Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Erster Abschn. Gärten nach dem Unterschied des Klima. Der Römer verlängerte seine Villen so gerne eine Strecke in das mittelländi- Die Springbrunnen sind eine Erfindung warmer Länder. Die Römer lieb- Die morgenländischen Gärten suchten mit Recht die Erfrischung kühler In Spanien, wo viele der schönsten Bäume und Gartenblumen, z. B. die In den brittischen Gärten macht die Vielheit der Rasen, deren vortreffliches In Ländern unter einem kalten oder gemäßigten Himmelsstrich ist der Spatzier- Soll die Nachäffung eines eingebildeten Ideals chinesischer Gärten und ihrer Zweyter
Erſter Abſchn. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima. Der Roͤmer verlaͤngerte ſeine Villen ſo gerne eine Strecke in das mittellaͤndi- Die Springbrunnen ſind eine Erfindung warmer Laͤnder. Die Roͤmer lieb- Die morgenlaͤndiſchen Gaͤrten ſuchten mit Recht die Erfriſchung kuͤhler In Spanien, wo viele der ſchoͤnſten Baͤume und Gartenblumen, z. B. die In den brittiſchen Gaͤrten macht die Vielheit der Raſen, deren vortreffliches In Laͤndern unter einem kalten oder gemaͤßigten Himmelsſtrich iſt der Spatzier- Soll die Nachaͤffung eines eingebildeten Ideals chineſiſcher Gaͤrten und ihrer Zweyter
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Erſter Abſchn. Gaͤrten nach dem Unterſchied des Klima.
Der Roͤmer verlaͤngerte ſeine Villen ſo gerne eine Strecke in das mittellaͤndi-
ſche Meer hinein, um die Kuͤhlungen dieſer Lage zu genießen. Was wuͤrde man von
einem Daͤnen ſagen, wenn er ſeinen Landſitz in die Nordſee hinein bauete?
Die Springbrunnen ſind eine Erfindung warmer Laͤnder. Die Roͤmer lieb-
ten ſie in Italien; und die Mauren fuͤhrten ſie in Spanien ein, wo ſie noch, der
erfriſchenden Kuͤhlung wegen, nicht blos in den Gaͤrten, ſondern auch in den innern
Hoͤfen der Wohnhaͤuſer haͤufig plaͤtſchern. Es war aber nicht Ueberlegung, ſondern
Nachahmungsſucht, die dieſe Fontainen im kalten Norden ſo ſehr vervielfaͤltigte, daß
man ehemals, wie z. B. in Schweden, ohne ſie keinen Garten ſchoͤn finden konnte.
Die morgenlaͤndiſchen Gaͤrten ſuchten mit Recht die Erfriſchung kuͤhler
Quellen, rieſelnder Baͤche, reicher Waſſerleitungen; der Hollaͤnder, deſſen Land
ſchon einen Ueberfluß von Kanaͤlen und Feuchtigkeiten hatte, leitete ſie nicht blos ge-
gen die Natur, ſondern auch gegen die Regel der Geſundheit, in ſeine Gaͤrten ein.
In Spanien, wo viele der ſchoͤnſten Baͤume und Gartenblumen, z. B. die
Myrte, der Mandelbaum, der Feigenbaum, die Lilie, die Nelke und verſchiedene
Roſen, wild wachſen, koͤnnen die Gaͤrten ihre Cultur entbehren; allein in Deutſchland
wird ſie ein Geſchaͤffte des Gartenfreundes.
In den brittiſchen Gaͤrten macht die Vielheit der Raſen, deren vortreffliches
Gruͤn von der Feuchtigkeit des Klima beguͤnſtigt wird, eine vorzuͤgliche Schoͤnheit
aus; allein unter dem Himmelsſtrich von Frankreich und noch mehr von Italien
muß man wenigſtens einen Theil dieſes landſchaftlichen Reizes aufgeben.
In Laͤndern unter einem kalten oder gemaͤßigten Himmelsſtrich iſt der Spatzier-
gang, der ſich in die freyen Irrgaͤrten der Natur verliert, uͤberaus ergoͤtzend; allein
unter der heißen Zone liebt der Gartenfreund ruhige Bequemlichkeit und unbewegli-
ches Sitzen unter tiefen Ueberſchattungen. Ein dichter Hayn mit wild in einander
ſich verwickelnden Baͤumen und dunklen, den Sonnenſtrahlen undurchdringlichen,
Schattenuͤberwoͤlbungen iſt hier oft allein der Garten, den man ſucht. In Oſtin-
dien, wo die Natur durch eine außerordentliche Groͤße und Ausdehnung der Baͤume
fuͤr das Beduͤrfniß des Klima geſorgt hat, macht zuweilen ein einziger Stamm, wie
der Affenbrodbaum und der Baum der Banianen oder der Pagodenbaum, einen Luſt-
wald aus, worunter ganze Geſellſchaften Schirm vor der Hitze des Tages finden.
Soll die Nachaͤffung eines eingebildeten Ideals chineſiſcher Gaͤrten und ihrer
Gebaͤude noch laͤnger die Geſchichte unſrer Thorheiten erweitern? Der Englaͤnder
hat mit Stolz ſeinen engliſchen Garten. Der Franzoſe will bald einen engliſchen,
bald einen chineſiſchen Garten haben. Und der Deutſche, der einen deutſchen
Garten haben koͤnnte, was will er?
Zweyter
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