Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten Verbindung, wo hohe Buchen mit Eichen untermischt in einer dichten Wölbung vonLaubwerk sich eine kleine Anhöhe hinaufziehen, von da auf das Wasser des Ufers einen dunkeln Schatten zurückwerfen, indessen die benachbarte Fläche im Sonnenlicht erheitert dahinspielt. Doch alle diese Annehmlichkeiten wurden noch durch eine zu- fällige Abendscene erhöhet, die uns überraschte, indem wir nach dem Untergang der Sonne an einer kleinen zirkelförmigen Ecke des Sees standen, deren gegenseitiges Ufer von einem dicken Gebüsch begränzt war. Ein breiter hochrother Abendstral er- schien hinter der Dämmerung des Gebüsches; wo seine kurze Beschattung aufhörte, da glänzte das Wasser in eben der Farbe, die am Himmel leuchtete; und das Ufer spiegelte seine dunkle Gestalt in der brennenden Fluth; das Feuer und die Finsterniß konnten in keinen mehr romantischen Contrast kommen; der übrige Strich des Wassers näher nach uns hin zeigte eine wunderbare Mischung von Weiß, Dunkel, Röthlich, Bläulich, Gelb, nachdem die von der Abendröthe gefärbten Wolken darin abglänzten; eine tiefe Stille herrschte umher; nur dann und wann ließ sich ein leises Gequäcksel von einem Frosch hören; aus einer finstern Ecke fuhr ein rudernder Kahn heraus, ward in dem Bezirk des Glanzes sichtbar, verlor sich wieder schnell in den Schatten, und ließ nichts zurück, als eine zitternde Bewegung des Wassers und eine zweifelhafte Erinnerung an die täuschende Erscheinung. -- Doch eine so seltene und so zauberische Scene verschwindet in jeder Beschreibung, wie sie nach einigen Minuten vor unsern Augen verschwand. Um diesen See lacht eine frische, fruchtbare, überall angebauete Landschaft mit Von Plön läuft der Weg nach Aschberg eine kleine Meile fast immer an dem Ein
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten Verbindung, wo hohe Buchen mit Eichen untermiſcht in einer dichten Woͤlbung vonLaubwerk ſich eine kleine Anhoͤhe hinaufziehen, von da auf das Waſſer des Ufers einen dunkeln Schatten zuruͤckwerfen, indeſſen die benachbarte Flaͤche im Sonnenlicht erheitert dahinſpielt. Doch alle dieſe Annehmlichkeiten wurden noch durch eine zu- faͤllige Abendſcene erhoͤhet, die uns uͤberraſchte, indem wir nach dem Untergang der Sonne an einer kleinen zirkelfoͤrmigen Ecke des Sees ſtanden, deren gegenſeitiges Ufer von einem dicken Gebuͤſch begraͤnzt war. Ein breiter hochrother Abendſtral er- ſchien hinter der Daͤmmerung des Gebuͤſches; wo ſeine kurze Beſchattung aufhoͤrte, da glaͤnzte das Waſſer in eben der Farbe, die am Himmel leuchtete; und das Ufer ſpiegelte ſeine dunkle Geſtalt in der brennenden Fluth; das Feuer und die Finſterniß konnten in keinen mehr romantiſchen Contraſt kommen; der uͤbrige Strich des Waſſers naͤher nach uns hin zeigte eine wunderbare Miſchung von Weiß, Dunkel, Roͤthlich, Blaͤulich, Gelb, nachdem die von der Abendroͤthe gefaͤrbten Wolken darin abglaͤnzten; eine tiefe Stille herrſchte umher; nur dann und wann ließ ſich ein leiſes Gequaͤckſel von einem Froſch hoͤren; aus einer finſtern Ecke fuhr ein rudernder Kahn heraus, ward in dem Bezirk des Glanzes ſichtbar, verlor ſich wieder ſchnell in den Schatten, und ließ nichts zuruͤck, als eine zitternde Bewegung des Waſſers und eine zweifelhafte Erinnerung an die taͤuſchende Erſcheinung. — Doch eine ſo ſeltene und ſo zauberiſche Scene verſchwindet in jeder Beſchreibung, wie ſie nach einigen Minuten vor unſern Augen verſchwand. Um dieſen See lacht eine friſche, fruchtbare, uͤberall angebauete Landſchaft mit Von Ploͤn laͤuft der Weg nach Aſchberg eine kleine Meile faſt immer an dem Ein
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Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
Verbindung, wo hohe Buchen mit Eichen untermiſcht in einer dichten Woͤlbung von
Laubwerk ſich eine kleine Anhoͤhe hinaufziehen, von da auf das Waſſer des Ufers
einen dunkeln Schatten zuruͤckwerfen, indeſſen die benachbarte Flaͤche im Sonnenlicht
erheitert dahinſpielt. Doch alle dieſe Annehmlichkeiten wurden noch durch eine zu-
faͤllige Abendſcene erhoͤhet, die uns uͤberraſchte, indem wir nach dem Untergang der
Sonne an einer kleinen zirkelfoͤrmigen Ecke des Sees ſtanden, deren gegenſeitiges
Ufer von einem dicken Gebuͤſch begraͤnzt war. Ein breiter hochrother Abendſtral er-
ſchien hinter der Daͤmmerung des Gebuͤſches; wo ſeine kurze Beſchattung aufhoͤrte,
da glaͤnzte das Waſſer in eben der Farbe, die am Himmel leuchtete; und das Ufer
ſpiegelte ſeine dunkle Geſtalt in der brennenden Fluth; das Feuer und die Finſterniß
konnten in keinen mehr romantiſchen Contraſt kommen; der uͤbrige Strich des
Waſſers naͤher nach uns hin zeigte eine wunderbare Miſchung von Weiß, Dunkel,
Roͤthlich, Blaͤulich, Gelb, nachdem die von der Abendroͤthe gefaͤrbten Wolken darin
abglaͤnzten; eine tiefe Stille herrſchte umher; nur dann und wann ließ ſich ein leiſes
Gequaͤckſel von einem Froſch hoͤren; aus einer finſtern Ecke fuhr ein rudernder Kahn
heraus, ward in dem Bezirk des Glanzes ſichtbar, verlor ſich wieder ſchnell in den
Schatten, und ließ nichts zuruͤck, als eine zitternde Bewegung des Waſſers und eine
zweifelhafte Erinnerung an die taͤuſchende Erſcheinung. — Doch eine ſo ſeltene und
ſo zauberiſche Scene verſchwindet in jeder Beſchreibung, wie ſie nach einigen Minuten
vor unſern Augen verſchwand.
Um dieſen See lacht eine friſche, fruchtbare, uͤberall angebauete Landſchaft mit
allen Reizen der Abwechſelung. Sie beſteht groͤßtentheils aus Ebenen, die mit Huͤ-
geln, kleinen Erhoͤhungen, Gebuͤſchen, Waldungen, Wieſen, eingezaͤunten Korn-
feldern, einigen Doͤrfern und Meyerhoͤfen unterbrochen iſt; umher weidende Rinder
und Schaftriften vermehren ihre Anmuth, wie der Geſang mannigfaltiger Voͤgel,
die uͤberall die Luft und die Buͤſche fuͤllen.
Von Ploͤn laͤuft der Weg nach Aſchberg eine kleine Meile faſt immer an dem
Rande des Sees hin, von welchem er zuweilen etwas entfernt uͤber kleine Anhoͤhen
und neben ſchattigten Gebuͤſchen hin ſich verliert. Eine unendliche Abwechſelung von
reizenden Durchſichten und Proſpecten ſowohl der Ufer, ihrer Einbiegungen und ver-
ſchiedenen Einfaſſungen, als auch der weiten Landgegend bezaubert das Auge. Hun-
dert Lerchen wirbelten ihr Lied uͤber uns in den Wolken; in den Gebuͤſchen, durch
welche zuweilen unſer Wagen lief, wetteiferte die Nachtigall mit minder melodiſchen
Saͤngern; und dann ward das Ohr durch das Rieſeln kleiner Baͤche beluſtigt, die in
den See eilten, und durch das ſtaͤrkere Geraͤuſch des Waſſers, das ſich an den Aus-
fluͤſſen um die Fiſchkiſten zuſammendraͤngt.
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