Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen. Unterredungen. Die Geräumigkeit und Länge vermehrte nicht blos ihre Bequemlich-keit, sondern auch ihre Schönheit. Auf dem Gebälke sah man oft Statüen, die nicht weniger die Zwischenräume zierten, so wie Gemälde die Wände belebten. Die Tempel der Griechen erhielten schon frühzeitig einen großen Theil ihres schönen An- sehens von diesen Säulenlauben. Der Gebrauch der Säulenordnungen war nicht gleichgültig. Im Anfang Der Charakter der alten Tempel war eine edle Einfalt und stille Größe in den Die Lage der Tempel erhöhete ihr Ansehen, das ihnen schon die Architektur gab. selbst *) lib. 1. c. 2. **) lib. 2. c. 7. H 2
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Unterredungen. Die Geraͤumigkeit und Laͤnge vermehrte nicht blos ihre Bequemlich-keit, ſondern auch ihre Schoͤnheit. Auf dem Gebaͤlke ſah man oft Statuͤen, die nicht weniger die Zwiſchenraͤume zierten, ſo wie Gemaͤlde die Waͤnde belebten. Die Tempel der Griechen erhielten ſchon fruͤhzeitig einen großen Theil ihres ſchoͤnen An- ſehens von dieſen Saͤulenlauben. Der Gebrauch der Saͤulenordnungen war nicht gleichguͤltig. Im Anfang Der Charakter der alten Tempel war eine edle Einfalt und ſtille Groͤße in den Die Lage der Tempel erhoͤhete ihr Anſehen, das ihnen ſchon die Architektur gab. ſelbſt *) lib. 1. c. 2. **) lib. 2. c. 7. H 2
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Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
Unterredungen. Die Geraͤumigkeit und Laͤnge vermehrte nicht blos ihre Bequemlich-
keit, ſondern auch ihre Schoͤnheit. Auf dem Gebaͤlke ſah man oft Statuͤen, die
nicht weniger die Zwiſchenraͤume zierten, ſo wie Gemaͤlde die Waͤnde belebten. Die
Tempel der Griechen erhielten ſchon fruͤhzeitig einen großen Theil ihres ſchoͤnen An-
ſehens von dieſen Saͤulenlauben.
Der Gebrauch der Saͤulenordnungen war nicht gleichguͤltig. Im Anfang
waͤhlte man die doriſche Ordnung, wegen der hohen Einfalt und des ſtillen Ernſtes,
der ihr eigen iſt, und der ſich nach der Meynung der aͤltern Baumeiſter am beſten zu
Gebaͤuden dieſer Art zu ſchicken ſchien. Nachher ward die ioniſche, und ſeltener die
korinthiſche, die zu viel Ueppigkeit fuͤr die Wuͤrde der Tempel zu haben ſchien, ge-
braucht. Indeſſen giebt Vitruv
*) eine Anleitung, wie die Saͤulenordnungen,
nach dem Unterſchied der Gottheiten, zu waͤhlen ſind. Fuͤr Tempel der Minerva,
des Mars und des Herkules beſtimmt er die ernſthafte und ſtarke doriſche Ordnung;
die feine und zaͤrtliche korinthiſche widmet er der Venus, der Flora, der Proſerpina
und den Nymphen; die ioniſche aber, die zwiſchen der Einfalt der doriſchen und dem
Schmucke der korinthiſchen die Mitte haͤlt, ſpricht er der Juno, Diana und dem
Bacchus zu. So wenig auch dieſe feine Vorſchrift immer zur Anwendung gekommen
iſt, ſo ſcheint ſie doch eine Erfindung der Griechen zu ſeyn. Eben dieſes gilt von einer
andern, die den Tempeln des Jupiters, Mars und Herkules grauen und roͤthlich-
ten Marmor, der Flora und der Grazien aber weißen und glaͤnzenden beſtimmt.
Der Charakter der alten Tempel war eine edle Einfalt und ſtille Groͤße in den
Formen, eine Schoͤnheit, die aus den einfachen Verhaͤltniſſen der Haupttheile und aus
der freyen und natuͤrlichen Anordnung entſprang, und ein zuſtimmendes aͤußeres An-
ſehen von Pracht ohne Ueppigkeit, das vornehmlich durch die Ordnungen und die
Saͤulenlauben hervorgebracht ward. Nur wenige Tempel zeichneten ſich durch einen
großen Umfang aus; aber die ganze Schoͤnheit der Architektur war faſt in allen aus-
gepraͤgt. Es waren darinn keine Verſammlungen gewoͤhnlich, außer zuweilen bey
gewiſſen oͤffentlichen Feyerlichkeiten; viele waren gar nicht zu Opfern und andern got-
tesdienſtlichen Handlungen beſtimmt, ſondern bloße Denkmaͤler.
Die Lage der Tempel erhoͤhete ihr Anſehen, das ihnen ſchon die Architektur gab.
Sie ſtanden frey, von andern Gebaͤuden abgeſondert, und hatten ringsumher einen
ſchoͤnen Platz, der oft mit Statuͤen geziert war. Sie waren gemeiniglich auf einer
Erhoͤhung, oder auf einem kleinen Huͤgel errichtet, und hatten, zuweilen auf allen
Seiten umher, zuweilen blos am Eingange, ein praͤchtiges marmornes Treppenwerk,
worauf man zu ihnen hinanſtieg. Nach einer Bemerkung des Vitruv
**) ſollte man
ſelbſt
*) lib. 1. c. 2.
**) lib. 2. c. 7.
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