Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

und des neuen Geschmacks in den Gärten.
Schönheit ist tiefsinnig, seine Grundsätze sind zusammengedrängt und in einer ge-
nauen Verbindung vorgetragen. Man könnte sie eine Metaphysik der Parks nennen.
Aber bloße Metaphysik ist oft der Empfindung nachtheilig, und in der That scheint
es, daß Whately zu wenig auf sie gerechnet habe. Außerdem ist er nicht allein oft
dunkel, welches zum Theil von dem zu häufigen Gebrauch der Kunstwörter herrührt,
sondern auch zu einseitig, indem er allein sein Augenmerk auf die weitläuftigen vater-
ländischen Parks richtet, aus ihnen schöpft und auf sie zurückfließen läßt. Und da
die einzelnen Vorschriften, die in seinem Werk verborgen liegen, aus dem Raisonne-
ment nicht genug herausgewickelt sind, so wird der Künstler, der sich zur Arbeit an-
schickt, nicht die praktische Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet. --

[Abbildung]
2.

Unter den französischen Schriststellern erhob sich der berühmte Bürger von
Genf
zuerst gegen den falschen Geschmack in den Gärten. Das Elysium oder der
Baumgarten seiner Julie, den er schilderte, *) war ländlich, gleichsam vernachläßi-
get und doch reizend. Und seine Anmerkungen, die er dabey über die gewöhnlichen
Gartenanlagen einstreuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des
Geschmacks, daß sie schon damals die Aufmerksamkeit hätten rege machen sollen, die

erst
*) Julie ou nouvelle Heloise, Part. IV. Lett. XI.
I Band. R

und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.
Schoͤnheit iſt tiefſinnig, ſeine Grundſaͤtze ſind zuſammengedraͤngt und in einer ge-
nauen Verbindung vorgetragen. Man koͤnnte ſie eine Metaphyſik der Parks nennen.
Aber bloße Metaphyſik iſt oft der Empfindung nachtheilig, und in der That ſcheint
es, daß Whately zu wenig auf ſie gerechnet habe. Außerdem iſt er nicht allein oft
dunkel, welches zum Theil von dem zu haͤufigen Gebrauch der Kunſtwoͤrter herruͤhrt,
ſondern auch zu einſeitig, indem er allein ſein Augenmerk auf die weitlaͤuftigen vater-
laͤndiſchen Parks richtet, aus ihnen ſchoͤpft und auf ſie zuruͤckfließen laͤßt. Und da
die einzelnen Vorſchriften, die in ſeinem Werk verborgen liegen, aus dem Raiſonne-
ment nicht genug herausgewickelt ſind, ſo wird der Kuͤnſtler, der ſich zur Arbeit an-
ſchickt, nicht die praktiſche Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet. —

[Abbildung]
2.

Unter den franzoͤſiſchen Schriſtſtellern erhob ſich der beruͤhmte Buͤrger von
Genf
zuerſt gegen den falſchen Geſchmack in den Gaͤrten. Das Elyſium oder der
Baumgarten ſeiner Julie, den er ſchilderte, *) war laͤndlich, gleichſam vernachlaͤßi-
get und doch reizend. Und ſeine Anmerkungen, die er dabey uͤber die gewoͤhnlichen
Gartenanlagen einſtreuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des
Geſchmacks, daß ſie ſchon damals die Aufmerkſamkeit haͤtten rege machen ſollen, die

erſt
*) Julie ou nouvelle Heloiſe, Part. IV. Lett. XI.
I Band. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0143" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und des neuen Ge&#x017F;chmacks in den Ga&#x0364;rten.</hi></fw><lb/>
Scho&#x0364;nheit i&#x017F;t tief&#x017F;innig, &#x017F;eine Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;ind zu&#x017F;ammengedra&#x0364;ngt und in einer ge-<lb/>
nauen Verbindung vorgetragen. Man ko&#x0364;nnte &#x017F;ie eine Metaphy&#x017F;ik der Parks nennen.<lb/>
Aber bloße Metaphy&#x017F;ik i&#x017F;t oft der Empfindung nachtheilig, und in der That &#x017F;cheint<lb/>
es, daß <hi rendition="#fr">Whately</hi> zu wenig auf &#x017F;ie gerechnet habe. Außerdem i&#x017F;t er nicht allein oft<lb/>
dunkel, welches zum Theil von dem zu ha&#x0364;ufigen Gebrauch der Kun&#x017F;two&#x0364;rter herru&#x0364;hrt,<lb/>
&#x017F;ondern auch zu ein&#x017F;eitig, indem er allein &#x017F;ein Augenmerk auf die weitla&#x0364;uftigen vater-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen Parks richtet, aus ihnen &#x017F;cho&#x0364;pft und auf &#x017F;ie zuru&#x0364;ckfließen la&#x0364;ßt. Und da<lb/>
die einzelnen Vor&#x017F;chriften, die in &#x017F;einem Werk verborgen liegen, aus dem Rai&#x017F;onne-<lb/>
ment nicht genug herausgewickelt &#x017F;ind, &#x017F;o wird der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, der &#x017F;ich zur Arbeit an-<lb/>
&#x017F;chickt, nicht die prakti&#x017F;che Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet. &#x2014;</p><lb/>
            <figure/>
          </div>
          <div n="4">
            <head>2.</head><lb/>
            <p>Unter den <hi rendition="#fr">franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen</hi> Schri&#x017F;t&#x017F;tellern erhob &#x017F;ich der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;rger von<lb/>
Genf</hi> zuer&#x017F;t gegen den fal&#x017F;chen Ge&#x017F;chmack in den Ga&#x0364;rten. Das Ely&#x017F;ium oder der<lb/>
Baumgarten &#x017F;einer Julie, den er &#x017F;childerte, <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Julie ou nouvelle Heloi&#x017F;e, Part. IV. Lett. XI.</hi></note> war la&#x0364;ndlich, gleich&#x017F;am vernachla&#x0364;ßi-<lb/>
get und doch reizend. Und &#x017F;eine Anmerkungen, die er dabey u&#x0364;ber die gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Gartenanlagen ein&#x017F;treuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des<lb/>
Ge&#x017F;chmacks, daß &#x017F;ie &#x017F;chon damals die Aufmerk&#x017F;amkeit ha&#x0364;tten rege machen &#x017F;ollen, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er&#x017F;t</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> R</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Schoͤnheit iſt tiefſinnig, ſeine Grundſaͤtze ſind zuſammengedraͤngt und in einer ge- nauen Verbindung vorgetragen. Man koͤnnte ſie eine Metaphyſik der Parks nennen. Aber bloße Metaphyſik iſt oft der Empfindung nachtheilig, und in der That ſcheint es, daß Whately zu wenig auf ſie gerechnet habe. Außerdem iſt er nicht allein oft dunkel, welches zum Theil von dem zu haͤufigen Gebrauch der Kunſtwoͤrter herruͤhrt, ſondern auch zu einſeitig, indem er allein ſein Augenmerk auf die weitlaͤuftigen vater- laͤndiſchen Parks richtet, aus ihnen ſchoͤpft und auf ſie zuruͤckfließen laͤßt. Und da die einzelnen Vorſchriften, die in ſeinem Werk verborgen liegen, aus dem Raiſonne- ment nicht genug herausgewickelt ſind, ſo wird der Kuͤnſtler, der ſich zur Arbeit an- ſchickt, nicht die praktiſche Anleitung finden, die er vielleicht von ihm erwartet. — [Abbildung] 2. Unter den franzoͤſiſchen Schriſtſtellern erhob ſich der beruͤhmte Buͤrger von Genf zuerſt gegen den falſchen Geſchmack in den Gaͤrten. Das Elyſium oder der Baumgarten ſeiner Julie, den er ſchilderte, *) war laͤndlich, gleichſam vernachlaͤßi- get und doch reizend. Und ſeine Anmerkungen, die er dabey uͤber die gewoͤhnlichen Gartenanlagen einſtreuete, hatten eine Richtigkeit des Urtheils und eine Feinheit des Geſchmacks, daß ſie ſchon damals die Aufmerkſamkeit haͤtten rege machen ſollen, die erſt *) Julie ou nouvelle Heloiſe, Part. IV. Lett. XI. I Band. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/143
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/143>, abgerufen am 22.11.2024.