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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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derte denen, die ihm die Nachricht brachten,
dass man ihm zum Tode verurtheilt habe: die
Natur hat dieses Urtheil auch über meine
Richter publicirt -- Das Leben giebt den
Tod, der Tod giebt das Leben -- Nicht
nur wer im Schweisse seines Angesichts, son-
dern auch wer im vollen Masse des Vergnü-
gens seinen Lebenstag vollbracht hat, ist gern
schläfrig -- Wäre der Schlaf nicht der ältere
Bruder des Todes, es würde sich nicht so
leicht sterben lassen; jetzt aber schlafen wir
nur auf länger ein, als gewöhnlich -- Warum
etwas fürchten, was Allen bevorsteht, etwas
dem Niemand entgeht, und nähm' er Flügel
der Morgenröthe, um an das äusserste Ende
der Erde und des Meeres zu fliehen! -- Wenn
Männer die Kunst zu sterben lernen; so ler-
nen Weiber die Natur des Todes: ihr Herz
erschrickt nicht, und fürchtet sich nicht --
Will man mit dem Tode zu seinem Troste
bekannt werden, so muss man Weiber und
nicht Männer im Sterben beobachten -- Ge-
wiss stirbt man im Kriege leichter, als auf
seinem gewöhnlichen Lager; allein der Tod

T 3

derte denen, die ihm die Nachricht brachten,
daſs man ihm zum Tode verurtheilt habe: die
Natur hat dieses Urtheil auch über meine
Richter publicirt — Das Leben giebt den
Tod, der Tod giebt das Leben — Nicht
nur wer im Schweiſse seines Angesichts, son-
dern auch wer im vollen Maſse des Vergnü-
gens seinen Lebenstag vollbracht hat, ist gern
schläfrig — Wäre der Schlaf nicht der ältere
Bruder des Todes, es würde sich nicht so
leicht sterben lassen; jetzt aber schlafen wir
nur auf länger ein, als gewöhnlich — Warum
etwas fürchten, was Allen bevorsteht, etwas
dem Niemand entgeht, und nähm’ er Flügel
der Morgenröthe, um an das äuſserste Ende
der Erde und des Meeres zu fliehen! — Wenn
Männer die Kunst zu sterben lernen; so ler-
nen Weiber die Natur des Todes: ihr Herz
erschrickt nicht, und fürchtet sich nicht —
Will man mit dem Tode zu seinem Troste
bekannt werden, so muſs man Weiber und
nicht Männer im Sterben beobachten — Ge-
wiſs stirbt man im Kriege leichter, als auf
seinem gewöhnlichen Lager; allein der Tod

T 3
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[293/0301] derte denen, die ihm die Nachricht brachten, daſs man ihm zum Tode verurtheilt habe: die Natur hat dieses Urtheil auch über meine Richter publicirt — Das Leben giebt den Tod, der Tod giebt das Leben — Nicht nur wer im Schweiſse seines Angesichts, son- dern auch wer im vollen Maſse des Vergnü- gens seinen Lebenstag vollbracht hat, ist gern schläfrig — Wäre der Schlaf nicht der ältere Bruder des Todes, es würde sich nicht so leicht sterben lassen; jetzt aber schlafen wir nur auf länger ein, als gewöhnlich — Warum etwas fürchten, was Allen bevorsteht, etwas dem Niemand entgeht, und nähm’ er Flügel der Morgenröthe, um an das äuſserste Ende der Erde und des Meeres zu fliehen! — Wenn Männer die Kunst zu sterben lernen; so ler- nen Weiber die Natur des Todes: ihr Herz erschrickt nicht, und fürchtet sich nicht — Will man mit dem Tode zu seinem Troste bekannt werden, so muſs man Weiber und nicht Männer im Sterben beobachten — Ge- wiſs stirbt man im Kriege leichter, als auf seinem gewöhnlichen Lager; allein der Tod T 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/301>, abgerufen am 22.11.2024.