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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Anhang.
erheben sich die Bäume zu einer Höhe, die ein Gefühl von Würde und Erhabenheit
einflößt, zumal wenn ihre Gipfel mit feyerlichem Geräusch an einander schlagen.
Bald hängt eine tiefe Ueberschattung über den Weg; bald lacht die Freundlichkeit des
Himmels zwischen den obern Spitzen herab; man schauet hinauf, und erheitert kehrt
der Blick zurück. Bald verschließen sich die Aussichten von allen Seiten; bald eröff-
nen sie sich wieder, hier ganz, dort halb; bald brechen sie auf einmal unerwartet her-
vor in gerader Richtung mit lebhafter Ueberraschung; bald enthüllen sie sich in all-
mähligen Wendungen zur längern Unterhaltung.

Eine vorzügliche Verschönerung geben die angezeigten verschiedenen Gebäude,
die in der Waldung hin und wieder zerstreut sind, und die man als eben so viele Tem-
pel der Gastfreundschaft ansehen kann. Denn sie dienen nicht blos zur Bezeichnung
der Prospecte, oder zur Belebung der Scenen; sie sind zugleich Wohnungen und
Schlafkabinette für Fremde, die das Glück haben, von der Freygebigkeit des Besi-
tzers bewirthet, und von seinem Geiste unterhalten zu werden. Alle diese kleinen Ge-
bäude empfehlen sich durch die Schönheit ihrer Lage, durch die Bequemlichkeit ihrer
Einrichtung, und durch den reinen prunklosen Geschmack ihrer Auszierung. Die
Einrichtung solcher Lusthäuser zur Bewohnung ist hier eine ungemein anmuthige und
vortheilhafte Erfindung. Sie giebt dem Gemälde eine neue Erfrischung durch die
Vorstellung von Gastfreundschaft, von Freyheit und Ungezwungenheit. Auch wird
dadurch der Charakter der Ruhe und ländlichen Einsamkeit, der durch das Ganze
herrscht, glücklich beybehalten; denn er würde hier unstreitig durch die Gegenwart ei-
nes weitläuftigen Wohngebäudes zerstört, das mit dem Geräusch zusammengedräng-
ter Gesellschaften, und mit dem Gewühl von Bedienten erfüllt wäre. Jetzt athmet
hier alles Ruhe und Freyheit. Jeder Gast ist Herr seiner Zeit und seiner Bewegun-
gen. Er beschwert nicht, und wird nicht beschwert. Er kann einsam seyn, oder
sich durch Besuche erheitern. Er darf sich als den Eigenthümer seiner Wohnung an-
sehen, seine Thüre schließen und öffnen, wie es ihm gefällt. In einer Abtheilung
ist Raum für einen Bedienten. Auf seinen frühen Spaziergängen begegnet er einem
Bekannten oder einem Freund zu muntern Gesprächen; oder er verläßt mit der Mor-
genröthe sein Schlafkabinet, um länger einsam zu seyn, oder er schleicht in eine Ge-
gend hin, wo er auf verschiedenen Wegen ausweichen kann. Zuweilen lockt ihn die
schöne Lage einer andern Wohnung, die er auf seinem Wege antrifft, hinzuzutreten:
er klopft an, und findet sie leer; der Bewohner belustigt sich schon lange auf entfernten
Spaziergängen. Oft trifft er einen andern Bewohner an, als den er da vermuthe-
te; er sieht sich getäuscht und wieder beruhigt. -- Beschäftigungen, Zeitvertreibe,
Gespräche, einsame Ergötzungen wechseln hier mit einander ab, bis ein Geläute zur

bestimm-

Anhang.
erheben ſich die Baͤume zu einer Hoͤhe, die ein Gefuͤhl von Wuͤrde und Erhabenheit
einfloͤßt, zumal wenn ihre Gipfel mit feyerlichem Geraͤuſch an einander ſchlagen.
Bald haͤngt eine tiefe Ueberſchattung uͤber den Weg; bald lacht die Freundlichkeit des
Himmels zwiſchen den obern Spitzen herab; man ſchauet hinauf, und erheitert kehrt
der Blick zuruͤck. Bald verſchließen ſich die Ausſichten von allen Seiten; bald eroͤff-
nen ſie ſich wieder, hier ganz, dort halb; bald brechen ſie auf einmal unerwartet her-
vor in gerader Richtung mit lebhafter Ueberraſchung; bald enthuͤllen ſie ſich in all-
maͤhligen Wendungen zur laͤngern Unterhaltung.

Eine vorzuͤgliche Verſchoͤnerung geben die angezeigten verſchiedenen Gebaͤude,
die in der Waldung hin und wieder zerſtreut ſind, und die man als eben ſo viele Tem-
pel der Gaſtfreundſchaft anſehen kann. Denn ſie dienen nicht blos zur Bezeichnung
der Proſpecte, oder zur Belebung der Scenen; ſie ſind zugleich Wohnungen und
Schlafkabinette fuͤr Fremde, die das Gluͤck haben, von der Freygebigkeit des Beſi-
tzers bewirthet, und von ſeinem Geiſte unterhalten zu werden. Alle dieſe kleinen Ge-
baͤude empfehlen ſich durch die Schoͤnheit ihrer Lage, durch die Bequemlichkeit ihrer
Einrichtung, und durch den reinen prunkloſen Geſchmack ihrer Auszierung. Die
Einrichtung ſolcher Luſthaͤuſer zur Bewohnung iſt hier eine ungemein anmuthige und
vortheilhafte Erfindung. Sie giebt dem Gemaͤlde eine neue Erfriſchung durch die
Vorſtellung von Gaſtfreundſchaft, von Freyheit und Ungezwungenheit. Auch wird
dadurch der Charakter der Ruhe und laͤndlichen Einſamkeit, der durch das Ganze
herrſcht, gluͤcklich beybehalten; denn er wuͤrde hier unſtreitig durch die Gegenwart ei-
nes weitlaͤuftigen Wohngebaͤudes zerſtoͤrt, das mit dem Geraͤuſch zuſammengedraͤng-
ter Geſellſchaften, und mit dem Gewuͤhl von Bedienten erfuͤllt waͤre. Jetzt athmet
hier alles Ruhe und Freyheit. Jeder Gaſt iſt Herr ſeiner Zeit und ſeiner Bewegun-
gen. Er beſchwert nicht, und wird nicht beſchwert. Er kann einſam ſeyn, oder
ſich durch Beſuche erheitern. Er darf ſich als den Eigenthuͤmer ſeiner Wohnung an-
ſehen, ſeine Thuͤre ſchließen und oͤffnen, wie es ihm gefaͤllt. In einer Abtheilung
iſt Raum fuͤr einen Bedienten. Auf ſeinen fruͤhen Spaziergaͤngen begegnet er einem
Bekannten oder einem Freund zu muntern Geſpraͤchen; oder er verlaͤßt mit der Mor-
genroͤthe ſein Schlafkabinet, um laͤnger einſam zu ſeyn, oder er ſchleicht in eine Ge-
gend hin, wo er auf verſchiedenen Wegen ausweichen kann. Zuweilen lockt ihn die
ſchoͤne Lage einer andern Wohnung, die er auf ſeinem Wege antrifft, hinzuzutreten:
er klopft an, und findet ſie leer; der Bewohner beluſtigt ſich ſchon lange auf entfernten
Spaziergaͤngen. Oft trifft er einen andern Bewohner an, als den er da vermuthe-
te; er ſieht ſich getaͤuſcht und wieder beruhigt. — Beſchaͤftigungen, Zeitvertreibe,
Geſpraͤche, einſame Ergoͤtzungen wechſeln hier mit einander ab, bis ein Gelaͤute zur

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[148/0152] Anhang. erheben ſich die Baͤume zu einer Hoͤhe, die ein Gefuͤhl von Wuͤrde und Erhabenheit einfloͤßt, zumal wenn ihre Gipfel mit feyerlichem Geraͤuſch an einander ſchlagen. Bald haͤngt eine tiefe Ueberſchattung uͤber den Weg; bald lacht die Freundlichkeit des Himmels zwiſchen den obern Spitzen herab; man ſchauet hinauf, und erheitert kehrt der Blick zuruͤck. Bald verſchließen ſich die Ausſichten von allen Seiten; bald eroͤff- nen ſie ſich wieder, hier ganz, dort halb; bald brechen ſie auf einmal unerwartet her- vor in gerader Richtung mit lebhafter Ueberraſchung; bald enthuͤllen ſie ſich in all- maͤhligen Wendungen zur laͤngern Unterhaltung. Eine vorzuͤgliche Verſchoͤnerung geben die angezeigten verſchiedenen Gebaͤude, die in der Waldung hin und wieder zerſtreut ſind, und die man als eben ſo viele Tem- pel der Gaſtfreundſchaft anſehen kann. Denn ſie dienen nicht blos zur Bezeichnung der Proſpecte, oder zur Belebung der Scenen; ſie ſind zugleich Wohnungen und Schlafkabinette fuͤr Fremde, die das Gluͤck haben, von der Freygebigkeit des Beſi- tzers bewirthet, und von ſeinem Geiſte unterhalten zu werden. Alle dieſe kleinen Ge- baͤude empfehlen ſich durch die Schoͤnheit ihrer Lage, durch die Bequemlichkeit ihrer Einrichtung, und durch den reinen prunkloſen Geſchmack ihrer Auszierung. Die Einrichtung ſolcher Luſthaͤuſer zur Bewohnung iſt hier eine ungemein anmuthige und vortheilhafte Erfindung. Sie giebt dem Gemaͤlde eine neue Erfriſchung durch die Vorſtellung von Gaſtfreundſchaft, von Freyheit und Ungezwungenheit. Auch wird dadurch der Charakter der Ruhe und laͤndlichen Einſamkeit, der durch das Ganze herrſcht, gluͤcklich beybehalten; denn er wuͤrde hier unſtreitig durch die Gegenwart ei- nes weitlaͤuftigen Wohngebaͤudes zerſtoͤrt, das mit dem Geraͤuſch zuſammengedraͤng- ter Geſellſchaften, und mit dem Gewuͤhl von Bedienten erfuͤllt waͤre. Jetzt athmet hier alles Ruhe und Freyheit. Jeder Gaſt iſt Herr ſeiner Zeit und ſeiner Bewegun- gen. Er beſchwert nicht, und wird nicht beſchwert. Er kann einſam ſeyn, oder ſich durch Beſuche erheitern. Er darf ſich als den Eigenthuͤmer ſeiner Wohnung an- ſehen, ſeine Thuͤre ſchließen und oͤffnen, wie es ihm gefaͤllt. In einer Abtheilung iſt Raum fuͤr einen Bedienten. Auf ſeinen fruͤhen Spaziergaͤngen begegnet er einem Bekannten oder einem Freund zu muntern Geſpraͤchen; oder er verlaͤßt mit der Mor- genroͤthe ſein Schlafkabinet, um laͤnger einſam zu ſeyn, oder er ſchleicht in eine Ge- gend hin, wo er auf verſchiedenen Wegen ausweichen kann. Zuweilen lockt ihn die ſchoͤne Lage einer andern Wohnung, die er auf ſeinem Wege antrifft, hinzuzutreten: er klopft an, und findet ſie leer; der Bewohner beluſtigt ſich ſchon lange auf entfernten Spaziergaͤngen. Oft trifft er einen andern Bewohner an, als den er da vermuthe- te; er ſieht ſich getaͤuſcht und wieder beruhigt. — Beſchaͤftigungen, Zeitvertreibe, Geſpraͤche, einſame Ergoͤtzungen wechſeln hier mit einander ab, bis ein Gelaͤute zur beſtimm-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/152>, abgerufen am 04.12.2024.