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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten,
scheiden und von bewundernswürdiger Symmetrie sind. Schon Pomponius Mela
erwähnt dieses merkwürdigen Naturwunders. [Spaltenumbruch] *)

4.

Diese vorgelegten Beschreibungen zeigen nicht allein den ursprünglichen Ge-
brauch der Grotten, sondern auch vornehmlich die Art, wie die Natur sie zu bilden
pflegt. Bey Werken, die in der Nachahmung sich so weit von ihrem wahren Cha-
rakter verloren haben, ist nichts nöthiger, als sie auf die erste Einrichtung der Natur
zurückzuweisen.

Wir sehen, daß Grotten ihre natürliche Heimath in bergichten und felsichten
Landschaften haben; man findet sie am meisten bey uns, in den Wildnissen des Har-
zes,
**) auswärts in den Gebirgen der Schweiz, in den Höhen von Norwegen,
und in den Felsen von Schottland. Sie können demnach nur in einem Revier na-
türlich seyn, das aus Bergen oder Felsen besteht, die Aushöhlungen und Klüfte durch
zufällige Wirkungen, oder der Hand des Menschen, sie zu bilden, verstatten.

Obgleich der Gartenkünstler sonst von Felsen ***) wenig Gebrauch machen kann,
so werden sie doch in Rücksicht auf Grotten schon nutzbarer. Sie entfernen sich schon
um einige Grade von der Wildniß, indem sie das Gepräge von irgend einer Bewoh-
nung annehmen; in ihrer Vorstellung verschwindet das Oede, das ihr sonst anhängt.
Die Gegenwart des Menschen rechtfertigt einige Cultur, die wenigstens in der Min-
derung ihrer Rauhigkeit sichtbar wird, ohne eitle Bestrebung, ihren Charakter um-
schaffen zu wollen. Sie können mit Gräsern und rankenden Pflanzen bekleidet wer-
den; an einigen Stellen mag ein kleines Buschwerk von angenehmem Grün aufschies-
sen; nahe umher mögen sich einige Bäume mit gesundem Wachsthum erheben.
Alle diese Umstände zerstören nicht den Charakter der Felsen, sie mildern ihn nur, sie
helfen der Einförmigkeit ab, erfrischen die Trockenheit der Gestalt, und stimmen übri-
gens noch immer mit dem natürlichen Ansehen einer Grotte zusammen. Durch Aus-
rottung der lebhaft grünenden Gebüsche und durch Umherpflanzung solcher Bäume,
die ein dunkles und trauriges Laubwerk haben, kann der Künstler auf eine entgegen-

gesetzte
*) B. 2. K. 6.
**) Die bekannteste unter den größern
Höhlen ist die Baumannshöhle, die eine
große Aehnlichkeit mit der Grotte von An-
tiparos hat, in Ansehung sowohl ihrer Bil-
dung, als auch der Tropfsteinzapfen. Sie
[Spaltenumbruch] besteht aus verschiedenen Gewölbern, die
zum Theil ein großes Ansehen haben, und
mit weißem Tropfstein und Zapfen beklei-
det sind. Diese Grotte verdiente einen
Dichter.
***) S. 1sten B. S. 192. 193.

Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
ſcheiden und von bewundernswuͤrdiger Symmetrie ſind. Schon Pomponius Mela
erwaͤhnt dieſes merkwuͤrdigen Naturwunders. [Spaltenumbruch] *)

4.

Dieſe vorgelegten Beſchreibungen zeigen nicht allein den urſpruͤnglichen Ge-
brauch der Grotten, ſondern auch vornehmlich die Art, wie die Natur ſie zu bilden
pflegt. Bey Werken, die in der Nachahmung ſich ſo weit von ihrem wahren Cha-
rakter verloren haben, iſt nichts noͤthiger, als ſie auf die erſte Einrichtung der Natur
zuruͤckzuweiſen.

Wir ſehen, daß Grotten ihre natuͤrliche Heimath in bergichten und felſichten
Landſchaften haben; man findet ſie am meiſten bey uns, in den Wildniſſen des Har-
zes,
**) auswaͤrts in den Gebirgen der Schweiz, in den Hoͤhen von Norwegen,
und in den Felſen von Schottland. Sie koͤnnen demnach nur in einem Revier na-
tuͤrlich ſeyn, das aus Bergen oder Felſen beſteht, die Aushoͤhlungen und Kluͤfte durch
zufaͤllige Wirkungen, oder der Hand des Menſchen, ſie zu bilden, verſtatten.

Obgleich der Gartenkuͤnſtler ſonſt von Felſen ***) wenig Gebrauch machen kann,
ſo werden ſie doch in Ruͤckſicht auf Grotten ſchon nutzbarer. Sie entfernen ſich ſchon
um einige Grade von der Wildniß, indem ſie das Gepraͤge von irgend einer Bewoh-
nung annehmen; in ihrer Vorſtellung verſchwindet das Oede, das ihr ſonſt anhaͤngt.
Die Gegenwart des Menſchen rechtfertigt einige Cultur, die wenigſtens in der Min-
derung ihrer Rauhigkeit ſichtbar wird, ohne eitle Beſtrebung, ihren Charakter um-
ſchaffen zu wollen. Sie koͤnnen mit Graͤſern und rankenden Pflanzen bekleidet wer-
den; an einigen Stellen mag ein kleines Buſchwerk von angenehmem Gruͤn aufſchieſ-
ſen; nahe umher moͤgen ſich einige Baͤume mit geſundem Wachsthum erheben.
Alle dieſe Umſtaͤnde zerſtoͤren nicht den Charakter der Felſen, ſie mildern ihn nur, ſie
helfen der Einfoͤrmigkeit ab, erfriſchen die Trockenheit der Geſtalt, und ſtimmen uͤbri-
gens noch immer mit dem natuͤrlichen Anſehen einer Grotte zuſammen. Durch Aus-
rottung der lebhaft gruͤnenden Gebuͤſche und durch Umherpflanzung ſolcher Baͤume,
die ein dunkles und trauriges Laubwerk haben, kann der Kuͤnſtler auf eine entgegen-

geſetzte
*) B. 2. K. 6.
**) Die bekannteſte unter den groͤßern
Hoͤhlen iſt die Baumannshoͤhle, die eine
große Aehnlichkeit mit der Grotte von An-
tiparos hat, in Anſehung ſowohl ihrer Bil-
dung, als auch der Tropfſteinzapfen. Sie
[Spaltenumbruch] beſteht aus verſchiedenen Gewoͤlbern, die
zum Theil ein großes Anſehen haben, und
mit weißem Tropfſtein und Zapfen beklei-
det ſind. Dieſe Grotte verdiente einen
Dichter.
***) S. 1ſten B. S. 192. 193.
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[90/0094] Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, ſcheiden und von bewundernswuͤrdiger Symmetrie ſind. Schon Pomponius Mela erwaͤhnt dieſes merkwuͤrdigen Naturwunders. *) 4. Dieſe vorgelegten Beſchreibungen zeigen nicht allein den urſpruͤnglichen Ge- brauch der Grotten, ſondern auch vornehmlich die Art, wie die Natur ſie zu bilden pflegt. Bey Werken, die in der Nachahmung ſich ſo weit von ihrem wahren Cha- rakter verloren haben, iſt nichts noͤthiger, als ſie auf die erſte Einrichtung der Natur zuruͤckzuweiſen. Wir ſehen, daß Grotten ihre natuͤrliche Heimath in bergichten und felſichten Landſchaften haben; man findet ſie am meiſten bey uns, in den Wildniſſen des Har- zes, **) auswaͤrts in den Gebirgen der Schweiz, in den Hoͤhen von Norwegen, und in den Felſen von Schottland. Sie koͤnnen demnach nur in einem Revier na- tuͤrlich ſeyn, das aus Bergen oder Felſen beſteht, die Aushoͤhlungen und Kluͤfte durch zufaͤllige Wirkungen, oder der Hand des Menſchen, ſie zu bilden, verſtatten. Obgleich der Gartenkuͤnſtler ſonſt von Felſen ***) wenig Gebrauch machen kann, ſo werden ſie doch in Ruͤckſicht auf Grotten ſchon nutzbarer. Sie entfernen ſich ſchon um einige Grade von der Wildniß, indem ſie das Gepraͤge von irgend einer Bewoh- nung annehmen; in ihrer Vorſtellung verſchwindet das Oede, das ihr ſonſt anhaͤngt. Die Gegenwart des Menſchen rechtfertigt einige Cultur, die wenigſtens in der Min- derung ihrer Rauhigkeit ſichtbar wird, ohne eitle Beſtrebung, ihren Charakter um- ſchaffen zu wollen. Sie koͤnnen mit Graͤſern und rankenden Pflanzen bekleidet wer- den; an einigen Stellen mag ein kleines Buſchwerk von angenehmem Gruͤn aufſchieſ- ſen; nahe umher moͤgen ſich einige Baͤume mit geſundem Wachsthum erheben. Alle dieſe Umſtaͤnde zerſtoͤren nicht den Charakter der Felſen, ſie mildern ihn nur, ſie helfen der Einfoͤrmigkeit ab, erfriſchen die Trockenheit der Geſtalt, und ſtimmen uͤbri- gens noch immer mit dem natuͤrlichen Anſehen einer Grotte zuſammen. Durch Aus- rottung der lebhaft gruͤnenden Gebuͤſche und durch Umherpflanzung ſolcher Baͤume, die ein dunkles und trauriges Laubwerk haben, kann der Kuͤnſtler auf eine entgegen- geſetzte *) B. 2. K. 6. **) Die bekannteſte unter den groͤßern Hoͤhlen iſt die Baumannshoͤhle, die eine große Aehnlichkeit mit der Grotte von An- tiparos hat, in Anſehung ſowohl ihrer Bil- dung, als auch der Tropfſteinzapfen. Sie beſteht aus verſchiedenen Gewoͤlbern, die zum Theil ein großes Anſehen haben, und mit weißem Tropfſtein und Zapfen beklei- det ſind. Dieſe Grotte verdiente einen Dichter. ***) S. 1ſten B. S. 192. 193.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/94>, abgerufen am 24.11.2024.