Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten, Bank, eine Ruhestelle in dem einen Winkel, ein Capellchen in dem andern, eineNische mit dem kunstlosen Bildniß eines Schutzheiligen, an der Wand einige Sprü- che, die in Worten voll Einfalt die hohe Weisheit des Lebens lehren, oben über die Thüre hinaus ein Glöckchen, das die Stunde des Gebets verkündigt -- machen die anständige Verzierung einer Einsiedeley aus, die aus dem Mönchsleben nachgeahmt ist. Andere Einsiedeleyen, die sich nicht ganz an diesen Charakter halten, müssen doch eine innere Einrichtung und Auszierung haben, die sich zum Genuß der Ruhe schickt, und das ernste Nachdenken unterhält. Und dazu sind Inschriften, die den Geist auf wichtige Betrachtungen leiten, von vorzüglicher Kraft. Einsiedeleyen müssen eine gewisse Dunkelheit haben, entweder durch wenig Fen- Selbst die äußere und innere Farbe ist, dieser Eindrücke wegen, nicht gleich- Man glaubt zuweilen, daß man für Einsiedeleyen, als Gegenstände, die nur Ehe man eine Einsiedeley anlegt, muß man den besondern Charakter und die Ernstes
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Bank, eine Ruheſtelle in dem einen Winkel, ein Capellchen in dem andern, eineNiſche mit dem kunſtloſen Bildniß eines Schutzheiligen, an der Wand einige Spruͤ- che, die in Worten voll Einfalt die hohe Weisheit des Lebens lehren, oben uͤber die Thuͤre hinaus ein Gloͤckchen, das die Stunde des Gebets verkuͤndigt — machen die anſtaͤndige Verzierung einer Einſiedeley aus, die aus dem Moͤnchsleben nachgeahmt iſt. Andere Einſiedeleyen, die ſich nicht ganz an dieſen Charakter halten, muͤſſen doch eine innere Einrichtung und Auszierung haben, die ſich zum Genuß der Ruhe ſchickt, und das ernſte Nachdenken unterhaͤlt. Und dazu ſind Inſchriften, die den Geiſt auf wichtige Betrachtungen leiten, von vorzuͤglicher Kraft. Einſiedeleyen muͤſſen eine gewiſſe Dunkelheit haben, entweder durch wenig Fen- Selbſt die aͤußere und innere Farbe iſt, dieſer Eindruͤcke wegen, nicht gleich- Man glaubt zuweilen, daß man fuͤr Einſiedeleyen, als Gegenſtaͤnde, die nur Ehe man eine Einſiedeley anlegt, muß man den beſondern Charakter und die Ernſtes
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0108" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,</hi></fw><lb/> Bank, eine Ruheſtelle in dem einen Winkel, ein Capellchen in dem andern, eine<lb/> Niſche mit dem kunſtloſen Bildniß eines Schutzheiligen, an der Wand einige Spruͤ-<lb/> che, die in Worten voll Einfalt die hohe Weisheit des Lebens lehren, oben uͤber die<lb/> Thuͤre hinaus ein Gloͤckchen, das die Stunde des Gebets verkuͤndigt — machen die<lb/> anſtaͤndige Verzierung einer Einſiedeley aus, die aus dem Moͤnchsleben nachgeahmt<lb/> iſt. Andere Einſiedeleyen, die ſich nicht ganz an dieſen Charakter halten, muͤſſen<lb/> doch eine innere Einrichtung und Auszierung haben, die ſich zum Genuß der Ruhe<lb/> ſchickt, und das ernſte Nachdenken unterhaͤlt. Und dazu ſind Inſchriften, die den<lb/> Geiſt auf wichtige Betrachtungen leiten, von vorzuͤglicher Kraft.</p><lb/> <p>Einſiedeleyen muͤſſen eine gewiſſe Dunkelheit haben, entweder durch wenig Fen-<lb/> ſter und Oeffnungen, oder durch ſtarke Beſchattungen von Baͤumen. In Gebaͤuden,<lb/> die eine Empfindung von feyerlicher Ruhe oder eine Art von heiligem Schauer erregen<lb/> ſollen, wird dieſe Wirkung am ſicherſten von der Verdunkelung erhalten; auch hilft<lb/> hier der ploͤtzliche Uebergang vom Licht zur Finſterniß; wir fuͤhlen es ſogleich, daß wir<lb/> an einen Ort von einer andern Beſtimmung gekommen ſind.</p><lb/> <p>Selbſt die aͤußere und innere Farbe iſt, dieſer Eindruͤcke wegen, nicht gleich-<lb/> guͤltig; ſie muß den Ernſt des ganzen Werks unterſtuͤtzen, und entweder braun oder<lb/> dunkelgrau ſeyn. Nichts iſt mehr widerſprechend, als eine Huͤtte der Melancholie<lb/> oder der einſamen Betrachtung mit einer hellgruͤnen oder weißen Farbe zu bekleiden.</p><lb/> <p>Man glaubt zuweilen, daß man fuͤr Einſiedeleyen, als Gegenſtaͤnde, die nur<lb/> durch ihr Anſehen einen Eindruck machen ſollen, genug gethan habe, wenn nur das<lb/> Aeußere den Charakter der Eremitagen traͤgt, und daß die innere Einrichtung alle<lb/> Schoͤnheit eines Prachtſaals vertrage. Allein, ohne zu gedenken, daß dieſe Einrich-<lb/> tung das Aeußere und das Innere des Gebaͤudes in einen Widerſpruch ſetzt, ſo unter-<lb/> bricht ſie doch beym Hereingehen und beym Heraustreten jedesmal den Eindruck, und<lb/> macht, daß zuletzt die umliegende Scene ſelbſt ihre Wirkung verliert. Es iſt keine<lb/> Nothwendigkeit da, die eine ſolche Anlage rechtfertigte; und die kleine Ueberraſchung,<lb/> die das erſtemal bey dem Eintritt entſteht, iſt zu voruͤbereilend und unbedeutend, als<lb/> daß ſie die Wirkungen, die daruͤber verloren werden, wieder erſetzen koͤnnte.</p><lb/> <p>Ehe man eine Einſiedeley anlegt, muß man den beſondern Charakter und die<lb/> beſondere Beſtimmung des Gartens betrachten. Denn gewiſſe Arten von Gaͤrten<lb/> vertragen dieſe Gebaͤude nicht. In einem heitern Luſtgarten, in einem Fruͤhlings-<lb/> garten, in einem Garten bey Gymnaſien und Akademien wuͤrde eine Einſiedeley ſehr<lb/> unſchicklich ſeyn. Aber ſehr gut ſteht ſie in einem Garten bey Kloͤſtern, bey Capellen,<lb/> bey Begraͤbnißoͤrtern, in jedem einzelnen Garten von einem einfachen Charakter des<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ernſtes</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0108]
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
Bank, eine Ruheſtelle in dem einen Winkel, ein Capellchen in dem andern, eine
Niſche mit dem kunſtloſen Bildniß eines Schutzheiligen, an der Wand einige Spruͤ-
che, die in Worten voll Einfalt die hohe Weisheit des Lebens lehren, oben uͤber die
Thuͤre hinaus ein Gloͤckchen, das die Stunde des Gebets verkuͤndigt — machen die
anſtaͤndige Verzierung einer Einſiedeley aus, die aus dem Moͤnchsleben nachgeahmt
iſt. Andere Einſiedeleyen, die ſich nicht ganz an dieſen Charakter halten, muͤſſen
doch eine innere Einrichtung und Auszierung haben, die ſich zum Genuß der Ruhe
ſchickt, und das ernſte Nachdenken unterhaͤlt. Und dazu ſind Inſchriften, die den
Geiſt auf wichtige Betrachtungen leiten, von vorzuͤglicher Kraft.
Einſiedeleyen muͤſſen eine gewiſſe Dunkelheit haben, entweder durch wenig Fen-
ſter und Oeffnungen, oder durch ſtarke Beſchattungen von Baͤumen. In Gebaͤuden,
die eine Empfindung von feyerlicher Ruhe oder eine Art von heiligem Schauer erregen
ſollen, wird dieſe Wirkung am ſicherſten von der Verdunkelung erhalten; auch hilft
hier der ploͤtzliche Uebergang vom Licht zur Finſterniß; wir fuͤhlen es ſogleich, daß wir
an einen Ort von einer andern Beſtimmung gekommen ſind.
Selbſt die aͤußere und innere Farbe iſt, dieſer Eindruͤcke wegen, nicht gleich-
guͤltig; ſie muß den Ernſt des ganzen Werks unterſtuͤtzen, und entweder braun oder
dunkelgrau ſeyn. Nichts iſt mehr widerſprechend, als eine Huͤtte der Melancholie
oder der einſamen Betrachtung mit einer hellgruͤnen oder weißen Farbe zu bekleiden.
Man glaubt zuweilen, daß man fuͤr Einſiedeleyen, als Gegenſtaͤnde, die nur
durch ihr Anſehen einen Eindruck machen ſollen, genug gethan habe, wenn nur das
Aeußere den Charakter der Eremitagen traͤgt, und daß die innere Einrichtung alle
Schoͤnheit eines Prachtſaals vertrage. Allein, ohne zu gedenken, daß dieſe Einrich-
tung das Aeußere und das Innere des Gebaͤudes in einen Widerſpruch ſetzt, ſo unter-
bricht ſie doch beym Hereingehen und beym Heraustreten jedesmal den Eindruck, und
macht, daß zuletzt die umliegende Scene ſelbſt ihre Wirkung verliert. Es iſt keine
Nothwendigkeit da, die eine ſolche Anlage rechtfertigte; und die kleine Ueberraſchung,
die das erſtemal bey dem Eintritt entſteht, iſt zu voruͤbereilend und unbedeutend, als
daß ſie die Wirkungen, die daruͤber verloren werden, wieder erſetzen koͤnnte.
Ehe man eine Einſiedeley anlegt, muß man den beſondern Charakter und die
beſondere Beſtimmung des Gartens betrachten. Denn gewiſſe Arten von Gaͤrten
vertragen dieſe Gebaͤude nicht. In einem heitern Luſtgarten, in einem Fruͤhlings-
garten, in einem Garten bey Gymnaſien und Akademien wuͤrde eine Einſiedeley ſehr
unſchicklich ſeyn. Aber ſehr gut ſteht ſie in einem Garten bey Kloͤſtern, bey Capellen,
bey Begraͤbnißoͤrtern, in jedem einzelnen Garten von einem einfachen Charakter des
Ernſtes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |