Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Fünfter Abschnitt. Von Statüen, [Spaltenumbruch]
Wann alles schweigt, und selbst das Laub,dein Lied zu fühlen, In jedem Wipfel leiser rauscht; Wann sie dann kommt, die meine Seele liebet, Wann sie dann kommt und auch auf deine Lieder hört, Bey jedem Wechsellaut dir frohen Bey- fall giebet, Mit Lächeln jeden Schlag beehrt: Dann, Nachtigall, o! dann laß deine Töne Entzückender, als sonst, und wollust- voller seyn. Es flöße dein Gesang der muntern Do- rimene Die angenehmste Schwermuth ein! Einwohnerinn in diesen Sträuchen, An diesem kühlen Wasserfall, Du mußt noch nicht von dannen wei- chen, Du kleine, süße Nachtigall. Bald kommt Philinde aus der Ferne: Wie süß die singet, singst du nicht. Lern von ihr singen; von dir lerne Sie lieben; denn dieß kann sie nicht. Ja! alles, was ich seh, sind Gaben vom Geschicke, [Spaltenumbruch] Die Welt ist selbst gemacht zu ihrer Bür- ger Glücke; Ein allgemeines Wohl beseelet die Natur, Und alles trägt des höchsten Gutes Spur. O! selig, wer in Ruh, mit selbst ge- zognen Stieren, Den angestorbnen Grund von eignen Aeckern pflügt, Wen reine Wolle deckt, belaubte Kränze zieren, Und ungewürzte Speis aus süßer Milch vergnügt; Wer sich bey Zephyrs Hauch, an kühlen Wasserfällen, Zum unbesorgten Schlaf auf weiche Ra- sen streckt; Wen nie in hoher See das Brausen wil- der Wellen, Noch der Trompeten Schall in bangen Zelten weckt; Wer seinen Zustand liebt, und niemals wünscht zu bessern, Gewiß! der Himmel kann sein Glücke nicht vergrössern. Gott zeigt in seiner Schöpfung Werke Sich über unserm Haupt, sich auf der Erde groß; Er
Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, [Spaltenumbruch]
Wann alles ſchweigt, und ſelbſt das Laub,dein Lied zu fuͤhlen, In jedem Wipfel leiſer rauſcht; Wann ſie dann kommt, die meine Seele liebet, Wann ſie dann kommt und auch auf deine Lieder hoͤrt, Bey jedem Wechſellaut dir frohen Bey- fall giebet, Mit Laͤcheln jeden Schlag beehrt: Dann, Nachtigall, o! dann laß deine Toͤne Entzuͤckender, als ſonſt, und wolluſt- voller ſeyn. Es floͤße dein Geſang der muntern Do- rimene Die angenehmſte Schwermuth ein! Einwohnerinn in dieſen Straͤuchen, An dieſem kuͤhlen Waſſerfall, Du mußt noch nicht von dannen wei- chen, Du kleine, ſuͤße Nachtigall. Bald kommt Philinde aus der Ferne: Wie ſuͤß die ſinget, ſingſt du nicht. Lern von ihr ſingen; von dir lerne Sie lieben; denn dieß kann ſie nicht. Ja! alles, was ich ſeh, ſind Gaben vom Geſchicke, [Spaltenumbruch] Die Welt iſt ſelbſt gemacht zu ihrer Buͤr- ger Gluͤcke; Ein allgemeines Wohl beſeelet die Natur, Und alles traͤgt des hoͤchſten Gutes Spur. O! ſelig, wer in Ruh, mit ſelbſt ge- zognen Stieren, Den angeſtorbnen Grund von eignen Aeckern pfluͤgt, Wen reine Wolle deckt, belaubte Kraͤnze zieren, Und ungewuͤrzte Speis aus ſuͤßer Milch vergnuͤgt; Wer ſich bey Zephyrs Hauch, an kuͤhlen Waſſerfaͤllen, Zum unbeſorgten Schlaf auf weiche Ra- ſen ſtreckt; Wen nie in hoher See das Brauſen wil- der Wellen, Noch der Trompeten Schall in bangen Zelten weckt; Wer ſeinen Zuſtand liebt, und niemals wuͤnſcht zu beſſern, Gewiß! der Himmel kann ſein Gluͤcke nicht vergroͤſſern. Gott zeigt in ſeiner Schoͤpfung Werke Sich uͤber unſerm Haupt, ſich auf der Erde groß; Er
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dein Lied zu fuͤhlen,
In jedem Wipfel leiſer rauſcht;
Wann ſie dann kommt, die meine Seele
liebet,
Wann ſie dann kommt und auch auf
deine Lieder hoͤrt,
Bey jedem Wechſellaut dir frohen Bey-
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Mit Laͤcheln jeden Schlag beehrt:
Dann, Nachtigall, o! dann laß deine
Toͤne
Entzuͤckender, als ſonſt, und wolluſt-
voller ſeyn.
Es floͤße dein Geſang der muntern Do-
rimene
Die angenehmſte Schwermuth ein!
Einwohnerinn in dieſen Straͤuchen,
An dieſem kuͤhlen Waſſerfall,
Du mußt noch nicht von dannen wei-
chen,
Du kleine, ſuͤße Nachtigall.
Bald kommt Philinde aus der Ferne:
Wie ſuͤß die ſinget, ſingſt du nicht.
Lern von ihr ſingen; von dir lerne
Sie lieben; denn dieß kann ſie nicht.
Ja! alles, was ich ſeh, ſind Gaben vom
Geſchicke,
Die Welt iſt ſelbſt gemacht zu ihrer Buͤr-
ger Gluͤcke;
Ein allgemeines Wohl beſeelet die Natur,
Und alles traͤgt des hoͤchſten Gutes
Spur.
O! ſelig, wer in Ruh, mit ſelbſt ge-
zognen Stieren,
Den angeſtorbnen Grund von eignen
Aeckern pfluͤgt,
Wen reine Wolle deckt, belaubte Kraͤnze
zieren,
Und ungewuͤrzte Speis aus ſuͤßer Milch
vergnuͤgt;
Wer ſich bey Zephyrs Hauch, an kuͤhlen
Waſſerfaͤllen,
Zum unbeſorgten Schlaf auf weiche Ra-
ſen ſtreckt;
Wen nie in hoher See das Brauſen wil-
der Wellen,
Noch der Trompeten Schall in bangen
Zelten weckt;
Wer ſeinen Zuſtand liebt, und niemals
wuͤnſcht zu beſſern,
Gewiß! der Himmel kann ſein Gluͤcke
nicht vergroͤſſern.
Gott zeigt in ſeiner Schoͤpfung Werke
Sich uͤber unſerm Haupt, ſich auf der
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Zitationshilfe: | Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/176>, abgerufen am 16.02.2025. |