Ich mag diesem Gegenstande wohlbedächtig nicht näher treten -- -- --
Überall wo Genieflug und Kunstfleiss der Menschen hinreicht, treffen w[ir] Weibernamen an, die um den Preis ringen. Es sind nicht Weiber, die auf einem ganz entgegen gesetz- ten Wege ihre Eitelkeit zu befriedigen such- ten, weil sie auf dem geschlechtsüblichen nicht fortkamen; sondern solche, die, von ihrem Geiste getrieben, jene Kräfte anlegten, welche die Natur ihrem Geschlechte so reichlich und täglich gespendet hat. Welch eine ehrenvolle Stelle nimmt Anna Comnena unter den By- zantinischen Geschichtschreibern ein! Die grosse Tochter Heinrichs des Achten, die Eng- land nicht durch das Parlament regierte, son- dern deren Wink für dieses, Staatsgesetz war, vor der es die Knie beugte, die, wenn sie gleich nicht den stolzen Philipp so doch seine unüberwindliche Flotte überwand, hat eine ihr würdige Geschichtschreiberin an der Keraglio gefunden. In den Jahrhunderten der Unwis- senheit, wo tiefe Mitternacht die Völker Eu- ropens von Einem Ende bis zum andern be-
Q 2
Ich mag diesem Gegenstande wohlbedächtig nicht näher treten — — —
Überall wo Genieflug und Kunstfleiſs der Menschen hinreicht, treffen w[ir] Weibernamen an, die um den Preis ringen. Es sind nicht Weiber, die auf einem ganz entgegen gesetz- ten Wege ihre Eitelkeit zu befriedigen such- ten, weil sie auf dem geschlechtsüblichen nicht fortkamen; sondern solche, die, von ihrem Geiste getrieben, jene Kräfte anlegten, welche die Natur ihrem Geschlechte so reichlich und täglich gespendet hat. Welch eine ehrenvolle Stelle nimmt Anna Comnena unter den By- zantinischen Geschichtschreibern ein! Die groſse Tochter Heinrichs des Achten, die Eng- land nicht durch das Parlament regierte, son- dern deren Wink für dieses, Staatsgesetz war, vor der es die Knie beugte, die, wenn sie gleich nicht den stolzen Philipp so doch seine unüberwindliche Flotte überwand, hat eine ihr würdige Geschichtschreiberin an der Keraglio gefunden. In den Jahrhunderten der Unwis- senheit, wo tiefe Mitternacht die Völker Eu- ropens von Einem Ende bis zum andern be-
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Ich mag diesem Gegenstande wohlbedächtig
nicht näher treten — — —
Überall wo Genieflug und Kunstfleiſs der
Menschen hinreicht, treffen wir Weibernamen
an, die um den Preis ringen. Es sind nicht
Weiber, die auf einem ganz entgegen gesetz-
ten Wege ihre Eitelkeit zu befriedigen such-
ten, weil sie auf dem geschlechtsüblichen nicht
fortkamen; sondern solche, die, von ihrem
Geiste getrieben, jene Kräfte anlegten, welche
die Natur ihrem Geschlechte so reichlich und
täglich gespendet hat. Welch eine ehrenvolle
Stelle nimmt Anna Comnena unter den By-
zantinischen Geschichtschreibern ein! Die
groſse Tochter Heinrichs des Achten, die Eng-
land nicht durch das Parlament regierte, son-
dern deren Wink für dieses, Staatsgesetz war,
vor der es die Knie beugte, die, wenn sie
gleich nicht den stolzen Philipp so doch seine
unüberwindliche Flotte überwand, hat eine ihr
würdige Geschichtschreiberin an der Keraglio
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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