Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Erster Abschnitt. Aussicht in die Gärten bäuden und andern Gegenständen, die zur Zusammensetzung der Scene gehören, einesolche Stellung, daß der Wind, indem er durch die für diese Wirkung bestimmten Zwischenräume und Aushöhlung streicht, fremde und seltsame Töne bildet. In die- sen Partien stellen sie ganz seltene Arten von Bäumen, Pflanzen und Blumen auf; sie bringen darin durch die Kunst verschiedene verlängerte Echos an, und unterhalten da allerhand Vögel und seltene Thiere. Die fürchterlichen Scenen stellen überhangende Felsen, dunkle Grotten und Wenn der Platz von einem gewissen Umfang ist, der eine Mannigfaltigkeit In größern Gärten bringen die Chineser verschiedene Scenen für den Mor- die
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten baͤuden und andern Gegenſtaͤnden, die zur Zuſammenſetzung der Scene gehoͤren, eineſolche Stellung, daß der Wind, indem er durch die fuͤr dieſe Wirkung beſtimmten Zwiſchenraͤume und Aushoͤhlung ſtreicht, fremde und ſeltſame Toͤne bildet. In die- ſen Partien ſtellen ſie ganz ſeltene Arten von Baͤumen, Pflanzen und Blumen auf; ſie bringen darin durch die Kunſt verſchiedene verlaͤngerte Echos an, und unterhalten da allerhand Voͤgel und ſeltene Thiere. Die fuͤrchterlichen Scenen ſtellen uͤberhangende Felſen, dunkle Grotten und Wenn der Platz von einem gewiſſen Umfang iſt, der eine Mannigfaltigkeit In groͤßern Gaͤrten bringen die Chineſer verſchiedene Scenen fuͤr den Mor- die
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0098" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten</hi></fw><lb/> baͤuden und andern Gegenſtaͤnden, die zur Zuſammenſetzung der Scene gehoͤren, eine<lb/> ſolche Stellung, daß der Wind, indem er durch die fuͤr dieſe Wirkung beſtimmten<lb/> Zwiſchenraͤume und Aushoͤhlung ſtreicht, fremde und ſeltſame Toͤne bildet. In die-<lb/> ſen Partien ſtellen ſie ganz ſeltene Arten von Baͤumen, Pflanzen und Blumen auf;<lb/> ſie bringen darin durch die Kunſt verſchiedene verlaͤngerte Echos an, und unterhalten<lb/> da allerhand Voͤgel und ſeltene Thiere.</p><lb/> <p>Die fuͤrchterlichen Scenen ſtellen uͤberhangende Felſen, dunkle Grotten und<lb/> wilde Waſſerfaͤlle vor, die ſich auf allen Seiten von Anhoͤhen herabſtuͤrzen. Die<lb/> Baͤume ſind ungeſtaltet, und ſcheinen von der Gewalt des Sturms zerriſſen zu ſeyn.<lb/> Hier ſieht man einige umgeſtuͤrzt liegen, die den Lauf der Baͤche unterbrechen, und<lb/> von der Wut des Waſſers dahin geſchwemmt ſcheinen; dort erſcheinen ſie, wie vom<lb/> Blitz verbrannt und zerſplittert. Einige Gebaͤude liegen in Ruinen; andere ſind<lb/> halb vom Feuer zerſtoͤrt; und etliche hin und wieder auf den Anhoͤhen zerſtreute<lb/> ſchlechte Huͤtten ſcheinen zugleich das Daſeyn elender Bewohner anzukuͤndigen. Auf<lb/> dieſe Scenen folgen gemeiniglich lachende. Die <hi rendition="#fr">chineſiſchen</hi> Kuͤnſtler wiſſen, wel-<lb/> chen Eindruck der Contraſt auf die menſchliche Seele macht, und ſie unterlaſſen nicht,<lb/> ploͤtzliche Uebergaͤnge und auffallende Gegenſtellungen in den Formen, in den Farben,<lb/> in dem Hellen und Dunkeln anzubringen. So geht man aus eingeſperrten Revieren<lb/> zu ausgebreiteten Ausſichten, von fuͤrchterlichen Gegenſtaͤnden zu angenehmen Sce-<lb/> nen, von Seen und Fluͤſſen zu Ebenen, Huͤgeln und Gehoͤlz uͤber. Dunkeln und<lb/> traurigen Farben ſtellen ſie glaͤnzende, einfachen Formen zuſammengeſetzte entgegen.<lb/> Sie wiſſen mit einer klugen Anordnung die verſchiedenen Maſſen von Licht und Schat-<lb/> ten ſo anzulegen, daß die Zuſammenſetzung nach ihren Theilen deutlich in die Augen<lb/> faͤllt, und im Ganzen eine ſtarke Wirkung thut.</p><lb/> <p>Wenn der Platz von einem gewiſſen Umfang iſt, der eine Mannigfaltigkeit<lb/> von Scenen zulaͤßt, ſo iſt jede gemeiniglich fuͤr einen einzigen beſondern Geſichtspunkt<lb/> eingerichtet. Iſt er aber zu eingeſchraͤnkt, als daß er mancherley Auftritte faſſen<lb/> koͤnnte, ſo ſucht man dieſem Mangel durch eine ſolche Anordnung der Gegenſtaͤnde<lb/> abzuhelfen, daß ſie nach verſchiedenen Anſichten immer in einer andern Geſtalt er-<lb/> ſcheinen. Zuweilen weiß man dieſes Kunſtwerk ſo weit zu treiben, daß die Anſichten<lb/> nicht die geringſte Aehnlichkeit unter einander haben.</p><lb/> <p>In groͤßern Gaͤrten bringen die <hi rendition="#fr">Chineſer</hi> verſchiedene Scenen fuͤr den Mor-<lb/> gen, Mittag und Abend an; ſie richten an ſchicklichen Stellen Gebaͤude auf, die mit<lb/> den Ergoͤtzungen harmoniren, die einer jeden Tageszeit eigen ſind. Die kleinen Gaͤr-<lb/> ten, worin, wie bereits bemerkt iſt, eine einfache Anordnung nach mehrern Anſichten<lb/> mannigfaltig erſcheint, ſtellen eben ſo in verſchiedenen Geſichtspunkten Gebaͤude dar,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0098]
Erſter Abſchnitt. Ausſicht in die Gaͤrten
baͤuden und andern Gegenſtaͤnden, die zur Zuſammenſetzung der Scene gehoͤren, eine
ſolche Stellung, daß der Wind, indem er durch die fuͤr dieſe Wirkung beſtimmten
Zwiſchenraͤume und Aushoͤhlung ſtreicht, fremde und ſeltſame Toͤne bildet. In die-
ſen Partien ſtellen ſie ganz ſeltene Arten von Baͤumen, Pflanzen und Blumen auf;
ſie bringen darin durch die Kunſt verſchiedene verlaͤngerte Echos an, und unterhalten
da allerhand Voͤgel und ſeltene Thiere.
Die fuͤrchterlichen Scenen ſtellen uͤberhangende Felſen, dunkle Grotten und
wilde Waſſerfaͤlle vor, die ſich auf allen Seiten von Anhoͤhen herabſtuͤrzen. Die
Baͤume ſind ungeſtaltet, und ſcheinen von der Gewalt des Sturms zerriſſen zu ſeyn.
Hier ſieht man einige umgeſtuͤrzt liegen, die den Lauf der Baͤche unterbrechen, und
von der Wut des Waſſers dahin geſchwemmt ſcheinen; dort erſcheinen ſie, wie vom
Blitz verbrannt und zerſplittert. Einige Gebaͤude liegen in Ruinen; andere ſind
halb vom Feuer zerſtoͤrt; und etliche hin und wieder auf den Anhoͤhen zerſtreute
ſchlechte Huͤtten ſcheinen zugleich das Daſeyn elender Bewohner anzukuͤndigen. Auf
dieſe Scenen folgen gemeiniglich lachende. Die chineſiſchen Kuͤnſtler wiſſen, wel-
chen Eindruck der Contraſt auf die menſchliche Seele macht, und ſie unterlaſſen nicht,
ploͤtzliche Uebergaͤnge und auffallende Gegenſtellungen in den Formen, in den Farben,
in dem Hellen und Dunkeln anzubringen. So geht man aus eingeſperrten Revieren
zu ausgebreiteten Ausſichten, von fuͤrchterlichen Gegenſtaͤnden zu angenehmen Sce-
nen, von Seen und Fluͤſſen zu Ebenen, Huͤgeln und Gehoͤlz uͤber. Dunkeln und
traurigen Farben ſtellen ſie glaͤnzende, einfachen Formen zuſammengeſetzte entgegen.
Sie wiſſen mit einer klugen Anordnung die verſchiedenen Maſſen von Licht und Schat-
ten ſo anzulegen, daß die Zuſammenſetzung nach ihren Theilen deutlich in die Augen
faͤllt, und im Ganzen eine ſtarke Wirkung thut.
Wenn der Platz von einem gewiſſen Umfang iſt, der eine Mannigfaltigkeit
von Scenen zulaͤßt, ſo iſt jede gemeiniglich fuͤr einen einzigen beſondern Geſichtspunkt
eingerichtet. Iſt er aber zu eingeſchraͤnkt, als daß er mancherley Auftritte faſſen
koͤnnte, ſo ſucht man dieſem Mangel durch eine ſolche Anordnung der Gegenſtaͤnde
abzuhelfen, daß ſie nach verſchiedenen Anſichten immer in einer andern Geſtalt er-
ſcheinen. Zuweilen weiß man dieſes Kunſtwerk ſo weit zu treiben, daß die Anſichten
nicht die geringſte Aehnlichkeit unter einander haben.
In groͤßern Gaͤrten bringen die Chineſer verſchiedene Scenen fuͤr den Mor-
gen, Mittag und Abend an; ſie richten an ſchicklichen Stellen Gebaͤude auf, die mit
den Ergoͤtzungen harmoniren, die einer jeden Tageszeit eigen ſind. Die kleinen Gaͤr-
ten, worin, wie bereits bemerkt iſt, eine einfache Anordnung nach mehrern Anſichten
mannigfaltig erſcheint, ſtellen eben ſo in verſchiedenen Geſichtspunkten Gebaͤude dar,
die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |