ſo mehr Ruͤckſicht genommen ward, als ein Lor- chen, wie ſchon erwaͤhnt worden, in der Gegend ſich ſo herabgeſetzt, daß ſo gar Tin- chen nicht mehr Lorchen genannt wurde. In dieſer Lage ward Tinchen von einem reichen Junker geſehen, der nicht aus dem Lande ge- kommen war. Aug auf, oder Beutel, ſagte Herr v. W —, und intreßirte ſich faſt groͤb- lich fuͤr dieſe Heyrath. Herr v. W — be- wies, daß wenn gleich die Hoͤflichkeit zu allen Dingen nuͤtze waͤre, daß Geld ihr nur etwas
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ben) daß er bey dieſer Gelegenheit alle Re-
geln der Hoͤflichkeit gegen den Herrn Schwie-
gervater uͤbertreten. Kein Wunder, daß er
dieſem Ehrenmann, der mit ſeiner Tochter
nicht verlegen war, in Harniſch jagte, und
daß die fehlgeſchlagene Hofnung dem Herrn
v. W — keine Minute verdarb! — Faſt
haͤtte man glauben ſollen, Tinchen und Gott-
hard haͤtten ſich aus bloßer Liebe verlaſſen,
ſo ſchien es, da ſie ſich einander los waren.
Tinchen legte indeſſen ein Jahr nach dem
andern zuruͤck, und was noch mehr iſt, ſo
war ſie ſo ſehr in ſich gekehrt, daß die Eltern
ihrethalben fuͤrchteten. Es kann ſich auch
wohl ein D. Saft mit einem Heyrathsrecipe
obenein gemeldet haben, worauf um ſo mehr
Ruͤckſicht genommen ward, als ein Lor-
chen, wie ſchon erwaͤhnt worden, in der
Gegend ſich ſo herabgeſetzt, daß ſo gar Tin-
chen nicht mehr Lorchen genannt wurde. In
dieſer Lage ward Tinchen von einem reichen
Junker geſehen, der nicht aus dem Lande ge-
kommen war. Aug auf, oder Beutel, ſagte
Herr v. W —, und intreßirte ſich faſt groͤb-
lich fuͤr dieſe Heyrath. Herr v. W — be-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/480>, abgerufen am 29.11.2024.
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