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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Dritter Abschnitt. Gärten
Die Schönheit dieses Contrastes kann man sich leicht vorstellen; auf einigen alle
Pracht der Gewächse in dem lebhaftesten Grün; die andern in alle Schrecknisse des
Winters gekleidet. Man sieht die Verbindung zweyer Jahrszeiten, die wirklich so
sehr entgegen stehen, als sie vereint zu seyn scheinen. Ueber diese letztern Hügel zeigen
sich die Gebirge des Hochlandes in aller fürchterlichen Majestät ihrer vorzüglichen
Höhe und Größe.

Crouchets Garten auf dem Felsen von Gibraltar. *)

Aus diesem Garten, der noch höher liegt, als die Festung, indem er auf einer
Terrasse gegen den Felsen erhaben ist, kann man sechzig Meilen in der Runde sehen.
Eine erstaunende Aussicht, die man vielleicht nirgends in der Welt findet. Man er-
blickt drey Königreiche, das große Weltmeer, das um die Erde fließt, und die mit-
telländische
See, deren äußerste Wellen das heilige Land bespülen. Auf der einen
Seite hat man die Straße, deren Gränze das alte Königreich Mauritanien ist, und
unser Auge berührt gleichsam und wandelt über den anmuthigen Rand des Berges
Abyla Barbeful hin, der bey den arabischen Dichtern so berühmt ist; von den
weißen Thürmen von Ceuta strahlet die Abendsonne zurück. In jenem flachen Lande
liegt Tangier, das ehemals Großbritannien gehörte. Das neue Algeziras und
die ehrwürdigen Trümmer von Carteja sind Denkmäler der Unbeständigkeit des stets
wechselnden Glücks. Wie schön erhebt das eine sich aus dem Wasser, und verbreitet
seine stolze Mauern unter jenen Wäldern; der Donner seiner Kanonen wird häufig
über die ganze Bucht gehört; da hingegen das berühmte Carteja, eine römische Co-
lonie, und Hafen für ihre Flotten, in stillen Ruinen da liegt, und kaum noch einen
Thurm hat, der es verkündigen könnte, was sie sonst war. San Roque, eine
neuere Festung der Spanier, sitzt wie die Königinn der umliegenden Hügel, und
übersieht sie alle. Vier Meilen davon zur Linken modert auf einer stolzen Anhöhe
Castillar, eine Stadt, deren Ruf und Wichtigkeit sich mit dem maurischen Reiche
anfieng und endigte. Vor sich sieht man in majestätischer Höhe die ungeheuern Ge-
birge von Sierra de Ronda, deren Gipfel die Wolken berühren, und deren über-
flüßige Früchte und gesunde Luft ihre zahlreichen Einwohner mit Gesundheit und Ue-
berfluß krönen. Unter ihren östlichen Hügeln, nahe bey Munda, stritten sich vor
vielen Jahrhunderten Cäsar und Pompejens Söhne um die Herrschaft des römi-
schen
Reichs; und auf jener azurnen Fläche, auf der Höhe von Malaga, behauptete

in
*) Carters Reise von Gibraltar nach Malaga im Jahr 1772. Aus dem Englischen.
8. 1779. 1stes Buch, 7tes Kap.

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
Die Schoͤnheit dieſes Contraſtes kann man ſich leicht vorſtellen; auf einigen alle
Pracht der Gewaͤchſe in dem lebhafteſten Gruͤn; die andern in alle Schreckniſſe des
Winters gekleidet. Man ſieht die Verbindung zweyer Jahrszeiten, die wirklich ſo
ſehr entgegen ſtehen, als ſie vereint zu ſeyn ſcheinen. Ueber dieſe letztern Huͤgel zeigen
ſich die Gebirge des Hochlandes in aller fuͤrchterlichen Majeſtaͤt ihrer vorzuͤglichen
Hoͤhe und Groͤße.

Crouchets Garten auf dem Felſen von Gibraltar. *)

Aus dieſem Garten, der noch hoͤher liegt, als die Feſtung, indem er auf einer
Terraſſe gegen den Felſen erhaben iſt, kann man ſechzig Meilen in der Runde ſehen.
Eine erſtaunende Ausſicht, die man vielleicht nirgends in der Welt findet. Man er-
blickt drey Koͤnigreiche, das große Weltmeer, das um die Erde fließt, und die mit-
tellaͤndiſche
See, deren aͤußerſte Wellen das heilige Land beſpuͤlen. Auf der einen
Seite hat man die Straße, deren Graͤnze das alte Koͤnigreich Mauritanien iſt, und
unſer Auge beruͤhrt gleichſam und wandelt uͤber den anmuthigen Rand des Berges
Abyla Barbeful hin, der bey den arabiſchen Dichtern ſo beruͤhmt iſt; von den
weißen Thuͤrmen von Ceuta ſtrahlet die Abendſonne zuruͤck. In jenem flachen Lande
liegt Tangier, das ehemals Großbritannien gehoͤrte. Das neue Algeziras und
die ehrwuͤrdigen Truͤmmer von Carteja ſind Denkmaͤler der Unbeſtaͤndigkeit des ſtets
wechſelnden Gluͤcks. Wie ſchoͤn erhebt das eine ſich aus dem Waſſer, und verbreitet
ſeine ſtolze Mauern unter jenen Waͤldern; der Donner ſeiner Kanonen wird haͤufig
uͤber die ganze Bucht gehoͤrt; da hingegen das beruͤhmte Carteja, eine roͤmiſche Co-
lonie, und Hafen fuͤr ihre Flotten, in ſtillen Ruinen da liegt, und kaum noch einen
Thurm hat, der es verkuͤndigen koͤnnte, was ſie ſonſt war. San Roque, eine
neuere Feſtung der Spanier, ſitzt wie die Koͤniginn der umliegenden Huͤgel, und
uͤberſieht ſie alle. Vier Meilen davon zur Linken modert auf einer ſtolzen Anhoͤhe
Caſtillar, eine Stadt, deren Ruf und Wichtigkeit ſich mit dem mauriſchen Reiche
anfieng und endigte. Vor ſich ſieht man in majeſtaͤtiſcher Hoͤhe die ungeheuern Ge-
birge von Sierra de Ronda, deren Gipfel die Wolken beruͤhren, und deren uͤber-
fluͤßige Fruͤchte und geſunde Luft ihre zahlreichen Einwohner mit Geſundheit und Ue-
berfluß kroͤnen. Unter ihren oͤſtlichen Huͤgeln, nahe bey Munda, ſtritten ſich vor
vielen Jahrhunderten Caͤſar und Pompejens Soͤhne um die Herrſchaft des roͤmi-
ſchen
Reichs; und auf jener azurnen Flaͤche, auf der Hoͤhe von Malaga, behauptete

in
*) Carters Reiſe von Gibraltar nach Malaga im Jahr 1772. Aus dem Engliſchen.
8. 1779. 1ſtes Buch, 7tes Kap.
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[120/0124] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten Die Schoͤnheit dieſes Contraſtes kann man ſich leicht vorſtellen; auf einigen alle Pracht der Gewaͤchſe in dem lebhafteſten Gruͤn; die andern in alle Schreckniſſe des Winters gekleidet. Man ſieht die Verbindung zweyer Jahrszeiten, die wirklich ſo ſehr entgegen ſtehen, als ſie vereint zu ſeyn ſcheinen. Ueber dieſe letztern Huͤgel zeigen ſich die Gebirge des Hochlandes in aller fuͤrchterlichen Majeſtaͤt ihrer vorzuͤglichen Hoͤhe und Groͤße. Crouchets Garten auf dem Felſen von Gibraltar. *) Aus dieſem Garten, der noch hoͤher liegt, als die Feſtung, indem er auf einer Terraſſe gegen den Felſen erhaben iſt, kann man ſechzig Meilen in der Runde ſehen. Eine erſtaunende Ausſicht, die man vielleicht nirgends in der Welt findet. Man er- blickt drey Koͤnigreiche, das große Weltmeer, das um die Erde fließt, und die mit- tellaͤndiſche See, deren aͤußerſte Wellen das heilige Land beſpuͤlen. Auf der einen Seite hat man die Straße, deren Graͤnze das alte Koͤnigreich Mauritanien iſt, und unſer Auge beruͤhrt gleichſam und wandelt uͤber den anmuthigen Rand des Berges Abyla Barbeful hin, der bey den arabiſchen Dichtern ſo beruͤhmt iſt; von den weißen Thuͤrmen von Ceuta ſtrahlet die Abendſonne zuruͤck. In jenem flachen Lande liegt Tangier, das ehemals Großbritannien gehoͤrte. Das neue Algeziras und die ehrwuͤrdigen Truͤmmer von Carteja ſind Denkmaͤler der Unbeſtaͤndigkeit des ſtets wechſelnden Gluͤcks. Wie ſchoͤn erhebt das eine ſich aus dem Waſſer, und verbreitet ſeine ſtolze Mauern unter jenen Waͤldern; der Donner ſeiner Kanonen wird haͤufig uͤber die ganze Bucht gehoͤrt; da hingegen das beruͤhmte Carteja, eine roͤmiſche Co- lonie, und Hafen fuͤr ihre Flotten, in ſtillen Ruinen da liegt, und kaum noch einen Thurm hat, der es verkuͤndigen koͤnnte, was ſie ſonſt war. San Roque, eine neuere Feſtung der Spanier, ſitzt wie die Koͤniginn der umliegenden Huͤgel, und uͤberſieht ſie alle. Vier Meilen davon zur Linken modert auf einer ſtolzen Anhoͤhe Caſtillar, eine Stadt, deren Ruf und Wichtigkeit ſich mit dem mauriſchen Reiche anfieng und endigte. Vor ſich ſieht man in majeſtaͤtiſcher Hoͤhe die ungeheuern Ge- birge von Sierra de Ronda, deren Gipfel die Wolken beruͤhren, und deren uͤber- fluͤßige Fruͤchte und geſunde Luft ihre zahlreichen Einwohner mit Geſundheit und Ue- berfluß kroͤnen. Unter ihren oͤſtlichen Huͤgeln, nahe bey Munda, ſtritten ſich vor vielen Jahrhunderten Caͤſar und Pompejens Soͤhne um die Herrſchaft des roͤmi- ſchen Reichs; und auf jener azurnen Flaͤche, auf der Hoͤhe von Malaga, behauptete in *) Carters Reiſe von Gibraltar nach Malaga im Jahr 1772. Aus dem Engliſchen. 8. 1779. 1ſtes Buch, 7tes Kap.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/124>, abgerufen am 09.11.2024.