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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,

Wir haben keine Westmünster-Abtey, wo die Asche der ersten Männer der
Nation neben der Asche ihrer Könige ruht. Wir haben nicht einmal, wie Frank-
reich,
eine Akademie, die den Genies vom höchsten Range eine Statüe zu bewirken
weiß. Die Verdienste der Wissenschaften und Künste sehen noch unter uns keine An-
stalt zu ihrer öffentlichen Verehrung; manche große Gelehrte und Dichter, deren
Werke die benachbarten Nationen mit Bewunderung lesen, haben kaum einen Grab-
stein mit ihrem Namen. -- Aber in unsern Gartenrevieren ist Raum und Macht,
uns selbst zu ehren, indem wir zur Ehre unserer verdientesten Männer Denkmäler
setzen. Welcher Fürst, welcher Große, oder welcher Privatmann will den Anfang
machen? --

Haller, der uns zuerst die großen Schauspiele der Natur schilderte, die sein
Vaterland enthält, verdient schon als Dichter eines der ersten Monumente in Scenen,
die dem erhabenen Charakter seiner malerischen Poesie zustimmen. Ihm,

aus dessen ewigen Liedern
Der Aare Ufer uns duften und vor dem Angesicht prangen;
Der sich die Pfeiler des Himmels, die Alpen, die er besungen,
Zu Ehrensäulen gemacht; [Spaltenumbruch] *)

ihm sey dieses Denkmal gewidmet, das auf einem hohen Felsen steht, in einer schwei-
zer Landschaft mit Viehweiden und Dörfern, und den Alpen in der Ferne. **)

Ihm folge hier Hagedorn, der uns so oft zu den Freuden des Landlebens lockte,
und dessen Lied rein und heiter dahin floß, wie der Quell, der sich unter seinem Denk-
mal hervorgießt, das in einem luftigen Wäldchen auf einer Wiese ruht. ***)

Hier ist ein Monument für einen andern Dichter, der uns die Schönheit der
Natur besang, für einen Mann, der als Menschenfreund lebte, und als Held für das
Vaterland fiel. [Spaltenumbruch] +)

Wer setzt es unserm Kleist, dem Sänger des Frühlings? Ihm, der sich im Leben
beglückter fühlte, als Achill und Hannibal; denn

Er sah auf blumigter Flur das Winken schattigter Erlen,
Den Schmuck des lachenden Hains, die weißen Birken voll Laub,
Den Thaldurchirrenden Bach. ++)

Traurend
*) Kleist im Frühling.
**) Siehe Tab. II.
***) Siehe Tab. III.
+) Siehe Tab. IV.
++) Eine Stelle des Dichters von sich
selbst.
Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

Wir haben keine Weſtmuͤnſter-Abtey, wo die Aſche der erſten Maͤnner der
Nation neben der Aſche ihrer Koͤnige ruht. Wir haben nicht einmal, wie Frank-
reich,
eine Akademie, die den Genies vom hoͤchſten Range eine Statuͤe zu bewirken
weiß. Die Verdienſte der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ſehen noch unter uns keine An-
ſtalt zu ihrer oͤffentlichen Verehrung; manche große Gelehrte und Dichter, deren
Werke die benachbarten Nationen mit Bewunderung leſen, haben kaum einen Grab-
ſtein mit ihrem Namen. — Aber in unſern Gartenrevieren iſt Raum und Macht,
uns ſelbſt zu ehren, indem wir zur Ehre unſerer verdienteſten Maͤnner Denkmaͤler
ſetzen. Welcher Fuͤrſt, welcher Große, oder welcher Privatmann will den Anfang
machen? —

Haller, der uns zuerſt die großen Schauſpiele der Natur ſchilderte, die ſein
Vaterland enthaͤlt, verdient ſchon als Dichter eines der erſten Monumente in Scenen,
die dem erhabenen Charakter ſeiner maleriſchen Poeſie zuſtimmen. Ihm,

aus deſſen ewigen Liedern
Der Aare Ufer uns duften und vor dem Angeſicht prangen;
Der ſich die Pfeiler des Himmels, die Alpen, die er beſungen,
Zu Ehrenſaͤulen gemacht; [Spaltenumbruch] *)

ihm ſey dieſes Denkmal gewidmet, das auf einem hohen Felſen ſteht, in einer ſchwei-
zer Landſchaft mit Viehweiden und Doͤrfern, und den Alpen in der Ferne. **)

Ihm folge hier Hagedorn, der uns ſo oft zu den Freuden des Landlebens lockte,
und deſſen Lied rein und heiter dahin floß, wie der Quell, der ſich unter ſeinem Denk-
mal hervorgießt, das in einem luftigen Waͤldchen auf einer Wieſe ruht. ***)

Hier iſt ein Monument fuͤr einen andern Dichter, der uns die Schoͤnheit der
Natur beſang, fuͤr einen Mann, der als Menſchenfreund lebte, und als Held fuͤr das
Vaterland fiel. [Spaltenumbruch] †)

Wer ſetzt es unſerm Kleiſt, dem Saͤnger des Fruͤhlings? Ihm, der ſich im Leben
begluͤckter fuͤhlte, als Achill und Hannibal; denn

Er ſah auf blumigter Flur das Winken ſchattigter Erlen,
Den Schmuck des lachenden Hains, die weißen Birken voll Laub,
Den Thaldurchirrenden Bach. ††)

Traurend
*) Kleiſt im Fruͤhling.
**) Siehe Tab. II.
***) Siehe Tab. III.
†) Siehe Tab. IV.
††) Eine Stelle des Dichters von ſich
ſelbſt.
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[148/0153] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, Wir haben keine Weſtmuͤnſter-Abtey, wo die Aſche der erſten Maͤnner der Nation neben der Aſche ihrer Koͤnige ruht. Wir haben nicht einmal, wie Frank- reich, eine Akademie, die den Genies vom hoͤchſten Range eine Statuͤe zu bewirken weiß. Die Verdienſte der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ſehen noch unter uns keine An- ſtalt zu ihrer oͤffentlichen Verehrung; manche große Gelehrte und Dichter, deren Werke die benachbarten Nationen mit Bewunderung leſen, haben kaum einen Grab- ſtein mit ihrem Namen. — Aber in unſern Gartenrevieren iſt Raum und Macht, uns ſelbſt zu ehren, indem wir zur Ehre unſerer verdienteſten Maͤnner Denkmaͤler ſetzen. Welcher Fuͤrſt, welcher Große, oder welcher Privatmann will den Anfang machen? — Haller, der uns zuerſt die großen Schauſpiele der Natur ſchilderte, die ſein Vaterland enthaͤlt, verdient ſchon als Dichter eines der erſten Monumente in Scenen, die dem erhabenen Charakter ſeiner maleriſchen Poeſie zuſtimmen. Ihm, aus deſſen ewigen Liedern Der Aare Ufer uns duften und vor dem Angeſicht prangen; Der ſich die Pfeiler des Himmels, die Alpen, die er beſungen, Zu Ehrenſaͤulen gemacht; *) ihm ſey dieſes Denkmal gewidmet, das auf einem hohen Felſen ſteht, in einer ſchwei- zer Landſchaft mit Viehweiden und Doͤrfern, und den Alpen in der Ferne. **) Ihm folge hier Hagedorn, der uns ſo oft zu den Freuden des Landlebens lockte, und deſſen Lied rein und heiter dahin floß, wie der Quell, der ſich unter ſeinem Denk- mal hervorgießt, das in einem luftigen Waͤldchen auf einer Wieſe ruht. ***) Hier iſt ein Monument fuͤr einen andern Dichter, der uns die Schoͤnheit der Natur beſang, fuͤr einen Mann, der als Menſchenfreund lebte, und als Held fuͤr das Vaterland fiel. †) Wer ſetzt es unſerm Kleiſt, dem Saͤnger des Fruͤhlings? Ihm, der ſich im Leben begluͤckter fuͤhlte, als Achill und Hannibal; denn Er ſah auf blumigter Flur das Winken ſchattigter Erlen, Den Schmuck des lachenden Hains, die weißen Birken voll Laub, Den Thaldurchirrenden Bach. ††) Traurend *) Kleiſt im Fruͤhling. **) Siehe Tab. II. ***) Siehe Tab. III. †) Siehe Tab. IV. ††) Eine Stelle des Dichters von ſich ſelbſt.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/153>, abgerufen am 21.11.2024.