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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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tig sind hier wenn und wie! Alle Wege des
Wanderers zwecken ab, an einen Ort zu kom-
men; alle kleine Flüsse gehen zum grossen
Meere -- -- --

Wie ist es aber möglich, dass Weiber die-
sem Berufe genügen können, wenn jene An-
lagen und Fähigkeiten so wenig entwickelt
werden! Man vernachlässiget sie nicht bloss;
man unterdrückt sie absichtlich. Das Kind
ist geschlechtslos; warum sind wir der weiseren
Natur zuvor geeilt? warum haben wir früher
die Geschlechter abzusondern angefangen, als
die Natur uns dazu einen Wink gab? Das
Kind ist gesellig, nicht weil es durch einen
besondern Trieb dazu gereitzt wird, sondern
aus Bedürfniss und um thätig zu seyn. Nicht
das moralische Gefühl, welches den Menschen
an seines Gleichen kettet, um sich ihnen
mitzutheilen, um durch den Umgang mit An-
dern das Eckige seines Charakters abzuschlei-
fen und um sich durch Andere zu vervollstän-
digen -- nicht dieses Gefühl macht das Kind
gesellig. Was kennt es mehr als sein Bedürf-
niss? Es will genährt und vergnügt seyn:

tig sind hier wenn und wie! Alle Wege des
Wanderers zwecken ab, an einen Ort zu kom-
men; alle kleine Flüsse gehen zum groſsen
Meere — — —

Wie ist es aber möglich, daſs Weiber die-
sem Berufe genügen können, wenn jene An-
lagen und Fähigkeiten so wenig entwickelt
werden! Man vernachlässiget sie nicht bloſs;
man unterdrückt sie absichtlich. Das Kind
ist geschlechtslos; warum sind wir der weiseren
Natur zuvor geeilt? warum haben wir früher
die Geschlechter abzusondern angefangen, als
die Natur uns dazu einen Wink gab? Das
Kind ist gesellig, nicht weil es durch einen
besondern Trieb dazu gereitzt wird, sondern
aus Bedürfniſs und um thätig zu seyn. Nicht
das moralische Gefühl, welches den Menschen
an seines Gleichen kettet, um sich ihnen
mitzutheilen, um durch den Umgang mit An-
dern das Eckige seines Charakters abzuschlei-
fen und um sich durch Andere zu vervollstän-
digen — nicht dieses Gefühl macht das Kind
gesellig. Was kennt es mehr als sein Bedürf-
niſs? Es will genährt und vergnügt seyn:

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[218/0226] tig sind hier wenn und wie! Alle Wege des Wanderers zwecken ab, an einen Ort zu kom- men; alle kleine Flüsse gehen zum groſsen Meere — — — Wie ist es aber möglich, daſs Weiber die- sem Berufe genügen können, wenn jene An- lagen und Fähigkeiten so wenig entwickelt werden! Man vernachlässiget sie nicht bloſs; man unterdrückt sie absichtlich. Das Kind ist geschlechtslos; warum sind wir der weiseren Natur zuvor geeilt? warum haben wir früher die Geschlechter abzusondern angefangen, als die Natur uns dazu einen Wink gab? Das Kind ist gesellig, nicht weil es durch einen besondern Trieb dazu gereitzt wird, sondern aus Bedürfniſs und um thätig zu seyn. Nicht das moralische Gefühl, welches den Menschen an seines Gleichen kettet, um sich ihnen mitzutheilen, um durch den Umgang mit An- dern das Eckige seines Charakters abzuschlei- fen und um sich durch Andere zu vervollstän- digen — nicht dieses Gefühl macht das Kind gesellig. Was kennt es mehr als sein Bedürf- niſs? Es will genährt und vergnügt seyn:

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/226>, abgerufen am 25.11.2024.