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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.
ich nach so vielen Freuden ein Aufenthalt unendlicher Schmerzen geworden
bin. Hier sah ich vordem meine Schöne, und auf eben diesen Spuren
komm ich jetzt zurück, den Ort zu betrachten, von dem sich ihr entblößter
Geist zum Himmel erhob, und seine schöne Kleidung der Erde ließ."

"Wenn ich die Klagen der Vögel, oder das sanfte Geräusch grüner Zwei-
ge bey kühlen Sommerlüften, oder das rauhe Gemurmel einer glänzenden
Quelle längst dem blühenden und kühlen Ufer höre, da, wo ich, vor Liebe
tiefsinnig, mich hinsetze und schreibe; da sehe ich, da höre ich noch diejenige,
die uns der Himmel gezeigt, und jetzt die Erde verbirgt; denn noch lebend
antwortet sie aus einer solchen Entfernung auf meine Seufzer. O! warum
verzehrst du dich vor der Zeit? sagt sie mir voll Mitleiden; wozu vergießest
du einen Strom von Betrübniß aus deinen traurigen Augen? Weine nicht
über mich; denn meine Tage sind ewig geworden, da ich starb, und meine
Augen haben sich dem unvergänglichen Lichte geöffnet, da ich sie zu schlie-
ßen schien."

"Auf den Schwingen der Gedanken erhob sich mein Geist zu jenen Hö-
hen, wo diejenige wohnt, die ich suche und auf Erden nicht mehr finde.
Hier sah ich sie unter denen, welche die dritte Sphäre bewohnen, noch schö-
ner als vorher, und weniger stolz. Sie nahm mich bey der Hand, und
sagte: An diesen Orten wirst du noch mit mir seyn, wenn meine Sehnsucht
mich nicht täuschet. Ich bin diejenige, welche dir so manchen Kampf ver-
ursacht, und mein Tagwerk noch vor dem Abend beschlossen. Meine Glück-
seligkeit fasset kein menschlicher Verstand; ich erwarte nur noch dich, und
jenen, den du so sehr geliebt, der auf der Erde zurückgeblieben, meinen schö-
nen irdischen Schleyer -- Ach! warum schwieg sie? warum zog sie die
Hand zurück? denn bey dem Schalle dieser so liebreichen, so keuschen Worte,
fehlte wenig, daß ich nicht schon im Himmel blieb."

"Was machst du? Was denkst du? Warum siehst du noch rückwärts
in die Zeit, die niemals mehr zurückkommen kann, trostlose Seele? Warum
giebst du der Flamme, von der du brennest, noch Nahrung? Die lieblichen
Worte, die sanften Blicke, die du einen nach dem andern geschildert hast,
sind von der Erde verschwunden; und es ist nun zu spät, sie mehr zu suchen.
O! erneure nicht mehr den tödtenden Schmerz; folge nicht länger dem rei-
zenden, verführenden Gedanken, folge einem festern und sicherern, der uns

zu
IV Band. M

nach dem Charakter der Gegenden.
ich nach ſo vielen Freuden ein Aufenthalt unendlicher Schmerzen geworden
bin. Hier ſah ich vordem meine Schoͤne, und auf eben dieſen Spuren
komm ich jetzt zuruͤck, den Ort zu betrachten, von dem ſich ihr entbloͤßter
Geiſt zum Himmel erhob, und ſeine ſchoͤne Kleidung der Erde ließ.“

„Wenn ich die Klagen der Voͤgel, oder das ſanfte Geraͤuſch gruͤner Zwei-
ge bey kuͤhlen Sommerluͤften, oder das rauhe Gemurmel einer glaͤnzenden
Quelle laͤngſt dem bluͤhenden und kuͤhlen Ufer hoͤre, da, wo ich, vor Liebe
tiefſinnig, mich hinſetze und ſchreibe; da ſehe ich, da hoͤre ich noch diejenige,
die uns der Himmel gezeigt, und jetzt die Erde verbirgt; denn noch lebend
antwortet ſie aus einer ſolchen Entfernung auf meine Seufzer. O! warum
verzehrſt du dich vor der Zeit? ſagt ſie mir voll Mitleiden; wozu vergießeſt
du einen Strom von Betruͤbniß aus deinen traurigen Augen? Weine nicht
uͤber mich; denn meine Tage ſind ewig geworden, da ich ſtarb, und meine
Augen haben ſich dem unvergaͤnglichen Lichte geoͤffnet, da ich ſie zu ſchlie-
ßen ſchien.“

„Auf den Schwingen der Gedanken erhob ſich mein Geiſt zu jenen Hoͤ-
hen, wo diejenige wohnt, die ich ſuche und auf Erden nicht mehr finde.
Hier ſah ich ſie unter denen, welche die dritte Sphaͤre bewohnen, noch ſchoͤ-
ner als vorher, und weniger ſtolz. Sie nahm mich bey der Hand, und
ſagte: An dieſen Orten wirſt du noch mit mir ſeyn, wenn meine Sehnſucht
mich nicht taͤuſchet. Ich bin diejenige, welche dir ſo manchen Kampf ver-
urſacht, und mein Tagwerk noch vor dem Abend beſchloſſen. Meine Gluͤck-
ſeligkeit faſſet kein menſchlicher Verſtand; ich erwarte nur noch dich, und
jenen, den du ſo ſehr geliebt, der auf der Erde zuruͤckgeblieben, meinen ſchoͤ-
nen irdiſchen Schleyer — Ach! warum ſchwieg ſie? warum zog ſie die
Hand zuruͤck? denn bey dem Schalle dieſer ſo liebreichen, ſo keuſchen Worte,
fehlte wenig, daß ich nicht ſchon im Himmel blieb.“

„Was machſt du? Was denkſt du? Warum ſiehſt du noch ruͤckwaͤrts
in die Zeit, die niemals mehr zuruͤckkommen kann, troſtloſe Seele? Warum
giebſt du der Flamme, von der du brenneſt, noch Nahrung? Die lieblichen
Worte, die ſanften Blicke, die du einen nach dem andern geſchildert haſt,
ſind von der Erde verſchwunden; und es iſt nun zu ſpaͤt, ſie mehr zu ſuchen.
O! erneure nicht mehr den toͤdtenden Schmerz; folge nicht laͤnger dem rei-
zenden, verfuͤhrenden Gedanken, folge einem feſtern und ſicherern, der uns

zu
IV Band. M
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[89/0093] nach dem Charakter der Gegenden. ich nach ſo vielen Freuden ein Aufenthalt unendlicher Schmerzen geworden bin. Hier ſah ich vordem meine Schoͤne, und auf eben dieſen Spuren komm ich jetzt zuruͤck, den Ort zu betrachten, von dem ſich ihr entbloͤßter Geiſt zum Himmel erhob, und ſeine ſchoͤne Kleidung der Erde ließ.“ „Wenn ich die Klagen der Voͤgel, oder das ſanfte Geraͤuſch gruͤner Zwei- ge bey kuͤhlen Sommerluͤften, oder das rauhe Gemurmel einer glaͤnzenden Quelle laͤngſt dem bluͤhenden und kuͤhlen Ufer hoͤre, da, wo ich, vor Liebe tiefſinnig, mich hinſetze und ſchreibe; da ſehe ich, da hoͤre ich noch diejenige, die uns der Himmel gezeigt, und jetzt die Erde verbirgt; denn noch lebend antwortet ſie aus einer ſolchen Entfernung auf meine Seufzer. O! warum verzehrſt du dich vor der Zeit? ſagt ſie mir voll Mitleiden; wozu vergießeſt du einen Strom von Betruͤbniß aus deinen traurigen Augen? Weine nicht uͤber mich; denn meine Tage ſind ewig geworden, da ich ſtarb, und meine Augen haben ſich dem unvergaͤnglichen Lichte geoͤffnet, da ich ſie zu ſchlie- ßen ſchien.“ „Auf den Schwingen der Gedanken erhob ſich mein Geiſt zu jenen Hoͤ- hen, wo diejenige wohnt, die ich ſuche und auf Erden nicht mehr finde. Hier ſah ich ſie unter denen, welche die dritte Sphaͤre bewohnen, noch ſchoͤ- ner als vorher, und weniger ſtolz. Sie nahm mich bey der Hand, und ſagte: An dieſen Orten wirſt du noch mit mir ſeyn, wenn meine Sehnſucht mich nicht taͤuſchet. Ich bin diejenige, welche dir ſo manchen Kampf ver- urſacht, und mein Tagwerk noch vor dem Abend beſchloſſen. Meine Gluͤck- ſeligkeit faſſet kein menſchlicher Verſtand; ich erwarte nur noch dich, und jenen, den du ſo ſehr geliebt, der auf der Erde zuruͤckgeblieben, meinen ſchoͤ- nen irdiſchen Schleyer — Ach! warum ſchwieg ſie? warum zog ſie die Hand zuruͤck? denn bey dem Schalle dieſer ſo liebreichen, ſo keuſchen Worte, fehlte wenig, daß ich nicht ſchon im Himmel blieb.“ „Was machſt du? Was denkſt du? Warum ſiehſt du noch ruͤckwaͤrts in die Zeit, die niemals mehr zuruͤckkommen kann, troſtloſe Seele? Warum giebſt du der Flamme, von der du brenneſt, noch Nahrung? Die lieblichen Worte, die ſanften Blicke, die du einen nach dem andern geſchildert haſt, ſind von der Erde verſchwunden; und es iſt nun zu ſpaͤt, ſie mehr zu ſuchen. O! erneure nicht mehr den toͤdtenden Schmerz; folge nicht laͤnger dem rei- zenden, verfuͤhrenden Gedanken, folge einem feſtern und ſicherern, der uns zu IV Band. M

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/93>, abgerufen am 21.11.2024.