feil waren. So ging es dem andern Geschlech- te, das auch Opfer auf Kosten seiner Rechte annehmen musste, und das, wenn gleich die Menschheit es so sehr zierte, sie doch gegen jene Göttlichkeit aufzugeben gezwungen ward. Jemanden Güte erweisen, indem man ihm Ge- rechtigkeit entzieht, heisst: ein Naturgesetz mit Füssen treten, und sich mit einem positi- ven brüsten; die Erstgeburt für ein schnödes Linsengericht verkaufen, Mücken seigen und Kameele verschlucken -- O, der blinden Lei- ter, die mit pharisäischer Heuchelei das an- dere Geschlecht einschläferten, im Trüben fischten und durch Schein des Rechts die na- türlichen in das Herz geschriebenen Rechte zu vertilgen suchten! -- Die Natur lässt sich nicht zwingen. -- Furcht! Fiel dies Wort auf? Es sollte auffallen -- Seht! ich will mein Herz ausschütten und zur Ehre des männli- chen Geschlechtes bekennen, dass keine böse- re Absicht, als die Furcht, das andere Ge- schlecht würde uns beherrschen, den Grund zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat. Auch dachten wir vielleicht unserer Seits bei
L 2
feil waren. So ging es dem andern Geschlech- te, das auch Opfer auf Kosten seiner Rechte annehmen muſste, und das, wenn gleich die Menschheit es so sehr zierte, sie doch gegen jene Göttlichkeit aufzugeben gezwungen ward. Jemanden Güte erweisen, indem man ihm Ge- rechtigkeit entzieht, heiſst: ein Naturgesetz mit Füſsen treten, und sich mit einem positi- ven brüsten; die Erstgeburt für ein schnödes Linsengericht verkaufen, Mücken seigen und Kameele verschlucken — O, der blinden Lei- ter, die mit pharisäischer Heuchelei das an- dere Geschlecht einschläferten, im Trüben fischten und durch Schein des Rechts die na- türlichen in das Herz geschriebenen Rechte zu vertilgen suchten! — Die Natur läſst sich nicht zwingen. — Furcht! Fiel dies Wort auf? Es sollte auffallen — Seht! ich will mein Herz ausschütten und zur Ehre des männli- chen Geschlechtes bekennen, daſs keine böse- re Absicht, als die Furcht, das andere Ge- schlecht würde uns beherrschen, den Grund zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat. Auch dachten wir vielleicht unserer Seits bei
L 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0171"n="163"/>
feil waren. So ging es dem andern Geschlech-<lb/>
te, das auch Opfer auf Kosten seiner Rechte<lb/>
annehmen muſste, und das, wenn gleich die<lb/>
Menschheit es so sehr zierte, sie doch gegen<lb/>
jene Göttlichkeit aufzugeben gezwungen ward.<lb/>
Jemanden Güte erweisen, indem man ihm Ge-<lb/>
rechtigkeit entzieht, heiſst: ein Naturgesetz<lb/>
mit Füſsen treten, und sich mit einem positi-<lb/>
ven brüsten; die Erstgeburt für ein schnödes<lb/>
Linsengericht verkaufen, Mücken seigen und<lb/>
Kameele verschlucken — O, der blinden Lei-<lb/>
ter, die mit pharisäischer Heuchelei das an-<lb/>
dere Geschlecht einschläferten, im Trüben<lb/>
fischten und durch Schein des Rechts die na-<lb/>
türlichen in das Herz geschriebenen Rechte<lb/>
zu vertilgen suchten! — Die Natur läſst sich<lb/>
nicht zwingen. —<hirendition="#i">Furcht!</hi> Fiel dies Wort auf?<lb/>
Es sollte auffallen — Seht! ich will mein<lb/>
Herz ausschütten und zur Ehre des männli-<lb/>
chen Geschlechtes bekennen, daſs keine böse-<lb/>
re Absicht, als <hirendition="#i">die Furcht, das andere Ge-<lb/>
schlecht würde uns beherrschen</hi>, den Grund<lb/>
zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat.<lb/>
Auch dachten wir vielleicht unserer Seits bei<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[163/0171]
feil waren. So ging es dem andern Geschlech-
te, das auch Opfer auf Kosten seiner Rechte
annehmen muſste, und das, wenn gleich die
Menschheit es so sehr zierte, sie doch gegen
jene Göttlichkeit aufzugeben gezwungen ward.
Jemanden Güte erweisen, indem man ihm Ge-
rechtigkeit entzieht, heiſst: ein Naturgesetz
mit Füſsen treten, und sich mit einem positi-
ven brüsten; die Erstgeburt für ein schnödes
Linsengericht verkaufen, Mücken seigen und
Kameele verschlucken — O, der blinden Lei-
ter, die mit pharisäischer Heuchelei das an-
dere Geschlecht einschläferten, im Trüben
fischten und durch Schein des Rechts die na-
türlichen in das Herz geschriebenen Rechte
zu vertilgen suchten! — Die Natur läſst sich
nicht zwingen. — Furcht! Fiel dies Wort auf?
Es sollte auffallen — Seht! ich will mein
Herz ausschütten und zur Ehre des männli-
chen Geschlechtes bekennen, daſs keine böse-
re Absicht, als die Furcht, das andere Ge-
schlecht würde uns beherrschen, den Grund
zu unserer Herrschaft über dasselbe gelegt hat.
Auch dachten wir vielleicht unserer Seits bei
L 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/171>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.