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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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von besondern Bestimmungen abhängig ist.
sie aus den Händen der Natur als Skizze weggelegt worden, ist alsdann für uns voll
von verführerischen Reizen, die uns mit weichen unmerklichen Rosenketten am un-
schuldigen Vergnügen fesseln. Deswegen habe ich nie eine Gegend so, wie Schlan-
genbad,
geliebt, und werde alle die Gegenden immer vorzüglich lieben, wo die Na-
tur, gleichsam als in ihrer Werkstätte, alles durcheinander geworfen, und in jeder
dieser Skizzen die Größe des Unendlichen zeigt. Immer werden die Bilder dieses
Edens, immer die Erinnerung der dort genossenen stillen Freuden mir ein Trost in
trüben und ein Zuwachs von Freude in heitern Stunden seyn."

Schwalbach.

Die Berge, die das lange Thal von Schwalbach umgeben, sind nicht so
hoch, als um Ems, aber meistens kahl und ohne Schönheit. Doch spreiten sie sich
hier aus einander und lassen die Heiterkeit des Himmels und erfrischende Lüfte herein-
kommen. Das freye Eindringen der kühlenden Luft ist an diesem Orte, wo so we-
nig von der Natur, als von dem Menschen für das Bedürfniß des Schattens gesorgt
ist, eine doppelte Wohlthat. Das Auge hat zu seiner Erquickung fast nichts an-
ders, als den erfreulichen Anblick der Wiesen, die das Thal bekleiden.

An diesem Brunnenort ist fast gar keine Aufmerksamkeit für die Fremden, die
hier doch aus allen umliegenden Gegenden zusammenströmen, sichtbar. Der einzige
öffentliche Versammlungssaal ist ein Muster von geschmackloser Bauart und schlech-
ter Ausmöblirung, und liegt halb in Ruinen. Die Brunnengäste wohnen und spei-
sen in Privathäusern, die oft voll Schmutz und Unreinigkeit sind. Einige elende Ar-
caden bey dem Weinbrunnen und dem rothenburgischen Hause können den Mangel
des Schattens nicht ersetzen, der hier so sehr empfunden wird. Bey der weitern Ab-
gelegenheit des letztern schmachtet der Brunnentrinker oft unter einer unerträglichen
Hitze, und bey allem Raum zur Anpflanzung, der nun wüste liegt, hat er nichts,
als einige schlechte Hecken, die oben offen sind und nicht schatten. Blos eine einzige
Allee ist da, die nichts schönes, aber doch einen guten Schatten hat; allein sie liegt
von den Quellen entfernt, zu welchen der Kranke einen sehr beschwerlichen Weg ma-
chen muß. Bey einer solchen Verfassung, welche die Erwartung der Siechen so we-
nig befriedigt, hat dieser berühmte Brunnenort keinen andern Reiz, als für Juden,
Pfaffen und Spieler, die sich am meisten in dieser Pfütze herumwälzen.

Wisbaden.

Wisbaden liegt in einer niedrigen Ebene, und in einer Gegend, die keine
besondern Annehmlichkeiten in sich faßt, sondern sie erst in der Nachbarschaft und in

einiger

von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
ſie aus den Haͤnden der Natur als Skizze weggelegt worden, iſt alsdann fuͤr uns voll
von verfuͤhreriſchen Reizen, die uns mit weichen unmerklichen Roſenketten am un-
ſchuldigen Vergnuͤgen feſſeln. Deswegen habe ich nie eine Gegend ſo, wie Schlan-
genbad,
geliebt, und werde alle die Gegenden immer vorzuͤglich lieben, wo die Na-
tur, gleichſam als in ihrer Werkſtaͤtte, alles durcheinander geworfen, und in jeder
dieſer Skizzen die Groͤße des Unendlichen zeigt. Immer werden die Bilder dieſes
Edens, immer die Erinnerung der dort genoſſenen ſtillen Freuden mir ein Troſt in
truͤben und ein Zuwachs von Freude in heitern Stunden ſeyn.“

Schwalbach.

Die Berge, die das lange Thal von Schwalbach umgeben, ſind nicht ſo
hoch, als um Ems, aber meiſtens kahl und ohne Schoͤnheit. Doch ſpreiten ſie ſich
hier aus einander und laſſen die Heiterkeit des Himmels und erfriſchende Luͤfte herein-
kommen. Das freye Eindringen der kuͤhlenden Luft iſt an dieſem Orte, wo ſo we-
nig von der Natur, als von dem Menſchen fuͤr das Beduͤrfniß des Schattens geſorgt
iſt, eine doppelte Wohlthat. Das Auge hat zu ſeiner Erquickung faſt nichts an-
ders, als den erfreulichen Anblick der Wieſen, die das Thal bekleiden.

An dieſem Brunnenort iſt faſt gar keine Aufmerkſamkeit fuͤr die Fremden, die
hier doch aus allen umliegenden Gegenden zuſammenſtroͤmen, ſichtbar. Der einzige
oͤffentliche Verſammlungsſaal iſt ein Muſter von geſchmackloſer Bauart und ſchlech-
ter Ausmoͤblirung, und liegt halb in Ruinen. Die Brunnengaͤſte wohnen und ſpei-
ſen in Privathaͤuſern, die oft voll Schmutz und Unreinigkeit ſind. Einige elende Ar-
caden bey dem Weinbrunnen und dem rothenburgiſchen Hauſe koͤnnen den Mangel
des Schattens nicht erſetzen, der hier ſo ſehr empfunden wird. Bey der weitern Ab-
gelegenheit des letztern ſchmachtet der Brunnentrinker oft unter einer unertraͤglichen
Hitze, und bey allem Raum zur Anpflanzung, der nun wuͤſte liegt, hat er nichts,
als einige ſchlechte Hecken, die oben offen ſind und nicht ſchatten. Blos eine einzige
Allee iſt da, die nichts ſchoͤnes, aber doch einen guten Schatten hat; allein ſie liegt
von den Quellen entfernt, zu welchen der Kranke einen ſehr beſchwerlichen Weg ma-
chen muß. Bey einer ſolchen Verfaſſung, welche die Erwartung der Siechen ſo we-
nig befriedigt, hat dieſer beruͤhmte Brunnenort keinen andern Reiz, als fuͤr Juden,
Pfaffen und Spieler, die ſich am meiſten in dieſer Pfuͤtze herumwaͤlzen.

Wisbaden.

Wisbaden liegt in einer niedrigen Ebene, und in einer Gegend, die keine
beſondern Annehmlichkeiten in ſich faßt, ſondern ſie erſt in der Nachbarſchaft und in

einiger
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[111/0119] von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. ſie aus den Haͤnden der Natur als Skizze weggelegt worden, iſt alsdann fuͤr uns voll von verfuͤhreriſchen Reizen, die uns mit weichen unmerklichen Roſenketten am un- ſchuldigen Vergnuͤgen feſſeln. Deswegen habe ich nie eine Gegend ſo, wie Schlan- genbad, geliebt, und werde alle die Gegenden immer vorzuͤglich lieben, wo die Na- tur, gleichſam als in ihrer Werkſtaͤtte, alles durcheinander geworfen, und in jeder dieſer Skizzen die Groͤße des Unendlichen zeigt. Immer werden die Bilder dieſes Edens, immer die Erinnerung der dort genoſſenen ſtillen Freuden mir ein Troſt in truͤben und ein Zuwachs von Freude in heitern Stunden ſeyn.“ Schwalbach. Die Berge, die das lange Thal von Schwalbach umgeben, ſind nicht ſo hoch, als um Ems, aber meiſtens kahl und ohne Schoͤnheit. Doch ſpreiten ſie ſich hier aus einander und laſſen die Heiterkeit des Himmels und erfriſchende Luͤfte herein- kommen. Das freye Eindringen der kuͤhlenden Luft iſt an dieſem Orte, wo ſo we- nig von der Natur, als von dem Menſchen fuͤr das Beduͤrfniß des Schattens geſorgt iſt, eine doppelte Wohlthat. Das Auge hat zu ſeiner Erquickung faſt nichts an- ders, als den erfreulichen Anblick der Wieſen, die das Thal bekleiden. An dieſem Brunnenort iſt faſt gar keine Aufmerkſamkeit fuͤr die Fremden, die hier doch aus allen umliegenden Gegenden zuſammenſtroͤmen, ſichtbar. Der einzige oͤffentliche Verſammlungsſaal iſt ein Muſter von geſchmackloſer Bauart und ſchlech- ter Ausmoͤblirung, und liegt halb in Ruinen. Die Brunnengaͤſte wohnen und ſpei- ſen in Privathaͤuſern, die oft voll Schmutz und Unreinigkeit ſind. Einige elende Ar- caden bey dem Weinbrunnen und dem rothenburgiſchen Hauſe koͤnnen den Mangel des Schattens nicht erſetzen, der hier ſo ſehr empfunden wird. Bey der weitern Ab- gelegenheit des letztern ſchmachtet der Brunnentrinker oft unter einer unertraͤglichen Hitze, und bey allem Raum zur Anpflanzung, der nun wuͤſte liegt, hat er nichts, als einige ſchlechte Hecken, die oben offen ſind und nicht ſchatten. Blos eine einzige Allee iſt da, die nichts ſchoͤnes, aber doch einen guten Schatten hat; allein ſie liegt von den Quellen entfernt, zu welchen der Kranke einen ſehr beſchwerlichen Weg ma- chen muß. Bey einer ſolchen Verfaſſung, welche die Erwartung der Siechen ſo we- nig befriedigt, hat dieſer beruͤhmte Brunnenort keinen andern Reiz, als fuͤr Juden, Pfaffen und Spieler, die ſich am meiſten in dieſer Pfuͤtze herumwaͤlzen. Wisbaden. Wisbaden liegt in einer niedrigen Ebene, und in einer Gegend, die keine beſondern Annehmlichkeiten in ſich faßt, ſondern ſie erſt in der Nachbarſchaft und in einiger

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/119>, abgerufen am 24.11.2024.