Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der Landschaft und ihren Wirkungen.
hohe Waldungen und Baumgruppen, reißende Ströme, stürmende Wasserfälle, Aus-
sichten auf das Weltmeer, auf Schneeberge, auf Vulcane, in unermeßliche Abgrün-
de hinab -- Dunkelheit der Belaubung, starke Beschattungen, Finsterniß der Nacht
überall ausgebreitet, oder durch sparsame Blicke des hinter wandelnden Wolken her-
vorschimmernden Mondes beleuchtet -- tiefe Stille und Einsamkeit umher, die der
Seele Freyheit schenkt, die Eindrücke dieser Gegenstände aufzufangen, und sich den
Gedanken und Phantasien, die sie veranlassen, ganz zu übergeben -- dies alles mehr
oder weniger macht die feyerliche Gegend.

Ihre Wirkungen sind Bewunderung, Ehrfurcht, Erhebung der Seele, die
nicht geringer, als die Andacht ist. Bewegungen von dieser Art, und besonders die
so mächtigen Gefühle von der Größe und Allgegenwart des Vaters der Natur, müssen
jedem Geist willkommen seyn, der seine Würde zu schätzen unter dem Getümmel der
Welt noch nicht vergessen hat.

[Abbildung]

Vorzügliche Gegenden von diesem Charakter liefert die Natur sparsam, und
zwar um Vorgebirge an den Gestaden des Meeres, in den Alpen, Pyrenäen, und
andern hohen verketteten Gebirgen, in bejahrten Waldungen, in Wildnissen, wo
reißende Waldströme oder Vulcane herrschen. Nicht leicht wird man in der Natur

oder
E e 3

der Landſchaft und ihren Wirkungen.
hohe Waldungen und Baumgruppen, reißende Stroͤme, ſtuͤrmende Waſſerfaͤlle, Aus-
ſichten auf das Weltmeer, auf Schneeberge, auf Vulcane, in unermeßliche Abgruͤn-
de hinab — Dunkelheit der Belaubung, ſtarke Beſchattungen, Finſterniß der Nacht
uͤberall ausgebreitet, oder durch ſparſame Blicke des hinter wandelnden Wolken her-
vorſchimmernden Mondes beleuchtet — tiefe Stille und Einſamkeit umher, die der
Seele Freyheit ſchenkt, die Eindruͤcke dieſer Gegenſtaͤnde aufzufangen, und ſich den
Gedanken und Phantaſien, die ſie veranlaſſen, ganz zu uͤbergeben — dies alles mehr
oder weniger macht die feyerliche Gegend.

Ihre Wirkungen ſind Bewunderung, Ehrfurcht, Erhebung der Seele, die
nicht geringer, als die Andacht iſt. Bewegungen von dieſer Art, und beſonders die
ſo maͤchtigen Gefuͤhle von der Groͤße und Allgegenwart des Vaters der Natur, muͤſſen
jedem Geiſt willkommen ſeyn, der ſeine Wuͤrde zu ſchaͤtzen unter dem Getuͤmmel der
Welt noch nicht vergeſſen hat.

[Abbildung]

Vorzuͤgliche Gegenden von dieſem Charakter liefert die Natur ſparſam, und
zwar um Vorgebirge an den Geſtaden des Meeres, in den Alpen, Pyrenaͤen, und
andern hohen verketteten Gebirgen, in bejahrten Waldungen, in Wildniſſen, wo
reißende Waldſtroͤme oder Vulcane herrſchen. Nicht leicht wird man in der Natur

oder
E e 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0235" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Land&#x017F;chaft und ihren Wirkungen.</hi></fw><lb/>
hohe Waldungen und Baumgruppen, reißende Stro&#x0364;me, &#x017F;tu&#x0364;rmende Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;lle, Aus-<lb/>
&#x017F;ichten auf das Weltmeer, auf Schneeberge, auf Vulcane, in unermeßliche Abgru&#x0364;n-<lb/>
de hinab &#x2014; Dunkelheit der Belaubung, &#x017F;tarke Be&#x017F;chattungen, Fin&#x017F;terniß der Nacht<lb/>
u&#x0364;berall ausgebreitet, oder durch &#x017F;par&#x017F;ame Blicke des hinter wandelnden Wolken her-<lb/>
vor&#x017F;chimmernden Mondes beleuchtet &#x2014; tiefe Stille und Ein&#x017F;amkeit umher, die der<lb/>
Seele Freyheit &#x017F;chenkt, die Eindru&#x0364;cke die&#x017F;er Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde aufzufangen, und &#x017F;ich den<lb/>
Gedanken und Phanta&#x017F;ien, die &#x017F;ie veranla&#x017F;&#x017F;en, ganz zu u&#x0364;bergeben &#x2014; dies alles mehr<lb/>
oder weniger macht die feyerliche Gegend.</p><lb/>
            <p>Ihre Wirkungen &#x017F;ind Bewunderung, Ehrfurcht, Erhebung der Seele, die<lb/>
nicht geringer, als die Andacht i&#x017F;t. Bewegungen von die&#x017F;er Art, und be&#x017F;onders die<lb/>
&#x017F;o ma&#x0364;chtigen Gefu&#x0364;hle von der Gro&#x0364;ße und Allgegenwart des Vaters der Natur, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
jedem Gei&#x017F;t willkommen &#x017F;eyn, der &#x017F;eine Wu&#x0364;rde zu &#x017F;cha&#x0364;tzen unter dem Getu&#x0364;mmel der<lb/>
Welt noch nicht verge&#x017F;&#x017F;en hat.</p><lb/>
            <figure/>
            <p>Vorzu&#x0364;gliche Gegenden von die&#x017F;em Charakter liefert die Natur &#x017F;par&#x017F;am, und<lb/>
zwar um Vorgebirge an den Ge&#x017F;taden des Meeres, in den <hi rendition="#fr">Alpen, Pyrena&#x0364;en,</hi> und<lb/>
andern hohen verketteten Gebirgen, in bejahrten Waldungen, in Wildni&#x017F;&#x017F;en, wo<lb/>
reißende Wald&#x017F;tro&#x0364;me oder Vulcane herr&#x017F;chen. Nicht leicht wird man in der Natur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e 3</fw><fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0235] der Landſchaft und ihren Wirkungen. hohe Waldungen und Baumgruppen, reißende Stroͤme, ſtuͤrmende Waſſerfaͤlle, Aus- ſichten auf das Weltmeer, auf Schneeberge, auf Vulcane, in unermeßliche Abgruͤn- de hinab — Dunkelheit der Belaubung, ſtarke Beſchattungen, Finſterniß der Nacht uͤberall ausgebreitet, oder durch ſparſame Blicke des hinter wandelnden Wolken her- vorſchimmernden Mondes beleuchtet — tiefe Stille und Einſamkeit umher, die der Seele Freyheit ſchenkt, die Eindruͤcke dieſer Gegenſtaͤnde aufzufangen, und ſich den Gedanken und Phantaſien, die ſie veranlaſſen, ganz zu uͤbergeben — dies alles mehr oder weniger macht die feyerliche Gegend. Ihre Wirkungen ſind Bewunderung, Ehrfurcht, Erhebung der Seele, die nicht geringer, als die Andacht iſt. Bewegungen von dieſer Art, und beſonders die ſo maͤchtigen Gefuͤhle von der Groͤße und Allgegenwart des Vaters der Natur, muͤſſen jedem Geiſt willkommen ſeyn, der ſeine Wuͤrde zu ſchaͤtzen unter dem Getuͤmmel der Welt noch nicht vergeſſen hat. [Abbildung] Vorzuͤgliche Gegenden von dieſem Charakter liefert die Natur ſparſam, und zwar um Vorgebirge an den Geſtaden des Meeres, in den Alpen, Pyrenaͤen, und andern hohen verketteten Gebirgen, in bejahrten Waldungen, in Wildniſſen, wo reißende Waldſtroͤme oder Vulcane herrſchen. Nicht leicht wird man in der Natur oder E e 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/235
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/235>, abgerufen am 22.11.2024.