Ehre nicht würdigte, zum Volke zu gehören, und dass eben aus dieser Herabsetzung ihm der Vorzug erwuchs, mit Bestande Rechtens in den Rechten unerfahren zu seyn und sich mit dieser Gesetzunwissenheit, wie mit einem Orden, zu schmücken! -- Nicht nur un- schädlich, sondern rühmlich, war ihm diese Wohlthat der ewigen Kindheit, vermöge de- ren es im Reiche des Saturnus in einem im- merwährenden Frühling lebte, schwebte und war -- Es verschenkte alies das Seinige, um von Almosen zu leben; es vertauschte Gold gegen Flittern, Schaumünzen gegen blanke Rechenpfennige. Doch alles ist kein Ver- gleich gegen den Tausch des Rechtes gegen Güte -- der männlichen Worte: ich fordere, gegen die weiblichen: ich bitte. Wie konnte man aber auch einer, in der gesetzlichen Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin, einer der Gewalt eines Andern untergeordne- ten Sklavin, mehr als Gnade und Wohlthaten erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte Kinder -- Auf ihre Familie hatte sie Ver- zicht gethan, um zu ihres Herrn Familie ein-
Ehre nicht würdigte, zum Volke zu gehören, und daſs eben aus dieser Herabsetzung ihm der Vorzug erwuchs, mit Bestande Rechtens in den Rechten unerfahren zu seyn und sich mit dieser Gesetzunwissenheit, wie mit einem Orden, zu schmücken! — Nicht nur un- schädlich, sondern rühmlich, war ihm diese Wohlthat der ewigen Kindheit, vermöge de- ren es im Reiche des Saturnus in einem im- merwährenden Frühling lebte, schwebte und war — Es verschenkte alies das Seinige, um von Almosen zu leben; es vertauschte Gold gegen Flittern, Schaumünzen gegen blanke Rechenpfennige. Doch alles ist kein Ver- gleich gegen den Tausch des Rechtes gegen Güte — der männlichen Worte: ich fordere, gegen die weiblichen: ich bitte. Wie konnte man aber auch einer, in der gesetzlichen Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin, einer der Gewalt eines Andern untergeordne- ten Sklavin, mehr als Gnade und Wohlthaten erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte Kinder — Auf ihre Familie hatte sie Ver- zicht gethan, um zu ihres Herrn Familie ein-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="159"/>
Ehre nicht würdigte, zum Volke zu gehören,<lb/>
und daſs eben aus dieser Herabsetzung ihm<lb/>
der Vorzug erwuchs, mit Bestande Rechtens<lb/>
in den Rechten unerfahren zu seyn und sich<lb/>
mit dieser Gesetzunwissenheit, wie mit einem<lb/>
Orden, zu schmücken! — Nicht nur un-<lb/>
schädlich, sondern rühmlich, war ihm diese<lb/>
Wohlthat der ewigen Kindheit, vermöge de-<lb/>
ren es im Reiche des <hirendition="#i">Saturnus</hi> in einem im-<lb/>
merwährenden Frühling lebte, schwebte und<lb/>
war — Es verschenkte alies das Seinige, um<lb/>
von Almosen zu leben; es vertauschte Gold<lb/>
gegen Flittern, Schaumünzen gegen blanke<lb/>
Rechenpfennige. Doch alles ist kein Ver-<lb/>
gleich gegen den Tausch des Rechtes gegen<lb/>
Güte — der männlichen Worte: <hirendition="#i">ich fordere</hi>,<lb/>
gegen die weiblichen: <hirendition="#i">ich bitte</hi>. Wie konnte<lb/>
man aber auch einer, in der gesetzlichen<lb/>
Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin,<lb/>
einer der Gewalt eines Andern untergeordne-<lb/>
ten Sklavin, mehr als Gnade und Wohlthaten<lb/>
erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte<lb/>
Kinder — Auf ihre Familie hatte sie Ver-<lb/>
zicht gethan, um zu ihres Herrn Familie ein-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[159/0167]
Ehre nicht würdigte, zum Volke zu gehören,
und daſs eben aus dieser Herabsetzung ihm
der Vorzug erwuchs, mit Bestande Rechtens
in den Rechten unerfahren zu seyn und sich
mit dieser Gesetzunwissenheit, wie mit einem
Orden, zu schmücken! — Nicht nur un-
schädlich, sondern rühmlich, war ihm diese
Wohlthat der ewigen Kindheit, vermöge de-
ren es im Reiche des Saturnus in einem im-
merwährenden Frühling lebte, schwebte und
war — Es verschenkte alies das Seinige, um
von Almosen zu leben; es vertauschte Gold
gegen Flittern, Schaumünzen gegen blanke
Rechenpfennige. Doch alles ist kein Ver-
gleich gegen den Tausch des Rechtes gegen
Güte — der männlichen Worte: ich fordere,
gegen die weiblichen: ich bitte. Wie konnte
man aber auch einer, in der gesetzlichen
Herrschaft des Eheherrn befindlichen Gattin,
einer der Gewalt eines Andern untergeordne-
ten Sklavin, mehr als Gnade und Wohlthaten
erweisen? Nicht sie, sondern ihr Mann hatte
Kinder — Auf ihre Familie hatte sie Ver-
zicht gethan, um zu ihres Herrn Familie ein-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/167>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.