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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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die durch den ihnen eigenen Gebrauch gerade die Tageszeit ankündigen, worin man
die Scene ganz genießen soll.

Weil das Klima in China überaus heiß ist, so bringt man viel Wasser in die
Gärten. In kleinern Gärten, wo es die Lage verstattet, setzt man oft das ganze
Revier unter Wasser, daß nur sehr wenige Inseln und Felsen hervorragen. In ge-
räumigen Gärten legt man große Seen, Flüsse und Canäle an. Nach dem Bey-
spiel der Natur erhalten die Ufer der Flüsse und Seen eine verschiedene Bildung.
Bald sind sie sandig und steinig, bald bis tief zum Wasser herab mit Buschwerk be-
deckt; an einigen Stellen niedrig, mit Gesträuch und Blumen geziert, an andern
abwechfelnd mit abhängigen Felsen, die Höhlen bilden, worin ein Theil des Wassers
mit Ungestüm raufcht.

Zuweilen erblickt man Weiden voll Vieh oder Reißfelder, die sich in die Seen
hinein erstrecken, zwischen welchen man in Kähnen herumfahren kann; zuweilen Busch-
werk an verschiedeuen Stellen von Bächen durchschnitten, die kleine Nachen tragen.
Die Ufer sind mit Bäumen bekrönt, deren Zweige sich ausbreiten, sich verbinden
und an einigen Stellen Lauben bilden, unter welchen die Fahrzeuge hinsegeln. Eine
solche Fahrt führt immer zu einem interessanten Gegenstande, bald zu einem prächti-
gen Gebäude auf dem Gipfel eines in Absätze verarbeiteten Hügels, bald zu einer
Hütte, die mitten in einem See liegt, bald zu einer Cascade, bald zu einer Grotte,
einem künstlichen Felsen oder einem andern ähnlichen Gebäude.

Die Bäche in den Gärten haben selten einen geraden Lauf; sie winden sich in
Krümmungen und find verschiedenen Abänderungen unterworfen. Bald sind sie
schmal, brausend, fortreißend; bald breit, langsam und tief. Schilf und andere
Wasserpflanzen spiegeln sich in den Bächen und Seen. Die Chineser bauen zuwei-
len darauf Mühlen und andere hydraulische Maschinen, deren Bewegung die Scene
beleben hilft. Auch halten sie eine große Menge Fahrzeuge von verschiedener Gestalt
und Größe. Ihre Seen sind mit Inseln besäet; einige davon sind unfruchtbar mit
Fels und Klippen umgeben, andere mit allem bereichert, was Natur und Kunst zur
Verschönerung geben können. Sie legen da auch künstliche Felsen an, und über-
treffen in dieser Art von Bauwerk alle andere Nationen. Der Stein, dessen sie
sich dazu bedienen, und den sie aus den mittägigen Gegenden des Reichs holen, ist
bläulich und von der Bewegung des Wafsers in regellose Gestalten geformt. Man
verbindet durch bläulichen Mörtel große Stücke, daß sie Felsen von beträchtlichem Um-
fang bilden. Alsdenn werden darin Höhlen und Grotten mit Oeffnungen ausgegra-
ben, durch welche man den fernen Hintergrund in der Landschaft erblickt. Man sieht
bey diesen Felsengebäuden an verschiedenen Stellen Bäume, Gebüsch, Dorngesträuch

und
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der Alten und der Neuen.
die durch den ihnen eigenen Gebrauch gerade die Tageszeit ankuͤndigen, worin man
die Scene ganz genießen ſoll.

Weil das Klima in China uͤberaus heiß iſt, ſo bringt man viel Waſſer in die
Gaͤrten. In kleinern Gaͤrten, wo es die Lage verſtattet, ſetzt man oft das ganze
Revier unter Waſſer, daß nur ſehr wenige Inſeln und Felſen hervorragen. In ge-
raͤumigen Gaͤrten legt man große Seen, Fluͤſſe und Canaͤle an. Nach dem Bey-
ſpiel der Natur erhalten die Ufer der Fluͤſſe und Seen eine verſchiedene Bildung.
Bald ſind ſie ſandig und ſteinig, bald bis tief zum Waſſer herab mit Buſchwerk be-
deckt; an einigen Stellen niedrig, mit Geſtraͤuch und Blumen geziert, an andern
abwechfelnd mit abhaͤngigen Felſen, die Hoͤhlen bilden, worin ein Theil des Waſſers
mit Ungeſtuͤm raufcht.

Zuweilen erblickt man Weiden voll Vieh oder Reißfelder, die ſich in die Seen
hinein erſtrecken, zwiſchen welchen man in Kaͤhnen herumfahren kann; zuweilen Buſch-
werk an verſchiedeuen Stellen von Baͤchen durchſchnitten, die kleine Nachen tragen.
Die Ufer ſind mit Baͤumen bekroͤnt, deren Zweige ſich ausbreiten, ſich verbinden
und an einigen Stellen Lauben bilden, unter welchen die Fahrzeuge hinſegeln. Eine
ſolche Fahrt fuͤhrt immer zu einem intereſſanten Gegenſtande, bald zu einem praͤchti-
gen Gebaͤude auf dem Gipfel eines in Abſaͤtze verarbeiteten Huͤgels, bald zu einer
Huͤtte, die mitten in einem See liegt, bald zu einer Caſcade, bald zu einer Grotte,
einem kuͤnſtlichen Felſen oder einem andern aͤhnlichen Gebaͤude.

Die Baͤche in den Gaͤrten haben ſelten einen geraden Lauf; ſie winden ſich in
Kruͤmmungen und find verſchiedenen Abaͤnderungen unterworfen. Bald ſind ſie
ſchmal, brauſend, fortreißend; bald breit, langſam und tief. Schilf und andere
Waſſerpflanzen ſpiegeln ſich in den Baͤchen und Seen. Die Chineſer bauen zuwei-
len darauf Muͤhlen und andere hydrauliſche Maſchinen, deren Bewegung die Scene
beleben hilft. Auch halten ſie eine große Menge Fahrzeuge von verſchiedener Geſtalt
und Groͤße. Ihre Seen ſind mit Inſeln beſaͤet; einige davon ſind unfruchtbar mit
Fels und Klippen umgeben, andere mit allem bereichert, was Natur und Kunſt zur
Verſchoͤnerung geben koͤnnen. Sie legen da auch kuͤnſtliche Felſen an, und uͤber-
treffen in dieſer Art von Bauwerk alle andere Nationen. Der Stein, deſſen ſie
ſich dazu bedienen, und den ſie aus den mittaͤgigen Gegenden des Reichs holen, iſt
blaͤulich und von der Bewegung des Wafſers in regelloſe Geſtalten geformt. Man
verbindet durch blaͤulichen Moͤrtel große Stuͤcke, daß ſie Felſen von betraͤchtlichem Um-
fang bilden. Alsdenn werden darin Hoͤhlen und Grotten mit Oeffnungen ausgegra-
ben, durch welche man den fernen Hintergrund in der Landſchaft erblickt. Man ſieht
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[85/0099] der Alten und der Neuen. die durch den ihnen eigenen Gebrauch gerade die Tageszeit ankuͤndigen, worin man die Scene ganz genießen ſoll. Weil das Klima in China uͤberaus heiß iſt, ſo bringt man viel Waſſer in die Gaͤrten. In kleinern Gaͤrten, wo es die Lage verſtattet, ſetzt man oft das ganze Revier unter Waſſer, daß nur ſehr wenige Inſeln und Felſen hervorragen. In ge- raͤumigen Gaͤrten legt man große Seen, Fluͤſſe und Canaͤle an. Nach dem Bey- ſpiel der Natur erhalten die Ufer der Fluͤſſe und Seen eine verſchiedene Bildung. Bald ſind ſie ſandig und ſteinig, bald bis tief zum Waſſer herab mit Buſchwerk be- deckt; an einigen Stellen niedrig, mit Geſtraͤuch und Blumen geziert, an andern abwechfelnd mit abhaͤngigen Felſen, die Hoͤhlen bilden, worin ein Theil des Waſſers mit Ungeſtuͤm raufcht. Zuweilen erblickt man Weiden voll Vieh oder Reißfelder, die ſich in die Seen hinein erſtrecken, zwiſchen welchen man in Kaͤhnen herumfahren kann; zuweilen Buſch- werk an verſchiedeuen Stellen von Baͤchen durchſchnitten, die kleine Nachen tragen. Die Ufer ſind mit Baͤumen bekroͤnt, deren Zweige ſich ausbreiten, ſich verbinden und an einigen Stellen Lauben bilden, unter welchen die Fahrzeuge hinſegeln. Eine ſolche Fahrt fuͤhrt immer zu einem intereſſanten Gegenſtande, bald zu einem praͤchti- gen Gebaͤude auf dem Gipfel eines in Abſaͤtze verarbeiteten Huͤgels, bald zu einer Huͤtte, die mitten in einem See liegt, bald zu einer Caſcade, bald zu einer Grotte, einem kuͤnſtlichen Felſen oder einem andern aͤhnlichen Gebaͤude. Die Baͤche in den Gaͤrten haben ſelten einen geraden Lauf; ſie winden ſich in Kruͤmmungen und find verſchiedenen Abaͤnderungen unterworfen. Bald ſind ſie ſchmal, brauſend, fortreißend; bald breit, langſam und tief. Schilf und andere Waſſerpflanzen ſpiegeln ſich in den Baͤchen und Seen. Die Chineſer bauen zuwei- len darauf Muͤhlen und andere hydrauliſche Maſchinen, deren Bewegung die Scene beleben hilft. Auch halten ſie eine große Menge Fahrzeuge von verſchiedener Geſtalt und Groͤße. Ihre Seen ſind mit Inſeln beſaͤet; einige davon ſind unfruchtbar mit Fels und Klippen umgeben, andere mit allem bereichert, was Natur und Kunſt zur Verſchoͤnerung geben koͤnnen. Sie legen da auch kuͤnſtliche Felſen an, und uͤber- treffen in dieſer Art von Bauwerk alle andere Nationen. Der Stein, deſſen ſie ſich dazu bedienen, und den ſie aus den mittaͤgigen Gegenden des Reichs holen, iſt blaͤulich und von der Bewegung des Wafſers in regelloſe Geſtalten geformt. Man verbindet durch blaͤulichen Moͤrtel große Stuͤcke, daß ſie Felſen von betraͤchtlichem Um- fang bilden. Alsdenn werden darin Hoͤhlen und Grotten mit Oeffnungen ausgegra- ben, durch welche man den fernen Hintergrund in der Landſchaft erblickt. Man ſieht bey dieſen Felſengebaͤuden an verſchiedenen Stellen Baͤume, Gebuͤſch, Dorngeſtraͤuch und L 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/99>, abgerufen am 22.11.2024.