Die ersten Eremiten baueten oft in Felsen, und noch in den neuern Zeiten ha- ben sie darinn oft ihre Wohnungen angelegt. Ein sehr merkwürdiges Werk dieser Art, das von einem Waldbruder bewohnt wird, sieht man in der Schweiz zwischen Bern und Freyburg eine Stunde von dieser Stadt. Die Gegend umher ist eine wahre melancholische Einöde; man erblickt weder Dörfer noch Landhütten; man sieht nichts als Wälder und Felsen, und in der Tiefe rauschet die Sane in einem urge- stalten, von Steinen erfüllten, Bett vorüber. Die tiefe Einsamkeit und die Ernst- haftigkeit der Natur flößt der Seele ein gewisses ruhiges und schwermüthiges Wesen ein. Diese Gegend ist für die Wirkung der Einsiedeley, die sie berühmt macht, über- aus günstig. An dem rechten Ufer des Flusses liegt eine Reihe von Felsen, deren Höhe auf vierhundert Fuß beträgt; sie sind voll Spaltungen, auch ungemein steil. Ein Theil dieser Felsen zieht sich näher nach der Sane hin; und hier hat vor etwa hundert Jahren ein Einfiedler sich so vielen Raum ausgehauen, als er zu einem Lager
und
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Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
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Die erſten Eremiten baueten oft in Felſen, und noch in den neuern Zeiten ha- ben ſie darinn oft ihre Wohnungen angelegt. Ein ſehr merkwuͤrdiges Werk dieſer Art, das von einem Waldbruder bewohnt wird, ſieht man in der Schweiz zwiſchen Bern und Freyburg eine Stunde von dieſer Stadt. Die Gegend umher iſt eine wahre melancholiſche Einoͤde; man erblickt weder Doͤrfer noch Landhuͤtten; man ſieht nichts als Waͤlder und Felſen, und in der Tiefe rauſchet die Sane in einem urge- ſtalten, von Steinen erfuͤllten, Bett voruͤber. Die tiefe Einſamkeit und die Ernſt- haftigkeit der Natur floͤßt der Seele ein gewiſſes ruhiges und ſchwermuͤthiges Weſen ein. Dieſe Gegend iſt fuͤr die Wirkung der Einſiedeley, die ſie beruͤhmt macht, uͤber- aus guͤnſtig. An dem rechten Ufer des Fluſſes liegt eine Reihe von Felſen, deren Hoͤhe auf vierhundert Fuß betraͤgt; ſie ſind voll Spaltungen, auch ungemein ſteil. Ein Theil dieſer Felſen zieht ſich naͤher nach der Sane hin; und hier hat vor etwa hundert Jahren ein Einfiedler ſich ſo vielen Raum ausgehauen, als er zu einem Lager
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Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
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Die erſten Eremiten baueten oft in Felſen, und noch in den neuern Zeiten ha-
ben ſie darinn oft ihre Wohnungen angelegt. Ein ſehr merkwuͤrdiges Werk dieſer
Art, das von einem Waldbruder bewohnt wird, ſieht man in der Schweiz zwiſchen
Bern und Freyburg eine Stunde von dieſer Stadt. Die Gegend umher iſt eine
wahre melancholiſche Einoͤde; man erblickt weder Doͤrfer noch Landhuͤtten; man ſieht
nichts als Waͤlder und Felſen, und in der Tiefe rauſchet die Sane in einem urge-
ſtalten, von Steinen erfuͤllten, Bett voruͤber. Die tiefe Einſamkeit und die Ernſt-
haftigkeit der Natur floͤßt der Seele ein gewiſſes ruhiges und ſchwermuͤthiges Weſen
ein. Dieſe Gegend iſt fuͤr die Wirkung der Einſiedeley, die ſie beruͤhmt macht, uͤber-
aus guͤnſtig. An dem rechten Ufer des Fluſſes liegt eine Reihe von Felſen, deren
Hoͤhe auf vierhundert Fuß betraͤgt; ſie ſind voll Spaltungen, auch ungemein ſteil.
Ein Theil dieſer Felſen zieht ſich naͤher nach der Sane hin; und hier hat vor etwa
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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