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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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befremdendes finden solte, die bekannt, wie
ein Kind im Hause ist? -- Der Koch wird
vom Geruche satt, sagte der Auserwählte in
der Stille zu mir, schicket euch in die Zeit,
erwiedert' ich, denn es ist böse Zeit. Der
Auserwählte hatte diesem händelsuchenden
Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab-
geschlagen, und dies war die Ursache, daß
er ihm so unzeitig aufs Wort merkte.

Den ersten Platz, den ich in meinem
Hause aussuchte, war eine Altarstelle für
Tinen, ein Betkämmerlein, eine Zelle für
diese Beterin! -- -- und von dieser Ein-
richtung gieng ich zu der andern über. In
dieser Capelle solte Minens Bild hängen! --

Einige meiner Leserinnen werden ganz un-
fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her-
zen haben aufkeimen lassen, wie ich über der
zweyten Ehe die erste so bald und so tief ver-
gessen können? Freylich dachte weder Tine
noch ich, von der Zeit, da wir öffentlich eins
waren, laut an Minen; allein in unserm
Herzen ward ihr kein Schritt von der Gränze
entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! -- Das
menschliche Herz ist ein wunderliches Ding.
Warum vermieden wir den Namen Mine?
War es, weil Tine befürchtete, ihre Vor-

gän-
K k 2

befremdendes finden ſolte, die bekannt, wie
ein Kind im Hauſe iſt? — Der Koch wird
vom Geruche ſatt, ſagte der Auserwaͤhlte in
der Stille zu mir, ſchicket euch in die Zeit,
erwiedert’ ich, denn es iſt boͤſe Zeit. Der
Auserwaͤhlte hatte dieſem haͤndelſuchenden
Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab-
geſchlagen, und dies war die Urſache, daß
er ihm ſo unzeitig aufs Wort merkte.

Den erſten Platz, den ich in meinem
Hauſe ausſuchte, war eine Altarſtelle fuͤr
Tinen, ein Betkaͤmmerlein, eine Zelle fuͤr
dieſe Beterin! — — und von dieſer Ein-
richtung gieng ich zu der andern uͤber. In
dieſer Capelle ſolte Minens Bild haͤngen! —

Einige meiner Leſerinnen werden ganz un-
fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her-
zen haben aufkeimen laſſen, wie ich uͤber der
zweyten Ehe die erſte ſo bald und ſo tief ver-
geſſen koͤnnen? Freylich dachte weder Tine
noch ich, von der Zeit, da wir oͤffentlich eins
waren, laut an Minen; allein in unſerm
Herzen ward ihr kein Schritt von der Graͤnze
entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! — Das
menſchliche Herz iſt ein wunderliches Ding.
Warum vermieden wir den Namen Mine?
War es, weil Tine befuͤrchtete, ihre Vor-

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[515/0525] befremdendes finden ſolte, die bekannt, wie ein Kind im Hauſe iſt? — Der Koch wird vom Geruche ſatt, ſagte der Auserwaͤhlte in der Stille zu mir, ſchicket euch in die Zeit, erwiedert’ ich, denn es iſt boͤſe Zeit. Der Auserwaͤhlte hatte dieſem haͤndelſuchenden Grußfreunde ein Anlehn, wie Rechtens ab- geſchlagen, und dies war die Urſache, daß er ihm ſo unzeitig aufs Wort merkte. Den erſten Platz, den ich in meinem Hauſe ausſuchte, war eine Altarſtelle fuͤr Tinen, ein Betkaͤmmerlein, eine Zelle fuͤr dieſe Beterin! — — und von dieſer Ein- richtung gieng ich zu der andern uͤber. In dieſer Capelle ſolte Minens Bild haͤngen! — Einige meiner Leſerinnen werden ganz un- fehlbar die Anmerkung in ihrem guten Her- zen haben aufkeimen laſſen, wie ich uͤber der zweyten Ehe die erſte ſo bald und ſo tief ver- geſſen koͤnnen? Freylich dachte weder Tine noch ich, von der Zeit, da wir oͤffentlich eins waren, laut an Minen; allein in unſerm Herzen ward ihr kein Schritt von der Graͤnze entzogen. Ich liebte Minen in Tinen! — Das menſchliche Herz iſt ein wunderliches Ding. Warum vermieden wir den Namen Mine? War es, weil Tine befuͤrchtete, ihre Vor- gaͤn- K k 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/525>, abgerufen am 22.11.2024.