Mensch auch bey den besten Gesinnungen un- möglich mir nichts dir nichts sterben könne. Wer kann wissen, wie oft er fehle?
Der Stamm Levi vermehrte bey dieser Selbstprüfung ihre Seelenleiden. Es war die Kohle auf ihrem Haupte, welche die andern noch mehr aufglühete. Wer viel empfieng, von dem wird viel gefordert. So viel Mund, so viel Pfund, sagte sie! -- Zwar empfand sie leibhaftig, daß sie ihrem Nächsten nicht Was- ser und Luft verkauft, daß sie kein verirrtes Schaaf in ihren Stall getrieben, und dem Nabot keine Spanne Acker abgegränzet, daß sie keine Taubenkrämerin, keine Käuferin im Tempel, gewesen. Geben war ihr seliger, als nehmen; indessen heulte doch die ganze Or- gel! --
Jacobs Ausruf: er lebt, ich will hin, ihn zu sehen, hatte ein großes Zeichen, und so auch alle Stellen, wo Tod und Todtenge- beine vorkamen. Die Lebenszeichen wurden zwar nicht verworfen, dazu war sie zu sanft; allein sie wurden so in die Bibel gesteckt, daß ihr Haupt nicht zu sehen war. Es hatte sich geneiget. --
Mein Vater sagte, es sind alte verdiente Officier, die man zu Commandanten macht.
Ein
Menſch auch bey den beſten Geſinnungen un- moͤglich mir nichts dir nichts ſterben koͤnne. Wer kann wiſſen, wie oft er fehle?
Der Stamm Levi vermehrte bey dieſer Selbſtpruͤfung ihre Seelenleiden. Es war die Kohle auf ihrem Haupte, welche die andern noch mehr aufgluͤhete. Wer viel empfieng, von dem wird viel gefordert. So viel Mund, ſo viel Pfund, ſagte ſie! — Zwar empfand ſie leibhaftig, daß ſie ihrem Naͤchſten nicht Waſ- ſer und Luft verkauft, daß ſie kein verirrtes Schaaf in ihren Stall getrieben, und dem Nabot keine Spanne Acker abgegraͤnzet, daß ſie keine Taubenkraͤmerin, keine Kaͤuferin im Tempel, geweſen. Geben war ihr ſeliger, als nehmen; indeſſen heulte doch die ganze Or- gel! —
Jacobs Ausruf: er lebt, ich will hin, ihn zu ſehen, hatte ein großes Zeichen, und ſo auch alle Stellen, wo Tod und Todtenge- beine vorkamen. Die Lebenszeichen wurden zwar nicht verworfen, dazu war ſie zu ſanft; allein ſie wurden ſo in die Bibel geſteckt, daß ihr Haupt nicht zu ſehen war. Es hatte ſich geneiget. —
Mein Vater ſagte, es ſind alte verdiente Officier, die man zu Commandanten macht.
Ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0060"n="54"/>
Menſch auch bey den beſten Geſinnungen un-<lb/>
moͤglich mir nichts dir nichts ſterben koͤnne.<lb/>
Wer kann wiſſen, wie oft er fehle?</p><lb/><p>Der Stamm Levi vermehrte bey dieſer<lb/>
Selbſtpruͤfung ihre Seelenleiden. Es war die<lb/>
Kohle auf ihrem Haupte, welche die andern<lb/>
noch mehr aufgluͤhete. Wer viel empfieng,<lb/>
von dem wird viel gefordert. So viel Mund,<lb/>ſo viel Pfund, ſagte ſie! — Zwar empfand ſie<lb/>
leibhaftig, daß ſie ihrem Naͤchſten nicht Waſ-<lb/>ſer und Luft verkauft, daß ſie kein verirrtes<lb/>
Schaaf in ihren Stall getrieben, und dem<lb/>
Nabot keine Spanne Acker abgegraͤnzet, daß<lb/>ſie keine Taubenkraͤmerin, keine Kaͤuferin im<lb/>
Tempel, geweſen. Geben war ihr ſeliger, als<lb/>
nehmen; indeſſen heulte doch die ganze Or-<lb/>
gel! —</p><lb/><p>Jacobs Ausruf: <hirendition="#fr">er lebt, ich will hin,<lb/>
ihn zu ſehen</hi>, hatte ein großes Zeichen, und<lb/>ſo auch alle Stellen, wo Tod und Todtenge-<lb/>
beine vorkamen. Die Lebenszeichen wurden<lb/>
zwar nicht verworfen, dazu war ſie zu ſanft;<lb/>
allein ſie wurden ſo in die Bibel geſteckt, daß<lb/>
ihr Haupt nicht zu ſehen war. Es hatte ſich<lb/>
geneiget. —</p><lb/><p>Mein Vater ſagte, es ſind alte verdiente<lb/>
Officier, die man zu Commandanten macht.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ein</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0060]
Menſch auch bey den beſten Geſinnungen un-
moͤglich mir nichts dir nichts ſterben koͤnne.
Wer kann wiſſen, wie oft er fehle?
Der Stamm Levi vermehrte bey dieſer
Selbſtpruͤfung ihre Seelenleiden. Es war die
Kohle auf ihrem Haupte, welche die andern
noch mehr aufgluͤhete. Wer viel empfieng,
von dem wird viel gefordert. So viel Mund,
ſo viel Pfund, ſagte ſie! — Zwar empfand ſie
leibhaftig, daß ſie ihrem Naͤchſten nicht Waſ-
ſer und Luft verkauft, daß ſie kein verirrtes
Schaaf in ihren Stall getrieben, und dem
Nabot keine Spanne Acker abgegraͤnzet, daß
ſie keine Taubenkraͤmerin, keine Kaͤuferin im
Tempel, geweſen. Geben war ihr ſeliger, als
nehmen; indeſſen heulte doch die ganze Or-
gel! —
Jacobs Ausruf: er lebt, ich will hin,
ihn zu ſehen, hatte ein großes Zeichen, und
ſo auch alle Stellen, wo Tod und Todtenge-
beine vorkamen. Die Lebenszeichen wurden
zwar nicht verworfen, dazu war ſie zu ſanft;
allein ſie wurden ſo in die Bibel geſteckt, daß
ihr Haupt nicht zu ſehen war. Es hatte ſich
geneiget. —
Mein Vater ſagte, es ſind alte verdiente
Officier, die man zu Commandanten macht.
Ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/60>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.