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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung
Hütte des Landmanns zum Teppich der Vorplätze dienen. Sie gewinnen ein schöne-
res Ansehen, wenn sie sich von dem Gebäude allmälig mit sanften Abhängen hinab-
schmiegen, und sich nach und nach an die Landgegend anschließen, oder sich darinn
verlieren. Wenn sie in einer beträchtlichen Strecke fortgehen, so mögen sie hie und
da zu kleinen Erhebungen, mit Blumen oder Sträuchern bepflanzt, aufschwellen, und
sich wieder senken; nur dürfen sie in der Nähe des Gebäudes noch keine zu merkliche
Ungleichheiten zeigen, noch dadurch den Genuß einer interessanten Aussicht mindern.

Auf den Rasen, zwischen welchen sowohl für die Zufahrt als auch für die Fuß-
gänger feste kiesigte Räume sich öffnen müssen, machen bald kleine Sammlungen von
Blumen, bald hingestreute Pflanzungen von niedrigen Sträuchern, bald Gruppen
von Bäumen, die anmuthigste Verzierung aus. Nichts ist ländlicher, mannichfal-
tiger und reizender, als ein Vorplatz von dieser Verzierung; sie giebt ein Gemälde,
das an die schmalen und einförmigen Oeffnungen der alten geraden Zugänge, wodurch
man vom Landhause nicht ohne Mühe in die Landschaft hinausguckt, und an die ver-
stutzten und halb kahl geschornen Bäume nur mit Ekel zurückdenken läßt.

L'acier a retranche leur cime verdoyante.
Je n'entends plus au loin, sur leur tete ondoyante,
Le rapide aquilon legerement courir,
Fremir dans leurs rameaux, s'eloigner & mourir.
Froids, monotones, morts, du fer qui les mutile
Ils semblent avoir pris la roideur immobile. *)

Blumen und kleine blühende Sträucher können bald rund umher den Rafen
umkränzen, bald seine Winkel bedecken, bald nachläßig zerstreut sich hie und da mit-
ten aus feinen Flächen emporheben.

Mehr Sorgfalt erfordern die Gruppen der Bäume, die den grünen Vorplatz
schmücken sollen.

Hiebey ist zuvörderst zu bemerken, daß überhaupt ganz nahe dicke Wälder und
große Gebüsche die Luft um ein Wohngebäude ungesund machen, daß sie aber von
frischen Winden und freyen Sonnenstrahlen, denen der Zugang nicht verwehrt ist,
rein erhalten wird. Die alten Umzäunungen der Landsitze mit hohen Mauern oder
dumpfigten Alleen werden schon, auch ohne das Urtheil des Geschmacks, von der Re-
gel der Gesundheit verworfen.

Demnach muß die Anpflanzung des Vorplatzes aus kleinen Gruppen bestehen,
die Licht und erfrischende Lüste zulassen, und leichte Schatten werfen. Die Bäume

müssen,
*) De Lille.

Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
Huͤtte des Landmanns zum Teppich der Vorplaͤtze dienen. Sie gewinnen ein ſchoͤne-
res Anſehen, wenn ſie ſich von dem Gebaͤude allmaͤlig mit ſanften Abhaͤngen hinab-
ſchmiegen, und ſich nach und nach an die Landgegend anſchließen, oder ſich darinn
verlieren. Wenn ſie in einer betraͤchtlichen Strecke fortgehen, ſo moͤgen ſie hie und
da zu kleinen Erhebungen, mit Blumen oder Straͤuchern bepflanzt, aufſchwellen, und
ſich wieder ſenken; nur duͤrfen ſie in der Naͤhe des Gebaͤudes noch keine zu merkliche
Ungleichheiten zeigen, noch dadurch den Genuß einer intereſſanten Ausſicht mindern.

Auf den Raſen, zwiſchen welchen ſowohl fuͤr die Zufahrt als auch fuͤr die Fuß-
gaͤnger feſte kieſigte Raͤume ſich oͤffnen muͤſſen, machen bald kleine Sammlungen von
Blumen, bald hingeſtreute Pflanzungen von niedrigen Straͤuchern, bald Gruppen
von Baͤumen, die anmuthigſte Verzierung aus. Nichts iſt laͤndlicher, mannichfal-
tiger und reizender, als ein Vorplatz von dieſer Verzierung; ſie giebt ein Gemaͤlde,
das an die ſchmalen und einfoͤrmigen Oeffnungen der alten geraden Zugaͤnge, wodurch
man vom Landhauſe nicht ohne Muͤhe in die Landſchaft hinausguckt, und an die ver-
ſtutzten und halb kahl geſchornen Baͤume nur mit Ekel zuruͤckdenken laͤßt.

L’acier a retranché leur cime verdoyante.
Je n’entends plus au loin, ſur leur tete ondoyante,
Le rapide aquilon légèrement courir,
Frémir dans leurs rameaux, s’eloigner & mourir.
Froids, monotones, morts, du fer qui les mutile
Ils ſemblent avoir pris la roideur immobile. *)

Blumen und kleine bluͤhende Straͤucher koͤnnen bald rund umher den Rafen
umkraͤnzen, bald ſeine Winkel bedecken, bald nachlaͤßig zerſtreut ſich hie und da mit-
ten aus feinen Flaͤchen emporheben.

Mehr Sorgfalt erfordern die Gruppen der Baͤume, die den gruͤnen Vorplatz
ſchmuͤcken ſollen.

Hiebey iſt zuvoͤrderſt zu bemerken, daß uͤberhaupt ganz nahe dicke Waͤlder und
große Gebuͤſche die Luft um ein Wohngebaͤude ungeſund machen, daß ſie aber von
friſchen Winden und freyen Sonnenſtrahlen, denen der Zugang nicht verwehrt iſt,
rein erhalten wird. Die alten Umzaͤunungen der Landſitze mit hohen Mauern oder
dumpfigten Alleen werden ſchon, auch ohne das Urtheil des Geſchmacks, von der Re-
gel der Geſundheit verworfen.

Demnach muß die Anpflanzung des Vorplatzes aus kleinen Gruppen beſtehen,
die Licht und erfriſchende Luͤſte zulaſſen, und leichte Schatten werfen. Die Baͤume

muͤſſen,
*) De Lille.
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[122/0130] Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung Huͤtte des Landmanns zum Teppich der Vorplaͤtze dienen. Sie gewinnen ein ſchoͤne- res Anſehen, wenn ſie ſich von dem Gebaͤude allmaͤlig mit ſanften Abhaͤngen hinab- ſchmiegen, und ſich nach und nach an die Landgegend anſchließen, oder ſich darinn verlieren. Wenn ſie in einer betraͤchtlichen Strecke fortgehen, ſo moͤgen ſie hie und da zu kleinen Erhebungen, mit Blumen oder Straͤuchern bepflanzt, aufſchwellen, und ſich wieder ſenken; nur duͤrfen ſie in der Naͤhe des Gebaͤudes noch keine zu merkliche Ungleichheiten zeigen, noch dadurch den Genuß einer intereſſanten Ausſicht mindern. Auf den Raſen, zwiſchen welchen ſowohl fuͤr die Zufahrt als auch fuͤr die Fuß- gaͤnger feſte kieſigte Raͤume ſich oͤffnen muͤſſen, machen bald kleine Sammlungen von Blumen, bald hingeſtreute Pflanzungen von niedrigen Straͤuchern, bald Gruppen von Baͤumen, die anmuthigſte Verzierung aus. Nichts iſt laͤndlicher, mannichfal- tiger und reizender, als ein Vorplatz von dieſer Verzierung; ſie giebt ein Gemaͤlde, das an die ſchmalen und einfoͤrmigen Oeffnungen der alten geraden Zugaͤnge, wodurch man vom Landhauſe nicht ohne Muͤhe in die Landſchaft hinausguckt, und an die ver- ſtutzten und halb kahl geſchornen Baͤume nur mit Ekel zuruͤckdenken laͤßt. L’acier a retranché leur cime verdoyante. Je n’entends plus au loin, ſur leur tete ondoyante, Le rapide aquilon légèrement courir, Frémir dans leurs rameaux, s’eloigner & mourir. Froids, monotones, morts, du fer qui les mutile Ils ſemblent avoir pris la roideur immobile. *) Blumen und kleine bluͤhende Straͤucher koͤnnen bald rund umher den Rafen umkraͤnzen, bald ſeine Winkel bedecken, bald nachlaͤßig zerſtreut ſich hie und da mit- ten aus feinen Flaͤchen emporheben. Mehr Sorgfalt erfordern die Gruppen der Baͤume, die den gruͤnen Vorplatz ſchmuͤcken ſollen. Hiebey iſt zuvoͤrderſt zu bemerken, daß uͤberhaupt ganz nahe dicke Waͤlder und große Gebuͤſche die Luft um ein Wohngebaͤude ungeſund machen, daß ſie aber von friſchen Winden und freyen Sonnenſtrahlen, denen der Zugang nicht verwehrt iſt, rein erhalten wird. Die alten Umzaͤunungen der Landſitze mit hohen Mauern oder dumpfigten Alleen werden ſchon, auch ohne das Urtheil des Geſchmacks, von der Re- gel der Geſundheit verworfen. Demnach muß die Anpflanzung des Vorplatzes aus kleinen Gruppen beſtehen, die Licht und erfriſchende Luͤſte zulaſſen, und leichte Schatten werfen. Die Baͤume muͤſſen, *) De Lille.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/130>, abgerufen am 24.11.2024.