Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

verliehene Gabe der Prophezeihung inne
ward? Nur das weiß ich, daß sie viel Auf-
sehn gemacht haben würde, wenn sie diese Be-
geisterung eher verspürt hätte. Sie sagte der
Frau v. --, sie würde einen Sohn zur Welt
bringen, und doch gieng die Frau v. -- nur
im fünften Monat. Sie wußte wer Pastor
werden würde, und sagte diesem und jenem
Dinge, worüber dieser und jener erstaunte.
Selbst von den fetten und magern Kühen der
künftigen Jahre ließ sie Worte fallen, die man-
chen Kornjuden hätten bereichern können,
wenn dergleichen ihren Worten getraut.
Wenn sie sich eine Wünschelruthe gebrochen,
würde sie alles Metall in ganz Curland und
Semgallen auspunktirt haben. -- Zuweilen
kam ich auf den Gedanken, daß es ein Erb-
stück von ihrer seligen Mutter gewesen. Eine
Blitzfrau! Die verknüpftesten Räthsel, die
intricatesten französischen Schlösser, ohne Die-
trich gleich offen. -- Sie hätte einem Super-
intendenten was zu rathen aufgeben können,
von Rahelsgesichtsfarbe, zum Beyspiel, und
von der Seifkugel des Pontius Pilatus.

Unten noch ein Räthsel, das ich lösen zu
können wünschen würde. Hier noch die An-
merkung, daß der Candidat mit den langen

Man-
E 4

verliehene Gabe der Prophezeihung inne
ward? Nur das weiß ich, daß ſie viel Auf-
ſehn gemacht haben wuͤrde, wenn ſie dieſe Be-
geiſterung eher verſpuͤrt haͤtte. Sie ſagte der
Frau v. —, ſie wuͤrde einen Sohn zur Welt
bringen, und doch gieng die Frau v. — nur
im fuͤnften Monat. Sie wußte wer Paſtor
werden wuͤrde, und ſagte dieſem und jenem
Dinge, woruͤber dieſer und jener erſtaunte.
Selbſt von den fetten und magern Kuͤhen der
kuͤnftigen Jahre ließ ſie Worte fallen, die man-
chen Kornjuden haͤtten bereichern koͤnnen,
wenn dergleichen ihren Worten getraut.
Wenn ſie ſich eine Wuͤnſchelruthe gebrochen,
wuͤrde ſie alles Metall in ganz Curland und
Semgallen auspunktirt haben. — Zuweilen
kam ich auf den Gedanken, daß es ein Erb-
ſtuͤck von ihrer ſeligen Mutter geweſen. Eine
Blitzfrau! Die verknuͤpfteſten Raͤthſel, die
intricateſten franzoͤſiſchen Schloͤſſer, ohne Die-
trich gleich offen. — Sie haͤtte einem Super-
intendenten was zu rathen aufgeben koͤnnen,
von Rahelsgeſichtsfarbe, zum Beyſpiel, und
von der Seifkugel des Pontius Pilatus.

Unten noch ein Raͤthſel, das ich loͤſen zu
koͤnnen wuͤnſchen wuͤrde. Hier noch die An-
merkung, daß der Candidat mit den langen

Man-
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="71"/>
verliehene Gabe der Prophezeihung inne<lb/>
ward? Nur das weiß ich, daß &#x017F;ie viel Auf-<lb/>
&#x017F;ehn gemacht haben wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie die&#x017F;e Be-<lb/>
gei&#x017F;terung eher ver&#x017F;pu&#x0364;rt ha&#x0364;tte. Sie &#x017F;agte der<lb/>
Frau v. &#x2014;, &#x017F;ie wu&#x0364;rde einen Sohn zur Welt<lb/>
bringen, und doch gieng die Frau v. &#x2014; nur<lb/>
im fu&#x0364;nften Monat. Sie wußte wer Pa&#x017F;tor<lb/>
werden wu&#x0364;rde, und &#x017F;agte die&#x017F;em und jenem<lb/>
Dinge, woru&#x0364;ber die&#x017F;er und jener er&#x017F;taunte.<lb/>
Selb&#x017F;t von den fetten und magern Ku&#x0364;hen der<lb/>
ku&#x0364;nftigen Jahre ließ &#x017F;ie Worte fallen, die man-<lb/>
chen Kornjuden ha&#x0364;tten bereichern ko&#x0364;nnen,<lb/>
wenn dergleichen ihren Worten getraut.<lb/>
Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich eine Wu&#x0364;n&#x017F;chelruthe gebrochen,<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ie alles Metall in ganz Curland und<lb/>
Semgallen auspunktirt haben. &#x2014; Zuweilen<lb/>
kam ich auf den Gedanken, daß es ein Erb-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;ck von ihrer &#x017F;eligen Mutter gewe&#x017F;en. Eine<lb/>
Blitzfrau! Die verknu&#x0364;pfte&#x017F;ten Ra&#x0364;th&#x017F;el, die<lb/>
intricate&#x017F;ten franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, ohne Die-<lb/>
trich gleich offen. &#x2014; Sie ha&#x0364;tte einem Super-<lb/>
intendenten was zu rathen aufgeben ko&#x0364;nnen,<lb/>
von Rahelsge&#x017F;ichtsfarbe, zum Bey&#x017F;piel, und<lb/>
von der Seifkugel des Pontius Pilatus.</p><lb/>
        <p>Unten noch ein Ra&#x0364;th&#x017F;el, das ich lo&#x0364;&#x017F;en zu<lb/>
ko&#x0364;nnen wu&#x0364;n&#x017F;chen wu&#x0364;rde. Hier noch die An-<lb/>
merkung, daß der Candidat mit den langen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Man-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0077] verliehene Gabe der Prophezeihung inne ward? Nur das weiß ich, daß ſie viel Auf- ſehn gemacht haben wuͤrde, wenn ſie dieſe Be- geiſterung eher verſpuͤrt haͤtte. Sie ſagte der Frau v. —, ſie wuͤrde einen Sohn zur Welt bringen, und doch gieng die Frau v. — nur im fuͤnften Monat. Sie wußte wer Paſtor werden wuͤrde, und ſagte dieſem und jenem Dinge, woruͤber dieſer und jener erſtaunte. Selbſt von den fetten und magern Kuͤhen der kuͤnftigen Jahre ließ ſie Worte fallen, die man- chen Kornjuden haͤtten bereichern koͤnnen, wenn dergleichen ihren Worten getraut. Wenn ſie ſich eine Wuͤnſchelruthe gebrochen, wuͤrde ſie alles Metall in ganz Curland und Semgallen auspunktirt haben. — Zuweilen kam ich auf den Gedanken, daß es ein Erb- ſtuͤck von ihrer ſeligen Mutter geweſen. Eine Blitzfrau! Die verknuͤpfteſten Raͤthſel, die intricateſten franzoͤſiſchen Schloͤſſer, ohne Die- trich gleich offen. — Sie haͤtte einem Super- intendenten was zu rathen aufgeben koͤnnen, von Rahelsgeſichtsfarbe, zum Beyſpiel, und von der Seifkugel des Pontius Pilatus. Unten noch ein Raͤthſel, das ich loͤſen zu koͤnnen wuͤnſchen wuͤrde. Hier noch die An- merkung, daß der Candidat mit den langen Man- E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/77
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/77>, abgerufen am 24.11.2024.