Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Baumwerk.
Tempels haben, und dadurch ein schöner Gegenstand im Prospecte seyn. Sein
freyer Vorplatz dient zur Bewegung nach der Tafel.

[Abbildung]

Allein weit edlere, nicht blos für die Sinne und die Einbildungskraft, sondern
selbst für das Herz interessante Scenen kann uns der Wald darstellen. Wir kennen
die Wirkung sanftmelancholischer Gegenden, worin die Seele von der Stille und
Einsamkeit zu sich selbst gleichsam zurückgeleitet wird, wo sie sich geneigter fühlt zu
einem sanften Staunen, zu einem angenehmen Versinken in sich selbst, zu einer mit
Wehmuth und Behagung vermischten Erinnerung des genossenen Lebens, der Tage,
die dahin schwanden und doch wieder gegenwärtig sind, der Begebenheiten, die uns
werth waren und uns jetzt rühren, der Vorfälle, über deren Ausgang wir nun ver-
wundernd hinschauen, -- zum Nachgenuß unserer süßesten Lieblingsempfindungen, die
sich jedes Herz, auch als wiederkehrende Phantasien, in dem Kreise seines Daseyns im-
mer gern auszeichnet, -- zu den ernsten und ungewissen Blicken, welche die scheue
Hoffnung in die dämmernde Zukunft wirft. Man fühlt, was man gewesen ist, und

ahndet,
II Band. H

Vom Baumwerk.
Tempels haben, und dadurch ein ſchoͤner Gegenſtand im Proſpecte ſeyn. Sein
freyer Vorplatz dient zur Bewegung nach der Tafel.

[Abbildung]

Allein weit edlere, nicht blos fuͤr die Sinne und die Einbildungskraft, ſondern
ſelbſt fuͤr das Herz intereſſante Scenen kann uns der Wald darſtellen. Wir kennen
die Wirkung ſanftmelancholiſcher Gegenden, worin die Seele von der Stille und
Einſamkeit zu ſich ſelbſt gleichſam zuruͤckgeleitet wird, wo ſie ſich geneigter fuͤhlt zu
einem ſanften Staunen, zu einem angenehmen Verſinken in ſich ſelbſt, zu einer mit
Wehmuth und Behagung vermiſchten Erinnerung des genoſſenen Lebens, der Tage,
die dahin ſchwanden und doch wieder gegenwaͤrtig ſind, der Begebenheiten, die uns
werth waren und uns jetzt ruͤhren, der Vorfaͤlle, uͤber deren Ausgang wir nun ver-
wundernd hinſchauen, — zum Nachgenuß unſerer ſuͤßeſten Lieblingsempfindungen, die
ſich jedes Herz, auch als wiederkehrende Phantaſien, in dem Kreiſe ſeines Daſeyns im-
mer gern auszeichnet, — zu den ernſten und ungewiſſen Blicken, welche die ſcheue
Hoffnung in die daͤmmernde Zukunft wirft. Man fuͤhlt, was man geweſen iſt, und

ahndet,
II Band. H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0061" n="57"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Baumwerk.</hi></fw><lb/>
Tempels haben, und dadurch ein &#x017F;cho&#x0364;ner Gegen&#x017F;tand im Pro&#x017F;pecte &#x017F;eyn. Sein<lb/>
freyer Vorplatz dient zur Bewegung nach der Tafel.</p><lb/>
              <figure/>
              <p>Allein weit edlere, nicht blos fu&#x0364;r die Sinne und die Einbildungskraft, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r das Herz intere&#x017F;&#x017F;ante Scenen kann uns der Wald dar&#x017F;tellen. Wir kennen<lb/>
die Wirkung &#x017F;anftmelancholi&#x017F;cher Gegenden, worin die Seele von der Stille und<lb/>
Ein&#x017F;amkeit zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gleich&#x017F;am zuru&#x0364;ckgeleitet wird, wo &#x017F;ie &#x017F;ich geneigter fu&#x0364;hlt zu<lb/>
einem &#x017F;anften Staunen, zu einem angenehmen Ver&#x017F;inken in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, zu einer mit<lb/>
Wehmuth und Behagung vermi&#x017F;chten Erinnerung des geno&#x017F;&#x017F;enen Lebens, der Tage,<lb/>
die dahin &#x017F;chwanden und doch wieder gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;ind, der Begebenheiten, die uns<lb/>
werth waren und uns jetzt ru&#x0364;hren, der Vorfa&#x0364;lle, u&#x0364;ber deren Ausgang wir nun ver-<lb/>
wundernd hin&#x017F;chauen, &#x2014; zum Nachgenuß un&#x017F;erer &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten Lieblingsempfindungen, die<lb/>
&#x017F;ich jedes Herz, auch als wiederkehrende Phanta&#x017F;ien, in dem Krei&#x017F;e &#x017F;eines Da&#x017F;eyns im-<lb/>
mer gern auszeichnet, &#x2014; zu den ern&#x017F;ten und ungewi&#x017F;&#x017F;en Blicken, welche die &#x017F;cheue<lb/>
Hoffnung in die da&#x0364;mmernde Zukunft wirft. Man fu&#x0364;hlt, was man gewe&#x017F;en i&#x017F;t, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> H</fw><fw place="bottom" type="catch">ahndet,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0061] Vom Baumwerk. Tempels haben, und dadurch ein ſchoͤner Gegenſtand im Proſpecte ſeyn. Sein freyer Vorplatz dient zur Bewegung nach der Tafel. [Abbildung] Allein weit edlere, nicht blos fuͤr die Sinne und die Einbildungskraft, ſondern ſelbſt fuͤr das Herz intereſſante Scenen kann uns der Wald darſtellen. Wir kennen die Wirkung ſanftmelancholiſcher Gegenden, worin die Seele von der Stille und Einſamkeit zu ſich ſelbſt gleichſam zuruͤckgeleitet wird, wo ſie ſich geneigter fuͤhlt zu einem ſanften Staunen, zu einem angenehmen Verſinken in ſich ſelbſt, zu einer mit Wehmuth und Behagung vermiſchten Erinnerung des genoſſenen Lebens, der Tage, die dahin ſchwanden und doch wieder gegenwaͤrtig ſind, der Begebenheiten, die uns werth waren und uns jetzt ruͤhren, der Vorfaͤlle, uͤber deren Ausgang wir nun ver- wundernd hinſchauen, — zum Nachgenuß unſerer ſuͤßeſten Lieblingsempfindungen, die ſich jedes Herz, auch als wiederkehrende Phantaſien, in dem Kreiſe ſeines Daſeyns im- mer gern auszeichnet, — zu den ernſten und ungewiſſen Blicken, welche die ſcheue Hoffnung in die daͤmmernde Zukunft wirft. Man fuͤhlt, was man geweſen iſt, und ahndet, II Band. H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/61
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/61>, abgerufen am 29.11.2024.