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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen.
gesetzte Art das kahle und finstere Ansehen der Felsen vermehren. Er kann ihnen Leb-
haftigkeit geben, indem er das Wasser in kleine Güsse vertheilt, und ihre Wildheit
erhöhen, indem er es in einen brausenden Strom vereinigt. Seine Macht erstreckt
sich noch weiter. Er kann in ihr Inneres dringen, und Oeffnungen hauen, die be-
queme Sitze und selbst geräumige Wohnplätze geben.

Eine von der Kunst angelegte Grotte muß zuvörderst eine Lage haben, wie wir
sie in der Natur zu sehen gewohnt sind, an Bergen, an Felsen, zwischen rohen Klip-
pen und Wassergüssen, in versteckten Winkeln. Nichts ist unnatürlicher, als nach-
geäffte Grotten in Ebenen, auf freyen Plätzen, wo sie gleich das Auge an sich ziehen,
oder in gerader Linie gegen ein Blumenbett hervorstechend.

Weil Grotten nicht allein schon an sich Seltenheiten in der Natur sind, sondern
auch nur wenig Gärten sich solchen Lagen zu nähern pflegen; so dürfen auch angelegte
Grotten nicht zu häufig seyn. Ein Garten kann der Grotten sehr leicht entbehren;
und einige Gattungen von Gärten scheinen sie kaum zu vertragen.

Sie müssen eine etwas versteckte und dunkle Lage haben, die sie nicht leicht ent-
deckt; kein geschmückter Eingang, keine reiche Verzierung der Vorplätze darf sie an-
kündigen. Nur ist es nicht nöthig, daß der Ort ganz versperrt und aller Aussicht
beraubt sey; er kann Oeffnungen zu Prospecten in die Ferne, aufs Meer, auf entle-
gene Waldungen haben; allein das Revier, das unmittelbar die Grotte umgiebt,
muß verwildert und eingeschlossen seyn.

In der Anlage muß eine höchst einfältige, nachläßige und rohe Zusammen-
setzung herrschen; alles muß scheinen, von der wilden Hand der Natur selbst gebildet
zu seyn. Je grösser die Einfalt ist, desto natürlicher ist das Ansehen der Grotten.
Ihre innere Verzierung erhalten sie von der Bildung des Felsen selbst und von den zu-
fälligen Wirkungen des herabträufelnden und durchfließenden Wassers. Sie verwer-
fen jede Einrichtung, jeden Zierrath, der seiner Natur nach nicht in ihrem Schooße
anzutreffen ist.

Ihre äußere Gestalt muß ein Gepräge von Einfalt und Rohigkeit haben. Ein
unordentlicher Steinhaufen, eine zerborstene Felswand, eine Erhöhung von einzelnen
Massen, die sich durch die Gewalt der Zeit getrennt zu haben scheinen, hie und da
überwachsen mit Moos und Gesträuch, oder mit Epheu und wildem Wein bekleidet,
die zwischen den Ritzen herumklettern, oben mit Erde bedeckt, woraus einige unan-
sehnliche Bäumchen sich dürftig nähren, und ihre kraftlosen Zweige über dem Eingan-
ge herabhängen lassen, kleine Wassergüsse, die auf den Seiten zwischen Gebüsch herab-
irren -- alles dieses trägt zur malerischen Schönheit der Außenseite der Grotten am
meisten bey.

Obgleich
M 2

Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
geſetzte Art das kahle und finſtere Anſehen der Felſen vermehren. Er kann ihnen Leb-
haftigkeit geben, indem er das Waſſer in kleine Guͤſſe vertheilt, und ihre Wildheit
erhoͤhen, indem er es in einen brauſenden Strom vereinigt. Seine Macht erſtreckt
ſich noch weiter. Er kann in ihr Inneres dringen, und Oeffnungen hauen, die be-
queme Sitze und ſelbſt geraͤumige Wohnplaͤtze geben.

Eine von der Kunſt angelegte Grotte muß zuvoͤrderſt eine Lage haben, wie wir
ſie in der Natur zu ſehen gewohnt ſind, an Bergen, an Felſen, zwiſchen rohen Klip-
pen und Waſſerguͤſſen, in verſteckten Winkeln. Nichts iſt unnatuͤrlicher, als nach-
geaͤffte Grotten in Ebenen, auf freyen Plaͤtzen, wo ſie gleich das Auge an ſich ziehen,
oder in gerader Linie gegen ein Blumenbett hervorſtechend.

Weil Grotten nicht allein ſchon an ſich Seltenheiten in der Natur ſind, ſondern
auch nur wenig Gaͤrten ſich ſolchen Lagen zu naͤhern pflegen; ſo duͤrfen auch angelegte
Grotten nicht zu haͤufig ſeyn. Ein Garten kann der Grotten ſehr leicht entbehren;
und einige Gattungen von Gaͤrten ſcheinen ſie kaum zu vertragen.

Sie muͤſſen eine etwas verſteckte und dunkle Lage haben, die ſie nicht leicht ent-
deckt; kein geſchmuͤckter Eingang, keine reiche Verzierung der Vorplaͤtze darf ſie an-
kuͤndigen. Nur iſt es nicht noͤthig, daß der Ort ganz verſperrt und aller Ausſicht
beraubt ſey; er kann Oeffnungen zu Proſpecten in die Ferne, aufs Meer, auf entle-
gene Waldungen haben; allein das Revier, das unmittelbar die Grotte umgiebt,
muß verwildert und eingeſchloſſen ſeyn.

In der Anlage muß eine hoͤchſt einfaͤltige, nachlaͤßige und rohe Zuſammen-
ſetzung herrſchen; alles muß ſcheinen, von der wilden Hand der Natur ſelbſt gebildet
zu ſeyn. Je groͤſſer die Einfalt iſt, deſto natuͤrlicher iſt das Anſehen der Grotten.
Ihre innere Verzierung erhalten ſie von der Bildung des Felſen ſelbſt und von den zu-
faͤlligen Wirkungen des herabtraͤufelnden und durchfließenden Waſſers. Sie verwer-
fen jede Einrichtung, jeden Zierrath, der ſeiner Natur nach nicht in ihrem Schooße
anzutreffen iſt.

Ihre aͤußere Geſtalt muß ein Gepraͤge von Einfalt und Rohigkeit haben. Ein
unordentlicher Steinhaufen, eine zerborſtene Felswand, eine Erhoͤhung von einzelnen
Maſſen, die ſich durch die Gewalt der Zeit getrennt zu haben ſcheinen, hie und da
uͤberwachſen mit Moos und Geſtraͤuch, oder mit Epheu und wildem Wein bekleidet,
die zwiſchen den Ritzen herumklettern, oben mit Erde bedeckt, woraus einige unan-
ſehnliche Baͤumchen ſich duͤrftig naͤhren, und ihre kraftloſen Zweige uͤber dem Eingan-
ge herabhaͤngen laſſen, kleine Waſſerguͤſſe, die auf den Seiten zwiſchen Gebuͤſch herab-
irren — alles dieſes traͤgt zur maleriſchen Schoͤnheit der Außenſeite der Grotten am
meiſten bey.

Obgleich
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[91/0095] Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. geſetzte Art das kahle und finſtere Anſehen der Felſen vermehren. Er kann ihnen Leb- haftigkeit geben, indem er das Waſſer in kleine Guͤſſe vertheilt, und ihre Wildheit erhoͤhen, indem er es in einen brauſenden Strom vereinigt. Seine Macht erſtreckt ſich noch weiter. Er kann in ihr Inneres dringen, und Oeffnungen hauen, die be- queme Sitze und ſelbſt geraͤumige Wohnplaͤtze geben. Eine von der Kunſt angelegte Grotte muß zuvoͤrderſt eine Lage haben, wie wir ſie in der Natur zu ſehen gewohnt ſind, an Bergen, an Felſen, zwiſchen rohen Klip- pen und Waſſerguͤſſen, in verſteckten Winkeln. Nichts iſt unnatuͤrlicher, als nach- geaͤffte Grotten in Ebenen, auf freyen Plaͤtzen, wo ſie gleich das Auge an ſich ziehen, oder in gerader Linie gegen ein Blumenbett hervorſtechend. Weil Grotten nicht allein ſchon an ſich Seltenheiten in der Natur ſind, ſondern auch nur wenig Gaͤrten ſich ſolchen Lagen zu naͤhern pflegen; ſo duͤrfen auch angelegte Grotten nicht zu haͤufig ſeyn. Ein Garten kann der Grotten ſehr leicht entbehren; und einige Gattungen von Gaͤrten ſcheinen ſie kaum zu vertragen. Sie muͤſſen eine etwas verſteckte und dunkle Lage haben, die ſie nicht leicht ent- deckt; kein geſchmuͤckter Eingang, keine reiche Verzierung der Vorplaͤtze darf ſie an- kuͤndigen. Nur iſt es nicht noͤthig, daß der Ort ganz verſperrt und aller Ausſicht beraubt ſey; er kann Oeffnungen zu Proſpecten in die Ferne, aufs Meer, auf entle- gene Waldungen haben; allein das Revier, das unmittelbar die Grotte umgiebt, muß verwildert und eingeſchloſſen ſeyn. In der Anlage muß eine hoͤchſt einfaͤltige, nachlaͤßige und rohe Zuſammen- ſetzung herrſchen; alles muß ſcheinen, von der wilden Hand der Natur ſelbſt gebildet zu ſeyn. Je groͤſſer die Einfalt iſt, deſto natuͤrlicher iſt das Anſehen der Grotten. Ihre innere Verzierung erhalten ſie von der Bildung des Felſen ſelbſt und von den zu- faͤlligen Wirkungen des herabtraͤufelnden und durchfließenden Waſſers. Sie verwer- fen jede Einrichtung, jeden Zierrath, der ſeiner Natur nach nicht in ihrem Schooße anzutreffen iſt. Ihre aͤußere Geſtalt muß ein Gepraͤge von Einfalt und Rohigkeit haben. Ein unordentlicher Steinhaufen, eine zerborſtene Felswand, eine Erhoͤhung von einzelnen Maſſen, die ſich durch die Gewalt der Zeit getrennt zu haben ſcheinen, hie und da uͤberwachſen mit Moos und Geſtraͤuch, oder mit Epheu und wildem Wein bekleidet, die zwiſchen den Ritzen herumklettern, oben mit Erde bedeckt, woraus einige unan- ſehnliche Baͤumchen ſich duͤrftig naͤhren, und ihre kraftloſen Zweige uͤber dem Eingan- ge herabhaͤngen laſſen, kleine Waſſerguͤſſe, die auf den Seiten zwiſchen Gebuͤſch herab- irren — alles dieſes traͤgt zur maleriſchen Schoͤnheit der Außenſeite der Grotten am meiſten bey. Obgleich M 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/95>, abgerufen am 24.11.2024.