Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

von Gärten.
ehrwürdigen Stämmen grünen frische Grasplätze; und die Lichter, die bald durch die
obern Laubdecken durchschleichen, bald frey durch große Oeffnungen herabfallen, bilden
zwischen den Stellen, worüber eine beständige Dämmerung schwebt, dem Auge ein
anmuthiges Schauspiel vor. Man hat zugleich nach dem obern Rande des Parks
hin durch die Bäume angenehm gebrochne Durchsichten in kleine angränzende Gärten
und Landhäuser. Man schlägt aus diesem Revier in einen langen geraden Weg ein,
der mit jungen Eichen besetzt ist, und zu dem dritten Wald leitet, den man hier die
eine Seite des Feldes und der Wiese zirkelförmig umkränzen sieht, indeß auf der an-
dern Seite oben der zweyte Wald erscheint. Man hat auf dem Wege selbst zur Lin-
ken einen Hayn von jungen Eichen, und zur Rechten die anliegende Kornflur. Und
über diese hin wird das Auge von der Spitze des bedeckten Sitzes und von den Zelten
gelockt, die von dem Walde, wohin man geht, herschimmern. Gerade vor sich er-
blickt man auf seinem Wege am äußersten Ende ein Gebäude, dessen weiße Farbe zwi-
schen den Gebüschen hervorbricht und den Spatzierenden freundlich einladet. Es ist
offen mit freystehenden Pfeilern von Holz leicht und angenehm erbauet, und bietet ei-
nen geliebten Ruhesitz an. Indem man sich hier niederlassen will, hebt eine Inschrift
an einer Tafel, die über der Bank hängt, noch mehr das Gefühl von den Vorzügen
des Landlebens.
Hier, Freund, verstummt der letzte Laut
Vom tollen, städtischen Getümmel;
Wohin dein Fuß sich lenkt, wohin dein Auge schaut,
Liegt schönre Bahn vor dir, glänzt dir ein heitrer Himmel.
Die reine Luft, die deinem Kinn
Liebkosend hier entgegen schwebet,
Wie still ist sie! Kein Laut von Unsinn ist darinn,
Kein Dampf, der auf dem Haupt gedrängter Städte schwebet.

Von diesem Ruhesitz kehrt man seitwärts in die Spatziergänge des dritten Wal-
des ein. Dieser Wald ist weit größer, als die beyden ersten, und von einem sehr
weitläuftigen Umfang. Er wechselt mit Gebüschen und mit Bäumen ab, und hat
viel Wasser, das in Bächen gesammelt ist, worüber weiß angestrichene Brücken füh-
ren, die einen anmuthigen Contrast zwischen dem Grün machen. Eine Landstraße
durchschneidet den Wald ungefähr in der Mitte. Die Spatziergänge winden sich in
beständigen Krümmungen dahin. Man wird bald von einem Gegenstande angehal-
ten, dessen Bestimmung unbekannt ist, indem man zwischen umhüllenden Gebüschen,

die
E e 2

von Gaͤrten.
ehrwuͤrdigen Staͤmmen gruͤnen friſche Grasplaͤtze; und die Lichter, die bald durch die
obern Laubdecken durchſchleichen, bald frey durch große Oeffnungen herabfallen, bilden
zwiſchen den Stellen, woruͤber eine beſtaͤndige Daͤmmerung ſchwebt, dem Auge ein
anmuthiges Schauſpiel vor. Man hat zugleich nach dem obern Rande des Parks
hin durch die Baͤume angenehm gebrochne Durchſichten in kleine angraͤnzende Gaͤrten
und Landhaͤuſer. Man ſchlaͤgt aus dieſem Revier in einen langen geraden Weg ein,
der mit jungen Eichen beſetzt iſt, und zu dem dritten Wald leitet, den man hier die
eine Seite des Feldes und der Wieſe zirkelfoͤrmig umkraͤnzen ſieht, indeß auf der an-
dern Seite oben der zweyte Wald erſcheint. Man hat auf dem Wege ſelbſt zur Lin-
ken einen Hayn von jungen Eichen, und zur Rechten die anliegende Kornflur. Und
uͤber dieſe hin wird das Auge von der Spitze des bedeckten Sitzes und von den Zelten
gelockt, die von dem Walde, wohin man geht, herſchimmern. Gerade vor ſich er-
blickt man auf ſeinem Wege am aͤußerſten Ende ein Gebaͤude, deſſen weiße Farbe zwi-
ſchen den Gebuͤſchen hervorbricht und den Spatzierenden freundlich einladet. Es iſt
offen mit freyſtehenden Pfeilern von Holz leicht und angenehm erbauet, und bietet ei-
nen geliebten Ruheſitz an. Indem man ſich hier niederlaſſen will, hebt eine Inſchrift
an einer Tafel, die uͤber der Bank haͤngt, noch mehr das Gefuͤhl von den Vorzuͤgen
des Landlebens.
Hier, Freund, verſtummt der letzte Laut
Vom tollen, ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel;
Wohin dein Fuß ſich lenkt, wohin dein Auge ſchaut,
Liegt ſchoͤnre Bahn vor dir, glaͤnzt dir ein heitrer Himmel.
Die reine Luft, die deinem Kinn
Liebkoſend hier entgegen ſchwebet,
Wie ſtill iſt ſie! Kein Laut von Unſinn iſt darinn,
Kein Dampf, der auf dem Haupt gedraͤngter Staͤdte ſchwebet.

Von dieſem Ruheſitz kehrt man ſeitwaͤrts in die Spatziergaͤnge des dritten Wal-
des ein. Dieſer Wald iſt weit groͤßer, als die beyden erſten, und von einem ſehr
weitlaͤuftigen Umfang. Er wechſelt mit Gebuͤſchen und mit Baͤumen ab, und hat
viel Waſſer, das in Baͤchen geſammelt iſt, woruͤber weiß angeſtrichene Bruͤcken fuͤh-
ren, die einen anmuthigen Contraſt zwiſchen dem Gruͤn machen. Eine Landſtraße
durchſchneidet den Wald ungefaͤhr in der Mitte. Die Spatziergaͤnge winden ſich in
beſtaͤndigen Kruͤmmungen dahin. Man wird bald von einem Gegenſtande angehal-
ten, deſſen Beſtimmung unbekannt iſt, indem man zwiſchen umhuͤllenden Gebuͤſchen,

die
E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="219"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Ga&#x0364;rten.</hi></fw><lb/>
ehrwu&#x0364;rdigen Sta&#x0364;mmen gru&#x0364;nen fri&#x017F;che Graspla&#x0364;tze; und die Lichter, die bald durch die<lb/>
obern Laubdecken durch&#x017F;chleichen, bald frey durch große Oeffnungen herabfallen, bilden<lb/>
zwi&#x017F;chen den Stellen, woru&#x0364;ber eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Da&#x0364;mmerung &#x017F;chwebt, dem Auge ein<lb/>
anmuthiges Schau&#x017F;piel vor. Man hat zugleich nach dem obern Rande des Parks<lb/>
hin durch die Ba&#x0364;ume angenehm gebrochne Durch&#x017F;ichten in kleine angra&#x0364;nzende Ga&#x0364;rten<lb/>
und Landha&#x0364;u&#x017F;er. Man &#x017F;chla&#x0364;gt aus die&#x017F;em Revier in einen langen geraden Weg ein,<lb/>
der mit jungen Eichen be&#x017F;etzt i&#x017F;t, und zu dem dritten Wald leitet, den man hier die<lb/>
eine Seite des Feldes und der Wie&#x017F;e zirkelfo&#x0364;rmig umkra&#x0364;nzen &#x017F;ieht, indeß auf der an-<lb/>
dern Seite oben der zweyte Wald er&#x017F;cheint. Man hat auf dem Wege &#x017F;elb&#x017F;t zur Lin-<lb/>
ken einen Hayn von jungen Eichen, und zur Rechten die anliegende Kornflur. Und<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;e hin wird das Auge von der Spitze des bedeckten Sitzes und von den Zelten<lb/>
gelockt, die von dem Walde, wohin man geht, her&#x017F;chimmern. Gerade vor &#x017F;ich er-<lb/>
blickt man auf &#x017F;einem Wege am a&#x0364;ußer&#x017F;ten Ende ein Geba&#x0364;ude, de&#x017F;&#x017F;en weiße Farbe zwi-<lb/>
&#x017F;chen den Gebu&#x0364;&#x017F;chen hervorbricht und den Spatzierenden freundlich einladet. Es i&#x017F;t<lb/>
offen mit frey&#x017F;tehenden Pfeilern von Holz leicht und angenehm erbauet, und bietet ei-<lb/>
nen geliebten Ruhe&#x017F;itz an. Indem man &#x017F;ich hier niederla&#x017F;&#x017F;en will, hebt eine In&#x017F;chrift<lb/>
an einer Tafel, die u&#x0364;ber der Bank ha&#x0364;ngt, noch mehr das Gefu&#x0364;hl von den Vorzu&#x0364;gen<lb/>
des Landlebens.<lb/><quote><hi rendition="#et">Hier, Freund, ver&#x017F;tummt der letzte Laut<lb/>
Vom tollen, &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen Getu&#x0364;mmel;<lb/>
Wohin dein Fuß &#x017F;ich lenkt, wohin dein Auge &#x017F;chaut,<lb/>
Liegt &#x017F;cho&#x0364;nre Bahn vor dir, gla&#x0364;nzt dir ein heitrer Himmel.<lb/>
Die reine Luft, die deinem Kinn<lb/>
Liebko&#x017F;end hier entgegen &#x017F;chwebet,<lb/>
Wie &#x017F;till i&#x017F;t &#x017F;ie! Kein Laut von Un&#x017F;inn i&#x017F;t darinn,<lb/>
Kein Dampf, der auf dem Haupt gedra&#x0364;ngter Sta&#x0364;dte &#x017F;chwebet.</hi></quote></p><lb/>
          <p>Von die&#x017F;em Ruhe&#x017F;itz kehrt man &#x017F;eitwa&#x0364;rts in die Spatzierga&#x0364;nge des dritten Wal-<lb/>
des ein. Die&#x017F;er Wald i&#x017F;t weit gro&#x0364;ßer, als die beyden er&#x017F;ten, und von einem &#x017F;ehr<lb/>
weitla&#x0364;uftigen Umfang. Er wech&#x017F;elt mit Gebu&#x0364;&#x017F;chen und mit Ba&#x0364;umen ab, und hat<lb/>
viel Wa&#x017F;&#x017F;er, das in Ba&#x0364;chen ge&#x017F;ammelt i&#x017F;t, woru&#x0364;ber weiß ange&#x017F;trichene Bru&#x0364;cken fu&#x0364;h-<lb/>
ren, die einen anmuthigen Contra&#x017F;t zwi&#x017F;chen dem Gru&#x0364;n machen. Eine Land&#x017F;traße<lb/>
durch&#x017F;chneidet den Wald ungefa&#x0364;hr in der Mitte. Die Spatzierga&#x0364;nge winden &#x017F;ich in<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Kru&#x0364;mmungen dahin. Man wird bald von einem Gegen&#x017F;tande angehal-<lb/>
ten, de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;timmung unbekannt i&#x017F;t, indem man zwi&#x017F;chen umhu&#x0364;llenden Gebu&#x0364;&#x017F;chen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0223] von Gaͤrten. ehrwuͤrdigen Staͤmmen gruͤnen friſche Grasplaͤtze; und die Lichter, die bald durch die obern Laubdecken durchſchleichen, bald frey durch große Oeffnungen herabfallen, bilden zwiſchen den Stellen, woruͤber eine beſtaͤndige Daͤmmerung ſchwebt, dem Auge ein anmuthiges Schauſpiel vor. Man hat zugleich nach dem obern Rande des Parks hin durch die Baͤume angenehm gebrochne Durchſichten in kleine angraͤnzende Gaͤrten und Landhaͤuſer. Man ſchlaͤgt aus dieſem Revier in einen langen geraden Weg ein, der mit jungen Eichen beſetzt iſt, und zu dem dritten Wald leitet, den man hier die eine Seite des Feldes und der Wieſe zirkelfoͤrmig umkraͤnzen ſieht, indeß auf der an- dern Seite oben der zweyte Wald erſcheint. Man hat auf dem Wege ſelbſt zur Lin- ken einen Hayn von jungen Eichen, und zur Rechten die anliegende Kornflur. Und uͤber dieſe hin wird das Auge von der Spitze des bedeckten Sitzes und von den Zelten gelockt, die von dem Walde, wohin man geht, herſchimmern. Gerade vor ſich er- blickt man auf ſeinem Wege am aͤußerſten Ende ein Gebaͤude, deſſen weiße Farbe zwi- ſchen den Gebuͤſchen hervorbricht und den Spatzierenden freundlich einladet. Es iſt offen mit freyſtehenden Pfeilern von Holz leicht und angenehm erbauet, und bietet ei- nen geliebten Ruheſitz an. Indem man ſich hier niederlaſſen will, hebt eine Inſchrift an einer Tafel, die uͤber der Bank haͤngt, noch mehr das Gefuͤhl von den Vorzuͤgen des Landlebens. Hier, Freund, verſtummt der letzte Laut Vom tollen, ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel; Wohin dein Fuß ſich lenkt, wohin dein Auge ſchaut, Liegt ſchoͤnre Bahn vor dir, glaͤnzt dir ein heitrer Himmel. Die reine Luft, die deinem Kinn Liebkoſend hier entgegen ſchwebet, Wie ſtill iſt ſie! Kein Laut von Unſinn iſt darinn, Kein Dampf, der auf dem Haupt gedraͤngter Staͤdte ſchwebet. Von dieſem Ruheſitz kehrt man ſeitwaͤrts in die Spatziergaͤnge des dritten Wal- des ein. Dieſer Wald iſt weit groͤßer, als die beyden erſten, und von einem ſehr weitlaͤuftigen Umfang. Er wechſelt mit Gebuͤſchen und mit Baͤumen ab, und hat viel Waſſer, das in Baͤchen geſammelt iſt, woruͤber weiß angeſtrichene Bruͤcken fuͤh- ren, die einen anmuthigen Contraſt zwiſchen dem Gruͤn machen. Eine Landſtraße durchſchneidet den Wald ungefaͤhr in der Mitte. Die Spatziergaͤnge winden ſich in beſtaͤndigen Kruͤmmungen dahin. Man wird bald von einem Gegenſtande angehal- ten, deſſen Beſtimmung unbekannt iſt, indem man zwiſchen umhuͤllenden Gebuͤſchen, die E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/223
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/223>, abgerufen am 10.05.2024.