Hast du, lieber Leser, je Einen observirt, der dem andern zu gefallen lacht oder weint? Beydes ist heßlich! Unendlich lieber aber will ich, Jemanden zu gefallen, weinen, als lachen sehen. Wie eckel, wenn man Jeman- den zu gefallen freundlich thut! -- Herr- mann war ein dergleichen Klag- und Freu- denweib. Er giebt, wie Herr v. G -- der Selige sagte, wie ein Teich, nasse und trockene Nutzung.
Der Stolz ist zweyerley, innerlich und äußerlich. Leibes- und Seelenstolz! So kann man stolz seyn auf seine Nase, Augen, Ohren, aufs Zifferblatt; allein auch aufs Werk selbst, auf die Seele! Dieser innerliche Stolz, wenn er übel angebracht ist, heißt Aufgeblasenheit. Dies war Herrmanns Feh- ler, den er beym Herrn v. W -- abzulegen schwerlich Gelegenheit finden wird. Von sei- nem Schnupftuch hängt ein großer Theil aus der Tasche. Er schmückt sich gern mit einem lateinischen Wörtchen, welches wie ein Schön- fleckchen absticht --
Herr v. G -- selbst indessen, wenn er noch lebte, würde dem Herrmann, dieses Schönfleckchens und des herausragenden Schnupftuchs unerachtet, das Zeugnis der
Besse-
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Haſt du, lieber Leſer, je Einen obſervirt, der dem andern zu gefallen lacht oder weint? Beydes iſt heßlich! Unendlich lieber aber will ich, Jemanden zu gefallen, weinen, als lachen ſehen. Wie eckel, wenn man Jeman- den zu gefallen freundlich thut! — Herr- mann war ein dergleichen Klag- und Freu- denweib. Er giebt, wie Herr v. G — der Selige ſagte, wie ein Teich, naſſe und trockene Nutzung.
Der Stolz iſt zweyerley, innerlich und aͤußerlich. Leibes- und Seelenſtolz! So kann man ſtolz ſeyn auf ſeine Naſe, Augen, Ohren, aufs Zifferblatt; allein auch aufs Werk ſelbſt, auf die Seele! Dieſer innerliche Stolz, wenn er uͤbel angebracht iſt, heißt Aufgeblaſenheit. Dies war Herrmanns Feh- ler, den er beym Herrn v. W — abzulegen ſchwerlich Gelegenheit finden wird. Von ſei- nem Schnupftuch haͤngt ein großer Theil aus der Taſche. Er ſchmuͤckt ſich gern mit einem lateiniſchen Woͤrtchen, welches wie ein Schoͤn- fleckchen abſticht —
Herr v. G — ſelbſt indeſſen, wenn er noch lebte, wuͤrde dem Herrmann, dieſes Schoͤnfleckchens und des herausragenden Schnupftuchs unerachtet, das Zeugnis der
Beſſe-
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Haſt du, lieber Leſer, je Einen obſervirt,
der dem andern zu gefallen lacht oder weint?
Beydes iſt heßlich! Unendlich lieber aber
will ich, Jemanden zu gefallen, weinen, als
lachen ſehen. Wie eckel, wenn man Jeman-
den zu gefallen freundlich thut! — Herr-
mann war ein dergleichen Klag- und Freu-
denweib. Er giebt, wie Herr v. G — der
Selige ſagte, wie ein Teich, naſſe und
trockene Nutzung.
Der Stolz iſt zweyerley, innerlich und
aͤußerlich. Leibes- und Seelenſtolz! So
kann man ſtolz ſeyn auf ſeine Naſe, Augen,
Ohren, aufs Zifferblatt; allein auch aufs
Werk ſelbſt, auf die Seele! Dieſer innerliche
Stolz, wenn er uͤbel angebracht iſt, heißt
Aufgeblaſenheit. Dies war Herrmanns Feh-
ler, den er beym Herrn v. W — abzulegen
ſchwerlich Gelegenheit finden wird. Von ſei-
nem Schnupftuch haͤngt ein großer Theil aus
der Taſche. Er ſchmuͤckt ſich gern mit einem
lateiniſchen Woͤrtchen, welches wie ein Schoͤn-
fleckchen abſticht —
Herr v. G — ſelbſt indeſſen, wenn er
noch lebte, wuͤrde dem Herrmann, dieſes
Schoͤnfleckchens und des herausragenden
Schnupftuchs unerachtet, das Zeugnis der
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/575>, abgerufen am 24.11.2024.
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