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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Landschaft und ihren Wirkungen.
und schlich davon. Wenn es einen glücklichen Menschen auf der Welt giebt, so
habe ich diesen außerordentlichen Menschen gesehen, und hier wohnt er; alle seine
Mienen und Handlungen zeugen davon; und doch hatte er nicht einen einzigen Ma-
ravedi in der Tasche; Geld ist ihm so unnütz, als einer seiner Amseln. -- Vierhun-
dert Schritte von dieser Einsiedeley liegt die Zelle von St. Johann, an deren Ost-
seite man den fürchterlichsten Abgrund hinabschauet. Um den Mittag hat sie nach
Osten eine schöne Aussicht, und man kommt durch bequeme Stufen hinzu. Nicht
weit davon an der Seite des Weges ist eine kleine Kapelle, die den Namen St.
Michael
führt, und so alt als das Kloster ist. Alle Einsiedeleyen, auch die kleinste,
haben ihre Kapellen, ihre Wasserbehälter, und die meisten einen kleinen Garten.
Das Gebäude besteht aus einer oder zwey kleinen Kammern, einem kleinen Speise-
saal und einer Küche; viele aber haben von außen und innen alle Bequemlichkeiten,
die ein einzelner Mensch wünschen kann; es wäre denn, daß er solche Dinge wünschte,
denen er entsagen müssen, als er sie in Besitz nahm. Von da wird man durch einen
Weg, der mehr bewundernswürdig, als sicher oder anmuthig ist, über eine Reihe
von Bergen zu der hohen Zelle von St. Onophrius geführt. Sie steht in einer
Spalte der einen Spitze, sechs und dreyßig Fuß über den Grund. Ihr Ansehen ist
in der That zum Erstaunen, denn es scheint, als hienge sie in der Luft. Man steigt
auf einer Leiter von sechzig Stufen hinan, die außerordentlich beschwerlich ist, und
alsdann muß man noch über eine hölzerne Brücke, die von einem Felsen zu dem an-
dern geht, unter welcher ein so fürchterlicher Abgrund ist, daß man mit Mühe die
Standhaftigkeit behält, die zur Erhaltung nöthig ist. Diese Einsiedeley besitzt kei-
nen größern Raum, als ihr Dach bedeckt, und hat keine andere Aussicht als gegen
Süden. Der Bewohner sagte, er sähe oft die Inseln Majorca, Minorca, Ivica,
die Königreiche Valencia und Murcia. -- Nachdem wir eine Leiter auf eben der
Spitze, wo St. Onophrius liegt, hundert und funfzig Schritte hinangestiegen
waren, kamen wir zu der fünften Einsiedeley der Magdalena. Sie steht zwischen
zweyen hohen Spitzen, auf einigen erhabenen Felsen, und hat um die Mittagszeit
eine schöne Aussicht gegen Morgen und Abend; und nahe bey derselben, auf einer
noch höhern Spitze, ist die Kapelle, von da man -- fürchterlicher Anblick -- einen
rauhen Abgrund und jähe Hügel hinab, auf das Kloster sieht, das zwey (engl.)
Meilen entfernt ist. -- Nun erhebt sich der Weg zu dem höchsten Theil des Ber-
ges. Er führt dreytausend fünfhundert Schritte von der letzten Zelle über eine höcke-
rige Straße zu der Einsiedeley von St. Hieronymus hinauf. Von ihren beyden
Thürmchen eröffnet sich ein unermeßlicher Schauplatz, der für einen Menschen aus

dem
I Band. F f

der Landſchaft und ihren Wirkungen.
und ſchlich davon. Wenn es einen gluͤcklichen Menſchen auf der Welt giebt, ſo
habe ich dieſen außerordentlichen Menſchen geſehen, und hier wohnt er; alle ſeine
Mienen und Handlungen zeugen davon; und doch hatte er nicht einen einzigen Ma-
ravedi in der Taſche; Geld iſt ihm ſo unnuͤtz, als einer ſeiner Amſeln. — Vierhun-
dert Schritte von dieſer Einſiedeley liegt die Zelle von St. Johann, an deren Oſt-
ſeite man den fuͤrchterlichſten Abgrund hinabſchauet. Um den Mittag hat ſie nach
Oſten eine ſchoͤne Ausſicht, und man kommt durch bequeme Stufen hinzu. Nicht
weit davon an der Seite des Weges iſt eine kleine Kapelle, die den Namen St.
Michael
fuͤhrt, und ſo alt als das Kloſter iſt. Alle Einſiedeleyen, auch die kleinſte,
haben ihre Kapellen, ihre Waſſerbehaͤlter, und die meiſten einen kleinen Garten.
Das Gebaͤude beſteht aus einer oder zwey kleinen Kammern, einem kleinen Speiſe-
ſaal und einer Kuͤche; viele aber haben von außen und innen alle Bequemlichkeiten,
die ein einzelner Menſch wuͤnſchen kann; es waͤre denn, daß er ſolche Dinge wuͤnſchte,
denen er entſagen muͤſſen, als er ſie in Beſitz nahm. Von da wird man durch einen
Weg, der mehr bewundernswuͤrdig, als ſicher oder anmuthig iſt, uͤber eine Reihe
von Bergen zu der hohen Zelle von St. Onophrius gefuͤhrt. Sie ſteht in einer
Spalte der einen Spitze, ſechs und dreyßig Fuß uͤber den Grund. Ihr Anſehen iſt
in der That zum Erſtaunen, denn es ſcheint, als hienge ſie in der Luft. Man ſteigt
auf einer Leiter von ſechzig Stufen hinan, die außerordentlich beſchwerlich iſt, und
alsdann muß man noch uͤber eine hoͤlzerne Bruͤcke, die von einem Felſen zu dem an-
dern geht, unter welcher ein ſo fuͤrchterlicher Abgrund iſt, daß man mit Muͤhe die
Standhaftigkeit behaͤlt, die zur Erhaltung noͤthig iſt. Dieſe Einſiedeley beſitzt kei-
nen groͤßern Raum, als ihr Dach bedeckt, und hat keine andere Ausſicht als gegen
Suͤden. Der Bewohner ſagte, er ſaͤhe oft die Inſeln Majorca, Minorca, Ivica,
die Koͤnigreiche Valencia und Murcia. — Nachdem wir eine Leiter auf eben der
Spitze, wo St. Onophrius liegt, hundert und funfzig Schritte hinangeſtiegen
waren, kamen wir zu der fuͤnften Einſiedeley der Magdalena. Sie ſteht zwiſchen
zweyen hohen Spitzen, auf einigen erhabenen Felſen, und hat um die Mittagszeit
eine ſchoͤne Ausſicht gegen Morgen und Abend; und nahe bey derſelben, auf einer
noch hoͤhern Spitze, iſt die Kapelle, von da man — fuͤrchterlicher Anblick — einen
rauhen Abgrund und jaͤhe Huͤgel hinab, auf das Kloſter ſieht, das zwey (engl.)
Meilen entfernt iſt. — Nun erhebt ſich der Weg zu dem hoͤchſten Theil des Ber-
ges. Er fuͤhrt dreytauſend fuͤnfhundert Schritte von der letzten Zelle uͤber eine hoͤcke-
rige Straße zu der Einſiedeley von St. Hieronymus hinauf. Von ihren beyden
Thuͤrmchen eroͤffnet ſich ein unermeßlicher Schauplatz, der fuͤr einen Menſchen aus

dem
I Band. F f
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[225/0239] der Landſchaft und ihren Wirkungen. und ſchlich davon. Wenn es einen gluͤcklichen Menſchen auf der Welt giebt, ſo habe ich dieſen außerordentlichen Menſchen geſehen, und hier wohnt er; alle ſeine Mienen und Handlungen zeugen davon; und doch hatte er nicht einen einzigen Ma- ravedi in der Taſche; Geld iſt ihm ſo unnuͤtz, als einer ſeiner Amſeln. — Vierhun- dert Schritte von dieſer Einſiedeley liegt die Zelle von St. Johann, an deren Oſt- ſeite man den fuͤrchterlichſten Abgrund hinabſchauet. Um den Mittag hat ſie nach Oſten eine ſchoͤne Ausſicht, und man kommt durch bequeme Stufen hinzu. Nicht weit davon an der Seite des Weges iſt eine kleine Kapelle, die den Namen St. Michael fuͤhrt, und ſo alt als das Kloſter iſt. Alle Einſiedeleyen, auch die kleinſte, haben ihre Kapellen, ihre Waſſerbehaͤlter, und die meiſten einen kleinen Garten. Das Gebaͤude beſteht aus einer oder zwey kleinen Kammern, einem kleinen Speiſe- ſaal und einer Kuͤche; viele aber haben von außen und innen alle Bequemlichkeiten, die ein einzelner Menſch wuͤnſchen kann; es waͤre denn, daß er ſolche Dinge wuͤnſchte, denen er entſagen muͤſſen, als er ſie in Beſitz nahm. Von da wird man durch einen Weg, der mehr bewundernswuͤrdig, als ſicher oder anmuthig iſt, uͤber eine Reihe von Bergen zu der hohen Zelle von St. Onophrius gefuͤhrt. Sie ſteht in einer Spalte der einen Spitze, ſechs und dreyßig Fuß uͤber den Grund. Ihr Anſehen iſt in der That zum Erſtaunen, denn es ſcheint, als hienge ſie in der Luft. Man ſteigt auf einer Leiter von ſechzig Stufen hinan, die außerordentlich beſchwerlich iſt, und alsdann muß man noch uͤber eine hoͤlzerne Bruͤcke, die von einem Felſen zu dem an- dern geht, unter welcher ein ſo fuͤrchterlicher Abgrund iſt, daß man mit Muͤhe die Standhaftigkeit behaͤlt, die zur Erhaltung noͤthig iſt. Dieſe Einſiedeley beſitzt kei- nen groͤßern Raum, als ihr Dach bedeckt, und hat keine andere Ausſicht als gegen Suͤden. Der Bewohner ſagte, er ſaͤhe oft die Inſeln Majorca, Minorca, Ivica, die Koͤnigreiche Valencia und Murcia. — Nachdem wir eine Leiter auf eben der Spitze, wo St. Onophrius liegt, hundert und funfzig Schritte hinangeſtiegen waren, kamen wir zu der fuͤnften Einſiedeley der Magdalena. Sie ſteht zwiſchen zweyen hohen Spitzen, auf einigen erhabenen Felſen, und hat um die Mittagszeit eine ſchoͤne Ausſicht gegen Morgen und Abend; und nahe bey derſelben, auf einer noch hoͤhern Spitze, iſt die Kapelle, von da man — fuͤrchterlicher Anblick — einen rauhen Abgrund und jaͤhe Huͤgel hinab, auf das Kloſter ſieht, das zwey (engl.) Meilen entfernt iſt. — Nun erhebt ſich der Weg zu dem hoͤchſten Theil des Ber- ges. Er fuͤhrt dreytauſend fuͤnfhundert Schritte von der letzten Zelle uͤber eine hoͤcke- rige Straße zu der Einſiedeley von St. Hieronymus hinauf. Von ihren beyden Thuͤrmchen eroͤffnet ſich ein unermeßlicher Schauplatz, der fuͤr einen Menſchen aus dem I Band. F f

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/239>, abgerufen am 22.11.2024.