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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Zweyter Abschnitt.
stolz ihrer Erheiterung, und die inwendigen scheinen sich eifersüchtig hervorzudrängen,
um auch an der lieblichen Verschönerung Antheil zu haben; ein sanfter Widerschein
spielt hie und da auf dem Boden hin, und das kleinste Gräschen erhebt seine Stirne
bey dem Blick, womit die entweichende Königinn des Tages es noch einmal anlächelt.
Unterdessen das Auge trunken an der Schönheit dieser Scene hängt, so verbreitet sich
die mächtige Musik der Waldhörner mit ihrem herzerhebenden Widerhall in dieses Re-
vier, um die Entzückungen der Seele zu vollenden.

Dies sind keine erdichtete Scenen; es ist die wahre, die unverstellte Natur
selbst; es ist nicht alles, es ist nur ein kleiner Theil von ihr: und dennoch was sind
gegen diese Auftritte alle eure hohe Hecken und lange Alleen, ihr verblendeten An-
hänger einer eiteln Kunst?

Aber laßt, statt dieser, den gesunden Geschmack zur Verschönerung des Wal-
des sich bescheiden nähern. Er wird nichts verunstalten, noch umwälzen; er wird
blos die Scenen, welche die Natur zu verschiedenen Arten der Ergötzung und Unter-
haltung bestimmte, auszuwählen wissen; er wird ihre Anlagen ausbilden, und ihre
Wirkungen verstärken.

Hier wird er eine Scene voll süßer Lieblichkeiten eröffnen. Junge schlanke
Bäumchen umkränzen in Gruppen den Fuß eines wellenförmigen Hügels, der durch
eine Oeffnung, welche die höhern Bäume zulassen, über eine reizende Aussicht von
Bergen und Wäldern in der Ferne gebietet, aus deren Mitte ein heller See hervor-
glänzt. Die übrigen Seiten des Hügels sind mit waldigten Anhöhen beschattet. Auf
seinem runden Gipfel erhebt sich ein feines Lustkabinet, woran die Hände der Grazien
geschäftig gewesen. Nahe umher duften die lieblichsten Blumen, die aus dem grü-
nen frischen Rasen hervorschimmern, der alle Abhänge des Hügels bekleidet. Zwi-
schen den Blumen um das Kabinet bis zu den Gruppen von Bäumchen am Fuße des
Hügels sind hier und da kleine blühende Gesträucher zerstreut, die den Wohlgeruch
der ganzen Gegend verstärken, untermischt mit höhern Blumenarten von mannichfal-
tigen lebhaften Farben. Von den buschigten Anhöhen, die eine Mischung von Tag
und Nacht verbreiten, ertönen oft unterbrochen die Seufzer der einsamen Nachtigall
herab. Alles schweigt umher bis auf sie, und das kleine Geschwätz eines Baches,
der zwischen Kieseln spielt. Alles ist ruhig, sanft und milde; die ganze Natur ath-
met Friede. Sie scheint hier in sich selbst versunken, in den wollüstigen Genuß ihrer
eigenen Reize. Seliger Aufenthalt der Zärtlichen, die hier zuerst, zwischen Blu-
mengebüschen und den Klagen der Nachtigall, die Süssigkeit der Liebe einathmeten!

Eine

Zweyter Abſchnitt.
ſtolz ihrer Erheiterung, und die inwendigen ſcheinen ſich eiferſuͤchtig hervorzudraͤngen,
um auch an der lieblichen Verſchoͤnerung Antheil zu haben; ein ſanfter Widerſchein
ſpielt hie und da auf dem Boden hin, und das kleinſte Graͤschen erhebt ſeine Stirne
bey dem Blick, womit die entweichende Koͤniginn des Tages es noch einmal anlaͤchelt.
Unterdeſſen das Auge trunken an der Schoͤnheit dieſer Scene haͤngt, ſo verbreitet ſich
die maͤchtige Muſik der Waldhoͤrner mit ihrem herzerhebenden Widerhall in dieſes Re-
vier, um die Entzuͤckungen der Seele zu vollenden.

Dies ſind keine erdichtete Scenen; es iſt die wahre, die unverſtellte Natur
ſelbſt; es iſt nicht alles, es iſt nur ein kleiner Theil von ihr: und dennoch was ſind
gegen dieſe Auftritte alle eure hohe Hecken und lange Alleen, ihr verblendeten An-
haͤnger einer eiteln Kunſt?

Aber laßt, ſtatt dieſer, den geſunden Geſchmack zur Verſchoͤnerung des Wal-
des ſich beſcheiden naͤhern. Er wird nichts verunſtalten, noch umwaͤlzen; er wird
blos die Scenen, welche die Natur zu verſchiedenen Arten der Ergoͤtzung und Unter-
haltung beſtimmte, auszuwaͤhlen wiſſen; er wird ihre Anlagen ausbilden, und ihre
Wirkungen verſtaͤrken.

Hier wird er eine Scene voll ſuͤßer Lieblichkeiten eroͤffnen. Junge ſchlanke
Baͤumchen umkraͤnzen in Gruppen den Fuß eines wellenfoͤrmigen Huͤgels, der durch
eine Oeffnung, welche die hoͤhern Baͤume zulaſſen, uͤber eine reizende Ausſicht von
Bergen und Waͤldern in der Ferne gebietet, aus deren Mitte ein heller See hervor-
glaͤnzt. Die uͤbrigen Seiten des Huͤgels ſind mit waldigten Anhoͤhen beſchattet. Auf
ſeinem runden Gipfel erhebt ſich ein feines Luſtkabinet, woran die Haͤnde der Grazien
geſchaͤftig geweſen. Nahe umher duften die lieblichſten Blumen, die aus dem gruͤ-
nen friſchen Raſen hervorſchimmern, der alle Abhaͤnge des Huͤgels bekleidet. Zwi-
ſchen den Blumen um das Kabinet bis zu den Gruppen von Baͤumchen am Fuße des
Huͤgels ſind hier und da kleine bluͤhende Geſtraͤucher zerſtreut, die den Wohlgeruch
der ganzen Gegend verſtaͤrken, untermiſcht mit hoͤhern Blumenarten von mannichfal-
tigen lebhaften Farben. Von den buſchigten Anhoͤhen, die eine Miſchung von Tag
und Nacht verbreiten, ertoͤnen oft unterbrochen die Seufzer der einſamen Nachtigall
herab. Alles ſchweigt umher bis auf ſie, und das kleine Geſchwaͤtz eines Baches,
der zwiſchen Kieſeln ſpielt. Alles iſt ruhig, ſanft und milde; die ganze Natur ath-
met Friede. Sie ſcheint hier in ſich ſelbſt verſunken, in den wolluͤſtigen Genuß ihrer
eigenen Reize. Seliger Aufenthalt der Zaͤrtlichen, die hier zuerſt, zwiſchen Blu-
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Eine
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[54/0058] Zweyter Abſchnitt. ſtolz ihrer Erheiterung, und die inwendigen ſcheinen ſich eiferſuͤchtig hervorzudraͤngen, um auch an der lieblichen Verſchoͤnerung Antheil zu haben; ein ſanfter Widerſchein ſpielt hie und da auf dem Boden hin, und das kleinſte Graͤschen erhebt ſeine Stirne bey dem Blick, womit die entweichende Koͤniginn des Tages es noch einmal anlaͤchelt. Unterdeſſen das Auge trunken an der Schoͤnheit dieſer Scene haͤngt, ſo verbreitet ſich die maͤchtige Muſik der Waldhoͤrner mit ihrem herzerhebenden Widerhall in dieſes Re- vier, um die Entzuͤckungen der Seele zu vollenden. Dies ſind keine erdichtete Scenen; es iſt die wahre, die unverſtellte Natur ſelbſt; es iſt nicht alles, es iſt nur ein kleiner Theil von ihr: und dennoch was ſind gegen dieſe Auftritte alle eure hohe Hecken und lange Alleen, ihr verblendeten An- haͤnger einer eiteln Kunſt? Aber laßt, ſtatt dieſer, den geſunden Geſchmack zur Verſchoͤnerung des Wal- des ſich beſcheiden naͤhern. Er wird nichts verunſtalten, noch umwaͤlzen; er wird blos die Scenen, welche die Natur zu verſchiedenen Arten der Ergoͤtzung und Unter- haltung beſtimmte, auszuwaͤhlen wiſſen; er wird ihre Anlagen ausbilden, und ihre Wirkungen verſtaͤrken. Hier wird er eine Scene voll ſuͤßer Lieblichkeiten eroͤffnen. Junge ſchlanke Baͤumchen umkraͤnzen in Gruppen den Fuß eines wellenfoͤrmigen Huͤgels, der durch eine Oeffnung, welche die hoͤhern Baͤume zulaſſen, uͤber eine reizende Ausſicht von Bergen und Waͤldern in der Ferne gebietet, aus deren Mitte ein heller See hervor- glaͤnzt. Die uͤbrigen Seiten des Huͤgels ſind mit waldigten Anhoͤhen beſchattet. Auf ſeinem runden Gipfel erhebt ſich ein feines Luſtkabinet, woran die Haͤnde der Grazien geſchaͤftig geweſen. Nahe umher duften die lieblichſten Blumen, die aus dem gruͤ- nen friſchen Raſen hervorſchimmern, der alle Abhaͤnge des Huͤgels bekleidet. Zwi- ſchen den Blumen um das Kabinet bis zu den Gruppen von Baͤumchen am Fuße des Huͤgels ſind hier und da kleine bluͤhende Geſtraͤucher zerſtreut, die den Wohlgeruch der ganzen Gegend verſtaͤrken, untermiſcht mit hoͤhern Blumenarten von mannichfal- tigen lebhaften Farben. Von den buſchigten Anhoͤhen, die eine Miſchung von Tag und Nacht verbreiten, ertoͤnen oft unterbrochen die Seufzer der einſamen Nachtigall herab. Alles ſchweigt umher bis auf ſie, und das kleine Geſchwaͤtz eines Baches, der zwiſchen Kieſeln ſpielt. Alles iſt ruhig, ſanft und milde; die ganze Natur ath- met Friede. Sie ſcheint hier in ſich ſelbſt verſunken, in den wolluͤſtigen Genuß ihrer eigenen Reize. Seliger Aufenthalt der Zaͤrtlichen, die hier zuerſt, zwiſchen Blu- mengebuͤſchen und den Klagen der Nachtigall, die Suͤſſigkeit der Liebe einathmeten! Eine

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/58>, abgerufen am 29.11.2024.