darum ist es gesellig; es ist gesellig zum Zeit- vertreib -- Wo es diese Absicht erreicht, be- findet es sich wohl; Geschlechtsunterschiede stehen, so wie moralische und geistige Eigen- schaften, mit seiner Gesellschaft in gar keiner Beziehung --
Erst um das zwölfte Jahr fangen unter dem Europäischen Himmel die Geschlechts- keime an bei dem weiblichen Theile sich zu entwickeln und nie gewohnte Unruhe, eine vorher unbemerkte Ahndung und sanfte Sehn- sucht zu erwecken. So lange sollte unter Kindern Alles bis auf die Kleidung gleich bleiben, weil die Natur es so will. Erziehung, Unterricht, Zeitvertreib können für beide Ge- schlechter einerlei seyn, weil in diesem Zeit- raume die Bildung sich mit dem Menschen beschäftigen und für die Entwickelung jener Anlagen sorgen soll, ohne alle Rücksicht auf anderweitige Bestimmungen, als auf die erste ehrwürdigste: einen Menschen nach der urkund- lichen Deutung der Natur darzustellen.
Auf diesen einzigen Endzweck müssen es alle pädagogische Bemühungen anlegen, und
darum ist es gesellig; es ist gesellig zum Zeit- vertreib — Wo es diese Absicht erreicht, be- findet es sich wohl; Geschlechtsunterschiede stehen, so wie moralische und geistige Eigen- schaften, mit seiner Gesellschaft in gar keiner Beziehung —
Erst um das zwölfte Jahr fangen unter dem Europäischen Himmel die Geschlechts- keime an bei dem weiblichen Theile sich zu entwickeln und nie gewohnte Unruhe, eine vorher unbemerkte Ahndung und sanfte Sehn- sucht zu erwecken. So lange sollte unter Kindern Alles bis auf die Kleidung gleich bleiben, weil die Natur es so will. Erziehung, Unterricht, Zeitvertreib können für beide Ge- schlechter einerlei seyn, weil in diesem Zeit- raume die Bildung sich mit dem Menschen beschäftigen und für die Entwickelung jener Anlagen sorgen soll, ohne alle Rücksicht auf anderweitige Bestimmungen, als auf die erste ehrwürdigste: einen Menschen nach der urkund- lichen Deutung der Natur darzustellen.
Auf diesen einzigen Endzweck müssen es alle pädagogische Bemühungen anlegen, und
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darum ist es gesellig; es ist gesellig zum Zeit-
vertreib — Wo es diese Absicht erreicht, be-
findet es sich wohl; Geschlechtsunterschiede
stehen, so wie moralische und geistige Eigen-
schaften, mit seiner Gesellschaft in gar keiner
Beziehung —
Erst um das zwölfte Jahr fangen unter
dem Europäischen Himmel die Geschlechts-
keime an bei dem weiblichen Theile sich zu
entwickeln und nie gewohnte Unruhe, eine
vorher unbemerkte Ahndung und sanfte Sehn-
sucht zu erwecken. So lange sollte unter
Kindern Alles bis auf die Kleidung gleich
bleiben, weil die Natur es so will. Erziehung,
Unterricht, Zeitvertreib können für beide Ge-
schlechter einerlei seyn, weil in diesem Zeit-
raume die Bildung sich mit dem Menschen
beschäftigen und für die Entwickelung jener
Anlagen sorgen soll, ohne alle Rücksicht auf
anderweitige Bestimmungen, als auf die erste
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/227>, abgerufen am 25.11.2024.
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