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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung
ällen ihren Nachkommen an diesen Boden, den seine Vorältern mit ihrem Schweiße,
oft mit ihren Thränen düngten, zur Arbeit gebunden sind, und ihn nicht ohne ein
Verbrechen verlassen können; wenn er zu unabläßigen Frohndiensten gezwungen ist:
was ist dieser Zustand anders, als Sclaverey?

Allerdings giebt es in ihr Abstufungen, wie in der Freyheit. In England
herrscht mehr bürgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Dännemark mehr, als
in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig ist weniger
Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland.
Eben so hat die Leibeigenschaft des Landmanns ihre Abfälle; sie war in Böhmen
grausam; in Niedersachsen ist sie erträglich, durch Menschenliebe oder doch durch
die Aufmerksamkeit der Regierung gemildert. Indessen so lästig auch die Unterhal-
tung der Leibeigenen für manchen Gutsbesitzer seyn mag, so ist doch die dürftige Er-
nährung kein Ersatz für das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Aussicht,
an einer andern Stelle von seinen Kräften Gebrauch zu machen, und sich ein besseres
Glück zu schaffen, ist für ihn auf ewig verschlossen. Alle Talente seiner Söhne zu
Künsten und andern nützlichen Gewerben in der bürgerlichen Gesellschaft gab ihnen
die Natur vergebens; sie dürfen nicht ausgehen, zu lernen, sie sind an die Lebensart,
an den Pflug ihres Vaters gefesselt.

Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn sie ihnen angeboten
wird? -- Hat man bey diesem Einwurf sie denn alle in der That befragt? Und
keiner sollte in der That Freyheit wollen? So wäre dieß eben die schrecklichste Wir-
kung der Leibeigenschaft, daß sie alles Gefühl für das edelste Gut erstickt, daß sie
die unempfindlichste Trägheit zur andern Natur macht, daß sie den mächtigen Trieb
des ordentlich denkenden Menschen, sich eine Besitzung zu erwerben und davon freyen Ge-
brauch zu machen, überwältigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenschaft ist, daß sie
den Menschen durch Beraubung aller natürlichen Empfindlichkeit so tief erniedrigt,
daß er selbst seine Fesseln liebt, -- wer wagt es denn noch sie zu vertheidigen? --

Vergebens sucht man noch hie und da ein Recht zu dieser Verfassung vorzuge-
ben. Wo ist der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der
Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigste Parthey ist? Was kann
die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menschen anders seyn, als Misbrauch
der Gewalt des Mächtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine stillschweigende
Genehmigung der Landesfürsten Bestand gehabt? "Der Despotismus unterdrücken-
der Fürsten über Völker, sagt Herr von Sonnenfels*), ist ein Greuel; aber der

greulich-
*) Erste Vorlesung in diesem academischen Jahre. Herausgegeben von Joseph von
Retzer. 8. Wien. S. 12 -- 14. 1782.

Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
aͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße,
oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein
Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt:
was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey?

Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In England
herrſcht mehr buͤrgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Daͤnnemark mehr, als
in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig iſt weniger
Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland.
Eben ſo hat die Leibeigenſchaft des Landmanns ihre Abfaͤlle; ſie war in Boͤhmen
grauſam; in Niederſachſen iſt ſie ertraͤglich, durch Menſchenliebe oder doch durch
die Aufmerkſamkeit der Regierung gemildert. Indeſſen ſo laͤſtig auch die Unterhal-
tung der Leibeigenen fuͤr manchen Gutsbeſitzer ſeyn mag, ſo iſt doch die duͤrftige Er-
naͤhrung kein Erſatz fuͤr das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Ausſicht,
an einer andern Stelle von ſeinen Kraͤften Gebrauch zu machen, und ſich ein beſſeres
Gluͤck zu ſchaffen, iſt fuͤr ihn auf ewig verſchloſſen. Alle Talente ſeiner Soͤhne zu
Kuͤnſten und andern nuͤtzlichen Gewerben in der buͤrgerlichen Geſellſchaft gab ihnen
die Natur vergebens; ſie duͤrfen nicht ausgehen, zu lernen, ſie ſind an die Lebensart,
an den Pflug ihres Vaters gefeſſelt.

Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten
wird? — Hat man bey dieſem Einwurf ſie denn alle in der That befragt? Und
keiner ſollte in der That Freyheit wollen? So waͤre dieß eben die ſchrecklichſte Wir-
kung der Leibeigenſchaft, daß ſie alles Gefuͤhl fuͤr das edelſte Gut erſtickt, daß ſie
die unempfindlichſte Traͤgheit zur andern Natur macht, daß ſie den maͤchtigen Trieb
des ordentlich denkenden Menſchen, ſich eine Beſitzung zu erwerben und davon freyen Ge-
brauch zu machen, uͤberwaͤltigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenſchaft iſt, daß ſie
den Menſchen durch Beraubung aller natuͤrlichen Empfindlichkeit ſo tief erniedrigt,
daß er ſelbſt ſeine Feſſeln liebt, — wer wagt es denn noch ſie zu vertheidigen? —

Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge-
ben. Wo iſt der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der
Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigſte Parthey iſt? Was kann
die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menſchen anders ſeyn, als Misbrauch
der Gewalt des Maͤchtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine ſtillſchweigende
Genehmigung der Landesfuͤrſten Beſtand gehabt? „Der Deſpotiſmus unterdruͤcken-
der Fuͤrſten uͤber Voͤlker, ſagt Herr von Sonnenfels*), iſt ein Greuel; aber der

greulich-
*) Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von
Retzer. 8. Wien. S. 12 — 14. 1782.
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[172/0180] Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung aͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße, oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt: was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey? Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In England herrſcht mehr buͤrgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Daͤnnemark mehr, als in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig iſt weniger Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland. Eben ſo hat die Leibeigenſchaft des Landmanns ihre Abfaͤlle; ſie war in Boͤhmen grauſam; in Niederſachſen iſt ſie ertraͤglich, durch Menſchenliebe oder doch durch die Aufmerkſamkeit der Regierung gemildert. Indeſſen ſo laͤſtig auch die Unterhal- tung der Leibeigenen fuͤr manchen Gutsbeſitzer ſeyn mag, ſo iſt doch die duͤrftige Er- naͤhrung kein Erſatz fuͤr das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Ausſicht, an einer andern Stelle von ſeinen Kraͤften Gebrauch zu machen, und ſich ein beſſeres Gluͤck zu ſchaffen, iſt fuͤr ihn auf ewig verſchloſſen. Alle Talente ſeiner Soͤhne zu Kuͤnſten und andern nuͤtzlichen Gewerben in der buͤrgerlichen Geſellſchaft gab ihnen die Natur vergebens; ſie duͤrfen nicht ausgehen, zu lernen, ſie ſind an die Lebensart, an den Pflug ihres Vaters gefeſſelt. Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten wird? — Hat man bey dieſem Einwurf ſie denn alle in der That befragt? Und keiner ſollte in der That Freyheit wollen? So waͤre dieß eben die ſchrecklichſte Wir- kung der Leibeigenſchaft, daß ſie alles Gefuͤhl fuͤr das edelſte Gut erſtickt, daß ſie die unempfindlichſte Traͤgheit zur andern Natur macht, daß ſie den maͤchtigen Trieb des ordentlich denkenden Menſchen, ſich eine Beſitzung zu erwerben und davon freyen Ge- brauch zu machen, uͤberwaͤltigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenſchaft iſt, daß ſie den Menſchen durch Beraubung aller natuͤrlichen Empfindlichkeit ſo tief erniedrigt, daß er ſelbſt ſeine Feſſeln liebt, — wer wagt es denn noch ſie zu vertheidigen? — Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge- ben. Wo iſt der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigſte Parthey iſt? Was kann die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menſchen anders ſeyn, als Misbrauch der Gewalt des Maͤchtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine ſtillſchweigende Genehmigung der Landesfuͤrſten Beſtand gehabt? „Der Deſpotiſmus unterdruͤcken- der Fuͤrſten uͤber Voͤlker, ſagt Herr von Sonnenfels *), iſt ein Greuel; aber der greulich- *) Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von Retzer. 8. Wien. S. 12 — 14. 1782.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/180>, abgerufen am 21.11.2024.