Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung ällen ihren Nachkommen an diesen Boden, den seine Vorältern mit ihrem Schweiße,oft mit ihren Thränen düngten, zur Arbeit gebunden sind, und ihn nicht ohne ein Verbrechen verlassen können; wenn er zu unabläßigen Frohndiensten gezwungen ist: was ist dieser Zustand anders, als Sclaverey? Allerdings giebt es in ihr Abstufungen, wie in der Freyheit. In England Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn sie ihnen angeboten Vergebens sucht man noch hie und da ein Recht zu dieser Verfassung vorzuge- greulich- *) Erste Vorlesung in diesem academischen Jahre. Herausgegeben von Joseph von
Retzer. 8. Wien. S. 12 -- 14. 1782. Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung aͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße,oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt: was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey? Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In England Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge- greulich- *) Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von
Retzer. 8. Wien. S. 12 — 14. 1782. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0180" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung</hi></fw><lb/> aͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße,<lb/> oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein<lb/> Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt:<lb/> was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey?</p><lb/> <p>Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In <hi rendition="#fr">England</hi><lb/> herrſcht mehr buͤrgerliche Freyheit, als in <hi rendition="#fr">Frankreich;</hi> in <hi rendition="#fr">Daͤnnemark</hi> mehr, als<lb/> in <hi rendition="#fr">Preußen,</hi> mehr noch, als in vielen Republiken. In <hi rendition="#fr">Venedig</hi> iſt weniger<lb/> Freyheit, als in der <hi rendition="#fr">Schweiz,</hi> und in der <hi rendition="#fr">Schweiz</hi> weniger, als in <hi rendition="#fr">Holland.</hi><lb/> Eben ſo hat die Leibeigenſchaft des Landmanns ihre Abfaͤlle; ſie war in <hi rendition="#fr">Boͤhmen</hi><lb/> grauſam; in <hi rendition="#fr">Niederſachſen</hi> iſt ſie ertraͤglich, durch Menſchenliebe oder doch durch<lb/> die Aufmerkſamkeit der Regierung gemildert. Indeſſen ſo laͤſtig auch die Unterhal-<lb/> tung der Leibeigenen fuͤr manchen Gutsbeſitzer ſeyn mag, ſo iſt doch die duͤrftige Er-<lb/> naͤhrung kein Erſatz fuͤr das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Ausſicht,<lb/> an einer andern Stelle von ſeinen Kraͤften Gebrauch zu machen, und ſich ein beſſeres<lb/> Gluͤck zu ſchaffen, iſt fuͤr ihn auf ewig verſchloſſen. Alle Talente ſeiner Soͤhne zu<lb/> Kuͤnſten und andern nuͤtzlichen Gewerben in der buͤrgerlichen Geſellſchaft gab ihnen<lb/> die Natur vergebens; ſie duͤrfen nicht ausgehen, zu lernen, ſie ſind an die Lebensart,<lb/> an den Pflug ihres Vaters gefeſſelt.</p><lb/> <p>Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten<lb/> wird? — Hat man bey dieſem Einwurf ſie denn alle in der That befragt? Und<lb/> keiner ſollte in der That Freyheit wollen? So waͤre dieß eben die ſchrecklichſte Wir-<lb/> kung der Leibeigenſchaft, daß ſie alles Gefuͤhl fuͤr das edelſte Gut erſtickt, daß ſie<lb/> die unempfindlichſte Traͤgheit zur andern Natur macht, daß ſie den maͤchtigen Trieb<lb/> des ordentlich denkenden Menſchen, ſich eine Beſitzung zu erwerben und davon freyen Ge-<lb/> brauch zu machen, uͤberwaͤltigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenſchaft iſt, daß ſie<lb/> den Menſchen durch Beraubung aller natuͤrlichen Empfindlichkeit ſo tief erniedrigt,<lb/> daß er ſelbſt ſeine Feſſeln liebt, — wer wagt es denn noch ſie zu vertheidigen? —</p><lb/> <p>Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge-<lb/> ben. Wo iſt der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der<lb/> Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigſte Parthey iſt? Was kann<lb/> die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menſchen anders ſeyn, als Misbrauch<lb/> der Gewalt des Maͤchtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine ſtillſchweigende<lb/> Genehmigung der Landesfuͤrſten Beſtand gehabt? „Der Deſpotiſmus unterdruͤcken-<lb/> der Fuͤrſten uͤber Voͤlker, ſagt Herr <hi rendition="#fr">von Sonnenfels</hi><note place="foot" n="*)">Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von<lb/> Retzer. 8. Wien. S. 12 — 14. 1782.</note>, iſt ein Greuel; aber der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">greulich-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0180]
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
aͤllen ihren Nachkommen an dieſen Boden, den ſeine Voraͤltern mit ihrem Schweiße,
oft mit ihren Thraͤnen duͤngten, zur Arbeit gebunden ſind, und ihn nicht ohne ein
Verbrechen verlaſſen koͤnnen; wenn er zu unablaͤßigen Frohndienſten gezwungen iſt:
was iſt dieſer Zuſtand anders, als Sclaverey?
Allerdings giebt es in ihr Abſtufungen, wie in der Freyheit. In England
herrſcht mehr buͤrgerliche Freyheit, als in Frankreich; in Daͤnnemark mehr, als
in Preußen, mehr noch, als in vielen Republiken. In Venedig iſt weniger
Freyheit, als in der Schweiz, und in der Schweiz weniger, als in Holland.
Eben ſo hat die Leibeigenſchaft des Landmanns ihre Abfaͤlle; ſie war in Boͤhmen
grauſam; in Niederſachſen iſt ſie ertraͤglich, durch Menſchenliebe oder doch durch
die Aufmerkſamkeit der Regierung gemildert. Indeſſen ſo laͤſtig auch die Unterhal-
tung der Leibeigenen fuͤr manchen Gutsbeſitzer ſeyn mag, ſo iſt doch die duͤrftige Er-
naͤhrung kein Erſatz fuͤr das, was der Landmann aufopfern muß. Jede Ausſicht,
an einer andern Stelle von ſeinen Kraͤften Gebrauch zu machen, und ſich ein beſſeres
Gluͤck zu ſchaffen, iſt fuͤr ihn auf ewig verſchloſſen. Alle Talente ſeiner Soͤhne zu
Kuͤnſten und andern nuͤtzlichen Gewerben in der buͤrgerlichen Geſellſchaft gab ihnen
die Natur vergebens; ſie duͤrfen nicht ausgehen, zu lernen, ſie ſind an die Lebensart,
an den Pflug ihres Vaters gefeſſelt.
Aber die Leibeigenen wollen keine Freyheit, auch wenn ſie ihnen angeboten
wird? — Hat man bey dieſem Einwurf ſie denn alle in der That befragt? Und
keiner ſollte in der That Freyheit wollen? So waͤre dieß eben die ſchrecklichſte Wir-
kung der Leibeigenſchaft, daß ſie alles Gefuͤhl fuͤr das edelſte Gut erſtickt, daß ſie
die unempfindlichſte Traͤgheit zur andern Natur macht, daß ſie den maͤchtigen Trieb
des ordentlich denkenden Menſchen, ſich eine Beſitzung zu erwerben und davon freyen Ge-
brauch zu machen, uͤberwaͤltigt. Wenn dieß die Wirkung der Leibeigenſchaft iſt, daß ſie
den Menſchen durch Beraubung aller natuͤrlichen Empfindlichkeit ſo tief erniedrigt,
daß er ſelbſt ſeine Feſſeln liebt, — wer wagt es denn noch ſie zu vertheidigen? —
Vergebens ſucht man noch hie und da ein Recht zu dieſer Verfaſſung vorzuge-
ben. Wo iſt der Grund dazu? Wo die Acte der Unterwerfung oder auch nur der
Bewilligung von Seiten des Volks, das hier die wichtigſte Parthey iſt? Was kann
die Sclaverey freygeborner und tugendhafter Menſchen anders ſeyn, als Misbrauch
der Gewalt des Maͤchtigen, Misbrauch, der nur bisher durch eine ſtillſchweigende
Genehmigung der Landesfuͤrſten Beſtand gehabt? „Der Deſpotiſmus unterdruͤcken-
der Fuͤrſten uͤber Voͤlker, ſagt Herr von Sonnenfels *), iſt ein Greuel; aber der
greulich-
*) Erſte Vorleſung in dieſem academiſchen Jahre. Herausgegeben von Joſeph von
Retzer. 8. Wien. S. 12 — 14. 1782.
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