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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Vierter Abschnitt.
Gärten nach dem Unterschied der Jahreszeiten.

Richt jede Gegend ist in allen Monaten des Jahres gleich angenehm; ihre Lage
und ihr Charakter machen den Aufenthalt, der in der einen Jahreszeit erfreu-
lich war, in der andern beschwerlich. Die Natur hat jedem Abschnitt des Jahrs
seinen eigenthümlichen Charakter, so wie seine eigenen Pflanzen gegeben. Auch ist
ein jeder von einer Menge von Umständen und Zufälligkeiten begleitet, die nur ihm
zugehören. Es ist daher ein Wink, den selbst die Natur giebt, die Jahreszeiten
bey der Bildung der Gärten in Betrachtung zu ziehen. Ihre fortschreitende Abwech-
selung erhält und erfrischt den Geschmack an den Annehmlichkeiten, die jeder besonders
gewährt. Außerdem können auch persönlicher Geschmack, Bedürfniß, oder Be-
schaffenheit der Gegend, die ein Gartenfreund bewohnt, auf Anlagen dieser Art leiten.
So gewinnen wir Gärten des Frühlings, des Sommers, des Herbstes und selbst
des Winters.

Die ganze Aufmerksamkeit des Gartenkünstlers ist hier angestrengt, um das
Eigenthümliche der Jahreszeit, alles, was in ihrem Charakter Anziehendes und Un-
terhaltendes ist, in seiner größern Schönheit aufzustellen, die vortheilhaften Umstände
und Zufälligkeiten, die sie begleiten, zu sammeln, ihre Wirkungen, so viel die Kunst
vermag, zu stärken, und alles auszuschließen, was nicht mit dem Plan einer solchen
besondern Anlage übereinstimmt. Was demnach die Natur für eine jede Jahreszeit
Charakteristisches, in ihren Landschaften zerstreut, verbreitet, das erscheint in diesen
Gärten gesammelt, vereinigt, verschönert. Die Wirkungen davon haben wohl selten
eine längere Dauer, als in der Landschaft selbst; allein sie sind, durch die Verbindung
und Verstärkung, die sie von der Hand des weisen Gartenkünstlers erhalten, größer
und eindringender.

I.
Frühlingsgarten.
1.

Blühende Anmuth, Heiterkeit und Freude krönet die Jugend des Jahres. Die
Natur, die aus ihrem Schlummer erwacht, feyert die heitersten Tage ihrer
neuen Geburt. Alles ist voll Gefühl, voll Leben, voll Bewegung. Die Thäler und

Fluren
S 2

Vierter Abſchnitt.
Gaͤrten nach dem Unterſchied der Jahreszeiten.

Richt jede Gegend iſt in allen Monaten des Jahres gleich angenehm; ihre Lage
und ihr Charakter machen den Aufenthalt, der in der einen Jahreszeit erfreu-
lich war, in der andern beſchwerlich. Die Natur hat jedem Abſchnitt des Jahrs
ſeinen eigenthuͤmlichen Charakter, ſo wie ſeine eigenen Pflanzen gegeben. Auch iſt
ein jeder von einer Menge von Umſtaͤnden und Zufaͤlligkeiten begleitet, die nur ihm
zugehoͤren. Es iſt daher ein Wink, den ſelbſt die Natur giebt, die Jahreszeiten
bey der Bildung der Gaͤrten in Betrachtung zu ziehen. Ihre fortſchreitende Abwech-
ſelung erhaͤlt und erfriſcht den Geſchmack an den Annehmlichkeiten, die jeder beſonders
gewaͤhrt. Außerdem koͤnnen auch perſoͤnlicher Geſchmack, Beduͤrfniß, oder Be-
ſchaffenheit der Gegend, die ein Gartenfreund bewohnt, auf Anlagen dieſer Art leiten.
So gewinnen wir Gaͤrten des Fruͤhlings, des Sommers, des Herbſtes und ſelbſt
des Winters.

Die ganze Aufmerkſamkeit des Gartenkuͤnſtlers iſt hier angeſtrengt, um das
Eigenthuͤmliche der Jahreszeit, alles, was in ihrem Charakter Anziehendes und Un-
terhaltendes iſt, in ſeiner groͤßern Schoͤnheit aufzuſtellen, die vortheilhaften Umſtaͤnde
und Zufaͤlligkeiten, die ſie begleiten, zu ſammeln, ihre Wirkungen, ſo viel die Kunſt
vermag, zu ſtaͤrken, und alles auszuſchließen, was nicht mit dem Plan einer ſolchen
beſondern Anlage uͤbereinſtimmt. Was demnach die Natur fuͤr eine jede Jahreszeit
Charakteriſtiſches, in ihren Landſchaften zerſtreut, verbreitet, das erſcheint in dieſen
Gaͤrten geſammelt, vereinigt, verſchoͤnert. Die Wirkungen davon haben wohl ſelten
eine laͤngere Dauer, als in der Landſchaft ſelbſt; allein ſie ſind, durch die Verbindung
und Verſtaͤrkung, die ſie von der Hand des weiſen Gartenkuͤnſtlers erhalten, groͤßer
und eindringender.

I.
Fruͤhlingsgarten.
1.

Bluͤhende Anmuth, Heiterkeit und Freude kroͤnet die Jugend des Jahres. Die
Natur, die aus ihrem Schlummer erwacht, feyert die heiterſten Tage ihrer
neuen Geburt. Alles iſt voll Gefuͤhl, voll Leben, voll Bewegung. Die Thaͤler und

Fluren
S 2
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[139/0143] Vierter Abſchnitt. Gaͤrten nach dem Unterſchied der Jahreszeiten. Richt jede Gegend iſt in allen Monaten des Jahres gleich angenehm; ihre Lage und ihr Charakter machen den Aufenthalt, der in der einen Jahreszeit erfreu- lich war, in der andern beſchwerlich. Die Natur hat jedem Abſchnitt des Jahrs ſeinen eigenthuͤmlichen Charakter, ſo wie ſeine eigenen Pflanzen gegeben. Auch iſt ein jeder von einer Menge von Umſtaͤnden und Zufaͤlligkeiten begleitet, die nur ihm zugehoͤren. Es iſt daher ein Wink, den ſelbſt die Natur giebt, die Jahreszeiten bey der Bildung der Gaͤrten in Betrachtung zu ziehen. Ihre fortſchreitende Abwech- ſelung erhaͤlt und erfriſcht den Geſchmack an den Annehmlichkeiten, die jeder beſonders gewaͤhrt. Außerdem koͤnnen auch perſoͤnlicher Geſchmack, Beduͤrfniß, oder Be- ſchaffenheit der Gegend, die ein Gartenfreund bewohnt, auf Anlagen dieſer Art leiten. So gewinnen wir Gaͤrten des Fruͤhlings, des Sommers, des Herbſtes und ſelbſt des Winters. Die ganze Aufmerkſamkeit des Gartenkuͤnſtlers iſt hier angeſtrengt, um das Eigenthuͤmliche der Jahreszeit, alles, was in ihrem Charakter Anziehendes und Un- terhaltendes iſt, in ſeiner groͤßern Schoͤnheit aufzuſtellen, die vortheilhaften Umſtaͤnde und Zufaͤlligkeiten, die ſie begleiten, zu ſammeln, ihre Wirkungen, ſo viel die Kunſt vermag, zu ſtaͤrken, und alles auszuſchließen, was nicht mit dem Plan einer ſolchen beſondern Anlage uͤbereinſtimmt. Was demnach die Natur fuͤr eine jede Jahreszeit Charakteriſtiſches, in ihren Landſchaften zerſtreut, verbreitet, das erſcheint in dieſen Gaͤrten geſammelt, vereinigt, verſchoͤnert. Die Wirkungen davon haben wohl ſelten eine laͤngere Dauer, als in der Landſchaft ſelbſt; allein ſie ſind, durch die Verbindung und Verſtaͤrkung, die ſie von der Hand des weiſen Gartenkuͤnſtlers erhalten, groͤßer und eindringender. I. Fruͤhlingsgarten. 1. Bluͤhende Anmuth, Heiterkeit und Freude kroͤnet die Jugend des Jahres. Die Natur, die aus ihrem Schlummer erwacht, feyert die heiterſten Tage ihrer neuen Geburt. Alles iſt voll Gefuͤhl, voll Leben, voll Bewegung. Die Thaͤler und Fluren S 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/143>, abgerufen am 28.11.2024.