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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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storin! ich komme zu sehen, wie sie sich
befinden,
-- beßer als je! Das hör ich!
und nun alles einsylbig: Je nun, mag, nun
denn! Ach! Sieh doch! und dergleichen.
Die Frau v -- hatte meine Mutter für eine
einfältige gute Frau gehalten. Sie war we-
gen ihres Singens weit und breit bekannt.
Die Frau v -- sang gar nicht. Sie war für
keine Musik. Meine Mutter kannte die Frau
v -- wegen ihrer Heterodoxie, und merkte so-
gleich, daß es auf ein Zeichen würde angese-
hen seyn. Sie fertigte sie indeßen so kurz
und gut, als Vater Abraham den reichen
Mann, ab, da er seiner fünf Brüder halber
eine Erscheinung begehrte. Hören sie Mo-
sen und die Propheten nicht, so werden
sie auch nicht glauben, wenn Jemand
von den Todten auferstünde.
Mit der
Nachricht, wer Pastor werden würde, war
der Frau v -- am wenigsten gedient, und da
sie aus zwey bekannten Dingen, ein drittes
unbekanntes herauszubringen gar wohl ver-
stand, nicht minder gar wohl wußte, daß das
Glück allem Außerordentlichen zur Seite gien-
ge; so ward sie so wenig überzeugt, als die
Pharisäer und Sadducäer und Schriftgelehr-
ten. Meine Mutter hatte indeßen etwas im

Gesicht,

ſtorin! ich komme zu ſehen, wie ſie ſich
befinden,
— beßer als je! Das hoͤr ich!
und nun alles einſylbig: Je nun, mag, nun
denn! Ach! Sieh doch! und dergleichen.
Die Frau v — hatte meine Mutter fuͤr eine
einfaͤltige gute Frau gehalten. Sie war we-
gen ihres Singens weit und breit bekannt.
Die Frau v — ſang gar nicht. Sie war fuͤr
keine Muſik. Meine Mutter kannte die Frau
v — wegen ihrer Heterodoxie, und merkte ſo-
gleich, daß es auf ein Zeichen wuͤrde angeſe-
hen ſeyn. Sie fertigte ſie indeßen ſo kurz
und gut, als Vater Abraham den reichen
Mann, ab, da er ſeiner fuͤnf Bruͤder halber
eine Erſcheinung begehrte. Hoͤren ſie Mo-
ſen und die Propheten nicht, ſo werden
ſie auch nicht glauben, wenn Jemand
von den Todten auferſtuͤnde.
Mit der
Nachricht, wer Paſtor werden wuͤrde, war
der Frau v — am wenigſten gedient, und da
ſie aus zwey bekannten Dingen, ein drittes
unbekanntes herauszubringen gar wohl ver-
ſtand, nicht minder gar wohl wußte, daß das
Gluͤck allem Außerordentlichen zur Seite gien-
ge; ſo ward ſie ſo wenig uͤberzeugt, als die
Phariſaͤer und Sadducaͤer und Schriftgelehr-
ten. Meine Mutter hatte indeßen etwas im

Geſicht,
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[78/0084] ſtorin! ich komme zu ſehen, wie ſie ſich befinden, — beßer als je! Das hoͤr ich! und nun alles einſylbig: Je nun, mag, nun denn! Ach! Sieh doch! und dergleichen. Die Frau v — hatte meine Mutter fuͤr eine einfaͤltige gute Frau gehalten. Sie war we- gen ihres Singens weit und breit bekannt. Die Frau v — ſang gar nicht. Sie war fuͤr keine Muſik. Meine Mutter kannte die Frau v — wegen ihrer Heterodoxie, und merkte ſo- gleich, daß es auf ein Zeichen wuͤrde angeſe- hen ſeyn. Sie fertigte ſie indeßen ſo kurz und gut, als Vater Abraham den reichen Mann, ab, da er ſeiner fuͤnf Bruͤder halber eine Erſcheinung begehrte. Hoͤren ſie Mo- ſen und die Propheten nicht, ſo werden ſie auch nicht glauben, wenn Jemand von den Todten auferſtuͤnde. Mit der Nachricht, wer Paſtor werden wuͤrde, war der Frau v — am wenigſten gedient, und da ſie aus zwey bekannten Dingen, ein drittes unbekanntes herauszubringen gar wohl ver- ſtand, nicht minder gar wohl wußte, daß das Gluͤck allem Außerordentlichen zur Seite gien- ge; ſo ward ſie ſo wenig uͤberzeugt, als die Phariſaͤer und Sadducaͤer und Schriftgelehr- ten. Meine Mutter hatte indeßen etwas im Geſicht,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/84>, abgerufen am 21.11.2024.