Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.der Alten und der Neuen. Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunst bey den Alten keine Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gärten zum Die Anlegung der Gärten ist lange schon ein Gegenstand des öffentlichen Auf- Die A 3
der Alten und der Neuen. Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunſt bey den Alten keine Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gaͤrten zum Die Anlegung der Gaͤrten iſt lange ſchon ein Gegenſtand des oͤffentlichen Auf- Die A 3
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0019" n="5"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Alten und der Neuen.</hi> </fw><lb/> <p>Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunſt bey den Alten keine<lb/> ſo merkliche Vollkommenheit gewonnen hat, als die andern ſchoͤnen Kuͤnſte. Es iſt<lb/> wahr, das <hi rendition="#fr">griechiſche</hi> und <hi rendition="#fr">italieniſche</hi> Klima erheiterte mit der Landſchaft den Geiſt;<lb/> es erzeugte eine Menge natuͤrlicher Schoͤnheiten, und ſchaͤrfte die Faͤhigkeit, ſie mit<lb/> einer Art von Wolluſt zu genießen. Allein es fehlten der Gartenkunſt die maͤchtigen<lb/> Triebfedern, die fuͤr einige andere der ſchoͤnen Kuͤnſte ſo wirkſam waren. Dieſe er-<lb/> hoben ſich mit den großen republikaniſchen Beſtrebungen des Geiſtes, mit dem Kampf<lb/> nach Freyheit, nach Herrſchaft, nach Ruhm und Unſterblichkeit, mit den ſichern ſo-<lb/> gleich gegenwaͤrtigen Belohnungen des Vaterlandes. So ſtieg vornehmlich die Be-<lb/> redtſamkeit, die Poeſie und die Bildhauerkunſt. Die Anlage der Gaͤrten aber er-<lb/> forderte eine Denkungsart, die der heroiſchen entgegen war, die Ruhe der Leiden-<lb/> ſchaften, die Liebe der Stille und des laͤndlichen Vergnuͤgens. Wenn damals auch<lb/> gleich zuweilen der verjagte, oder ſich ſelbſt entfernende Weiſe das Getuͤmmel der ſtaͤd-<lb/> tiſchen Geſchaͤfte mit dem Frieden eines verborgenen Landhauſes verwechſelte: ſo war<lb/> doch weder ſein Geiſt noch ſein Geſchmack immer aufgelegt genug, ſich mit einer vor-<lb/> zuͤglichen Verſchoͤnerung eines zum Garten geſchickten Platzes zu befaſſen. Je mehr<lb/> ſich die heroiſchen Zeiten verloren, deſto mehr breitete ſich wirklich der Geſchmack an<lb/> den Gaͤrten aus. Die <hi rendition="#fr">Roͤmer</hi> waren, als ſie die Menge ihrer Villen und Gaͤrten<lb/> anlegten, nicht mehr die Zeitgenoſſen des <hi rendition="#fr">Fabricius,</hi> ſondern des <hi rendition="#fr">Lucullus.</hi> Es<lb/> war nicht mehr die nuͤtzliche Beſchaͤftigung, nicht mehr die ſanfte einfaͤltige Freude,<lb/> ſondern es war die verfeinerte Wolluſt des Landlebens, wornach ſie duͤrſteten.</p><lb/> <p>Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gaͤrten zum<lb/> Vergnuͤgen angelegt haben ſollte. Die Reizungen der ſchoͤnen Natur haben eine faſt<lb/> allgemeine Wirkung. Religion und Nationalmeynungen ſchraͤnken ſie nicht ein.<lb/> Der <hi rendition="#fr">roͤmiſche</hi> Moͤnch beluſtigt ſich in dem Garten ſeines Kloſters ſo gerne, als der<lb/><hi rendition="#fr">Muſelmann</hi> ſeinen Landhaͤuſern am Meere zueilt, um da die friſche Luft zu genießen,<lb/> die ihm <hi rendition="#fr">Conſtantinopel</hi> verſagt.</p><lb/> <p>Die Anlegung der Gaͤrten iſt lange ſchon ein Gegenſtand des oͤffentlichen Auf-<lb/> wandes nicht blos der Fuͤrſten, ſondern auch der beguͤterten Glieder der Nationen ge-<lb/> worden. Die Nothdurft erforderte um volkreiche Staͤdte einen fleißigern Anbau der<lb/> Gewaͤchſe, die der Menſch zu ſeiner Nahrung braucht; und neben dieſen Plaͤtzen er-<lb/> hoben ſich auch bald Gaͤrten, die dem Genuß der Freyheit, der friſchen Luft und des<lb/> Vergnuͤgens gewidmet wurden. Man ſieht noch gemeiniglich Gaͤrten um groͤßere<lb/> Staͤdte, wo der Handel Wohlſtand, oder der Reichthum einen gewiſſen Luxus er-<lb/> zeugt hat.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0019]
der Alten und der Neuen.
Man wird in der Folge wahrnehmen, daß die Gartenkunſt bey den Alten keine
ſo merkliche Vollkommenheit gewonnen hat, als die andern ſchoͤnen Kuͤnſte. Es iſt
wahr, das griechiſche und italieniſche Klima erheiterte mit der Landſchaft den Geiſt;
es erzeugte eine Menge natuͤrlicher Schoͤnheiten, und ſchaͤrfte die Faͤhigkeit, ſie mit
einer Art von Wolluſt zu genießen. Allein es fehlten der Gartenkunſt die maͤchtigen
Triebfedern, die fuͤr einige andere der ſchoͤnen Kuͤnſte ſo wirkſam waren. Dieſe er-
hoben ſich mit den großen republikaniſchen Beſtrebungen des Geiſtes, mit dem Kampf
nach Freyheit, nach Herrſchaft, nach Ruhm und Unſterblichkeit, mit den ſichern ſo-
gleich gegenwaͤrtigen Belohnungen des Vaterlandes. So ſtieg vornehmlich die Be-
redtſamkeit, die Poeſie und die Bildhauerkunſt. Die Anlage der Gaͤrten aber er-
forderte eine Denkungsart, die der heroiſchen entgegen war, die Ruhe der Leiden-
ſchaften, die Liebe der Stille und des laͤndlichen Vergnuͤgens. Wenn damals auch
gleich zuweilen der verjagte, oder ſich ſelbſt entfernende Weiſe das Getuͤmmel der ſtaͤd-
tiſchen Geſchaͤfte mit dem Frieden eines verborgenen Landhauſes verwechſelte: ſo war
doch weder ſein Geiſt noch ſein Geſchmack immer aufgelegt genug, ſich mit einer vor-
zuͤglichen Verſchoͤnerung eines zum Garten geſchickten Platzes zu befaſſen. Je mehr
ſich die heroiſchen Zeiten verloren, deſto mehr breitete ſich wirklich der Geſchmack an
den Gaͤrten aus. Die Roͤmer waren, als ſie die Menge ihrer Villen und Gaͤrten
anlegten, nicht mehr die Zeitgenoſſen des Fabricius, ſondern des Lucullus. Es
war nicht mehr die nuͤtzliche Beſchaͤftigung, nicht mehr die ſanfte einfaͤltige Freude,
ſondern es war die verfeinerte Wolluſt des Landlebens, wornach ſie duͤrſteten.
Es giebt wohl nicht leicht eine cultivirte Nation, die nicht einige Gaͤrten zum
Vergnuͤgen angelegt haben ſollte. Die Reizungen der ſchoͤnen Natur haben eine faſt
allgemeine Wirkung. Religion und Nationalmeynungen ſchraͤnken ſie nicht ein.
Der roͤmiſche Moͤnch beluſtigt ſich in dem Garten ſeines Kloſters ſo gerne, als der
Muſelmann ſeinen Landhaͤuſern am Meere zueilt, um da die friſche Luft zu genießen,
die ihm Conſtantinopel verſagt.
Die Anlegung der Gaͤrten iſt lange ſchon ein Gegenſtand des oͤffentlichen Auf-
wandes nicht blos der Fuͤrſten, ſondern auch der beguͤterten Glieder der Nationen ge-
worden. Die Nothdurft erforderte um volkreiche Staͤdte einen fleißigern Anbau der
Gewaͤchſe, die der Menſch zu ſeiner Nahrung braucht; und neben dieſen Plaͤtzen er-
hoben ſich auch bald Gaͤrten, die dem Genuß der Freyheit, der friſchen Luft und des
Vergnuͤgens gewidmet wurden. Man ſieht noch gemeiniglich Gaͤrten um groͤßere
Staͤdte, wo der Handel Wohlſtand, oder der Reichthum einen gewiſſen Luxus er-
zeugt hat.
Die
A 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |