befremdendes finden solte, die bekannt, wie ein Kind im Hause ist? -- Der Koch wird vom Geruche satt, sagte der Auserwählte in der Stille zu mir, schicket euch in die Zeit, erwiedert' ich, denn es ist böse Zeit. Der Auserwählte hatte diesem händelsuchenden Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab- geschlagen, und dies war die Ursache, daß er ihm so unzeitig aufs Wort merkte.
Den ersten Platz, den ich in meinem Hause aussuchte, war eine Altarstelle für Tinen, ein Betkämmerlein, eine Zelle für diese Beterin! -- -- und von dieser Ein- richtung gieng ich zu der andern über. In dieser Capelle solte Minens Bild hängen! --
Einige meiner Leserinnen werden ganz un- fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her- zen haben aufkeimen lassen, wie ich über der zweyten Ehe die erste so bald und so tief ver- gessen können? Freylich dachte weder Tine noch ich, von der Zeit, da wir öffentlich eins waren, laut an Minen; allein in unserm Herzen ward ihr kein Schritt von der Gränze entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! -- Das menschliche Herz ist ein wunderliches Ding. Warum vermieden wir den Namen Mine? War es, weil Tine befürchtete, ihre Vor-
gän-
K k 2
befremdendes finden ſolte, die bekannt, wie ein Kind im Hauſe iſt? — Der Koch wird vom Geruche ſatt, ſagte der Auserwaͤhlte in der Stille zu mir, ſchicket euch in die Zeit, erwiedert’ ich, denn es iſt boͤſe Zeit. Der Auserwaͤhlte hatte dieſem haͤndelſuchenden Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab- geſchlagen, und dies war die Urſache, daß er ihm ſo unzeitig aufs Wort merkte.
Den erſten Platz, den ich in meinem Hauſe ausſuchte, war eine Altarſtelle fuͤr Tinen, ein Betkaͤmmerlein, eine Zelle fuͤr dieſe Beterin! — — und von dieſer Ein- richtung gieng ich zu der andern uͤber. In dieſer Capelle ſolte Minens Bild haͤngen! —
Einige meiner Leſerinnen werden ganz un- fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her- zen haben aufkeimen laſſen, wie ich uͤber der zweyten Ehe die erſte ſo bald und ſo tief ver- geſſen koͤnnen? Freylich dachte weder Tine noch ich, von der Zeit, da wir oͤffentlich eins waren, laut an Minen; allein in unſerm Herzen ward ihr kein Schritt von der Graͤnze entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! — Das menſchliche Herz iſt ein wunderliches Ding. Warum vermieden wir den Namen Mine? War es, weil Tine befuͤrchtete, ihre Vor-
gaͤn-
K k 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0525"n="515"/>
befremdendes finden ſolte, die bekannt, wie<lb/>
ein Kind im Hauſe iſt? — Der Koch wird<lb/>
vom Geruche ſatt, ſagte der Auserwaͤhlte in<lb/>
der Stille zu mir, ſchicket euch in die Zeit,<lb/>
erwiedert’ ich, denn es iſt boͤſe Zeit. Der<lb/>
Auserwaͤhlte hatte dieſem haͤndelſuchenden<lb/>
Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab-<lb/>
geſchlagen, und dies war die Urſache, daß<lb/>
er ihm ſo unzeitig aufs Wort merkte.</p><lb/><p>Den erſten Platz, den ich in meinem<lb/>
Hauſe ausſuchte, war eine Altarſtelle fuͤr<lb/>
Tinen, ein Betkaͤmmerlein, eine Zelle fuͤr<lb/>
dieſe Beterin! —— und von dieſer Ein-<lb/>
richtung gieng ich zu der andern uͤber. In<lb/>
dieſer Capelle ſolte Minens Bild haͤngen! —</p><lb/><p>Einige meiner Leſerinnen werden ganz un-<lb/>
fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her-<lb/>
zen haben aufkeimen laſſen, wie ich uͤber der<lb/>
zweyten Ehe die erſte ſo bald und ſo tief ver-<lb/>
geſſen koͤnnen? Freylich dachte weder Tine<lb/>
noch ich, von der Zeit, da wir oͤffentlich eins<lb/>
waren, laut an Minen; allein in unſerm<lb/>
Herzen ward ihr kein Schritt von der Graͤnze<lb/>
entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! — Das<lb/>
menſchliche Herz iſt ein wunderliches Ding.<lb/>
Warum vermieden wir den Namen Mine?<lb/>
War es, weil Tine befuͤrchtete, ihre Vor-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">gaͤn-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[515/0525]
befremdendes finden ſolte, die bekannt, wie
ein Kind im Hauſe iſt? — Der Koch wird
vom Geruche ſatt, ſagte der Auserwaͤhlte in
der Stille zu mir, ſchicket euch in die Zeit,
erwiedert’ ich, denn es iſt boͤſe Zeit. Der
Auserwaͤhlte hatte dieſem haͤndelſuchenden
Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab-
geſchlagen, und dies war die Urſache, daß
er ihm ſo unzeitig aufs Wort merkte.
Den erſten Platz, den ich in meinem
Hauſe ausſuchte, war eine Altarſtelle fuͤr
Tinen, ein Betkaͤmmerlein, eine Zelle fuͤr
dieſe Beterin! — — und von dieſer Ein-
richtung gieng ich zu der andern uͤber. In
dieſer Capelle ſolte Minens Bild haͤngen! —
Einige meiner Leſerinnen werden ganz un-
fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her-
zen haben aufkeimen laſſen, wie ich uͤber der
zweyten Ehe die erſte ſo bald und ſo tief ver-
geſſen koͤnnen? Freylich dachte weder Tine
noch ich, von der Zeit, da wir oͤffentlich eins
waren, laut an Minen; allein in unſerm
Herzen ward ihr kein Schritt von der Graͤnze
entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! — Das
menſchliche Herz iſt ein wunderliches Ding.
Warum vermieden wir den Namen Mine?
War es, weil Tine befuͤrchtete, ihre Vor-
gaͤn-
K k 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/525>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.