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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.
greulichste, der unerträglichste Despotismus ist der, welchen Bürger über ihre Mit-
bürger ausüben. Das war die Leibeigenschaft, dieser Schandfleck der Verfassung,
worin sie geduldet wird, die Schande der sich so nennenden Rechtswissenschaft, welche
den Menschen zur Sache herabklügelte, die Schande der Vernunft, welche zur Ver-
theidigung ihrer Rechtmäßigkeit Scheingründe ersann. Nie hat die wehrlose Schwach-
heit der Stärke ein Recht über sich zu einem andern Endzwecke, als zu ihrem Schutze,
zu ihrem Besten, anvertrauen wollen, anvertrauen können. Und nie ist ein Zu-
trauen schändlicher gemisbraucht worden, als da man das Schutzrecht in Herrenrecht
verwandelte, und Geschöpfe, die aus der Hand der Natur, auf gleichen Wegen,
mit gleichen Kräften des Körpers, mit gleichen Fähigkeiten des Geistes ausgerüstet
kommen, zum Eigenthum ihrer Mitgeschöpfe abwürdigte. Wie, um aller Ver-
nunft willen, hätten Menschen, auch zum Schutze ihres Lebens, dasjenige jemals
veräußern wollen, das des Lebens größten, einzigen Werth ausmacht? Wie konn-
ten einige tausend gesunde, arbeitsame, rüstige Menschen jemals das Eigenthum
eines von schwachen Aeltern gebornen, durch Müßiggang und Wollüste entnervten,
unbeholfenen Schwächlings werden? Oder eines geinfelten Mönchen, dessen Ab-
geordneter den arbeitsamen Hausvater heute mit Ungestüm vor der Thüre zur Frohne
herauspocht, vor der nur noch gestern einer seiner Ordensgenossen demüthig um Nah-
rungsmittel gebettelt hatte? Aber indessen die Philosophie ein so widersinniges, em-
pörendes Paradox mit der entschiedenen Uebermacht der siegenden Wahrheit bekäm-
pfet, indessen Academien Preise für den ausführbarsten Vorschlag bestimmen: wie
der seufzenden Menschheit dieses Joch abgenommen werden könne; thut es Joseph. --
So löset die erhabene Menschenliebe eines Gesetzgebers und sein Muth, sich durch die
Besorgnisse, die der Eigennutz erhebt, nicht irre machen zu lassen, mit einem Wort
die verwickeltsten Aufgaben der Academien." -- Joseph hob die schreckliche Leibei-
genschaft in Böhmen auf. Joseph ließ durch das ganze österreichische Pohlen
die Verordnung ergehen, daß die Bauern, die bisher fünf bis sechs Tage der Woche
zu Frohndiensten verwenden mußten, sie nur drey Tage zu leisten hätten; für ihre
Kinder ließ er Schulen anlegen; und so fieng er an, sie durch mehr Freyheit und
Unterricht aus der Barbarey zu reißen. Alle Menschenfreunde in seinen Staaten
und außer ihnen vereinigten ihre Freude mit dem Entzücken seiner befreyten und be-
glückten Unterthanen.

Aber, wird vielleicht gesagt, man kann doch die Verfassung erträglich
machen, ohne sie aufzuheben. -- Allein ist Erträglichkeit eine Verbesserung des
Ganzen? Ist sie nicht von der Gesinnung der Gutsbesitzer abhängig, und daher
eben so wandelbar, als diese? Es ist wahr, die zusällige Menschenliebe des Be-

sitzers
Y 3

einzelner Theile eines Landſitzes.
greulichſte, der unertraͤglichſte Deſpotismus iſt der, welchen Buͤrger uͤber ihre Mit-
buͤrger ausuͤben. Das war die Leibeigenſchaft, dieſer Schandfleck der Verfaſſung,
worin ſie geduldet wird, die Schande der ſich ſo nennenden Rechtswiſſenſchaft, welche
den Menſchen zur Sache herabkluͤgelte, die Schande der Vernunft, welche zur Ver-
theidigung ihrer Rechtmaͤßigkeit Scheingruͤnde erſann. Nie hat die wehrloſe Schwach-
heit der Staͤrke ein Recht uͤber ſich zu einem andern Endzwecke, als zu ihrem Schutze,
zu ihrem Beſten, anvertrauen wollen, anvertrauen koͤnnen. Und nie iſt ein Zu-
trauen ſchaͤndlicher gemisbraucht worden, als da man das Schutzrecht in Herrenrecht
verwandelte, und Geſchoͤpfe, die aus der Hand der Natur, auf gleichen Wegen,
mit gleichen Kraͤften des Koͤrpers, mit gleichen Faͤhigkeiten des Geiſtes ausgeruͤſtet
kommen, zum Eigenthum ihrer Mitgeſchoͤpfe abwuͤrdigte. Wie, um aller Ver-
nunft willen, haͤtten Menſchen, auch zum Schutze ihres Lebens, dasjenige jemals
veraͤußern wollen, das des Lebens groͤßten, einzigen Werth ausmacht? Wie konn-
ten einige tauſend geſunde, arbeitſame, ruͤſtige Menſchen jemals das Eigenthum
eines von ſchwachen Aeltern gebornen, durch Muͤßiggang und Wolluͤſte entnervten,
unbeholfenen Schwaͤchlings werden? Oder eines geinfelten Moͤnchen, deſſen Ab-
geordneter den arbeitſamen Hausvater heute mit Ungeſtuͤm vor der Thuͤre zur Frohne
herauspocht, vor der nur noch geſtern einer ſeiner Ordensgenoſſen demuͤthig um Nah-
rungsmittel gebettelt hatte? Aber indeſſen die Philoſophie ein ſo widerſinniges, em-
poͤrendes Paradox mit der entſchiedenen Uebermacht der ſiegenden Wahrheit bekaͤm-
pfet, indeſſen Academien Preiſe fuͤr den ausfuͤhrbarſten Vorſchlag beſtimmen: wie
der ſeufzenden Menſchheit dieſes Joch abgenommen werden koͤnne; thut es Joſeph. —
So loͤſet die erhabene Menſchenliebe eines Geſetzgebers und ſein Muth, ſich durch die
Beſorgniſſe, die der Eigennutz erhebt, nicht irre machen zu laſſen, mit einem Wort
die verwickeltſten Aufgaben der Academien.“ — Joſeph hob die ſchreckliche Leibei-
genſchaft in Boͤhmen auf. Joſeph ließ durch das ganze oͤſterreichiſche Pohlen
die Verordnung ergehen, daß die Bauern, die bisher fuͤnf bis ſechs Tage der Woche
zu Frohndienſten verwenden mußten, ſie nur drey Tage zu leiſten haͤtten; fuͤr ihre
Kinder ließ er Schulen anlegen; und ſo fieng er an, ſie durch mehr Freyheit und
Unterricht aus der Barbarey zu reißen. Alle Menſchenfreunde in ſeinen Staaten
und außer ihnen vereinigten ihre Freude mit dem Entzuͤcken ſeiner befreyten und be-
gluͤckten Unterthanen.

Aber, wird vielleicht geſagt, man kann doch die Verfaſſung ertraͤglich
machen, ohne ſie aufzuheben. — Allein iſt Ertraͤglichkeit eine Verbeſſerung des
Ganzen? Iſt ſie nicht von der Geſinnung der Gutsbeſitzer abhaͤngig, und daher
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[173/0181] einzelner Theile eines Landſitzes. greulichſte, der unertraͤglichſte Deſpotismus iſt der, welchen Buͤrger uͤber ihre Mit- buͤrger ausuͤben. Das war die Leibeigenſchaft, dieſer Schandfleck der Verfaſſung, worin ſie geduldet wird, die Schande der ſich ſo nennenden Rechtswiſſenſchaft, welche den Menſchen zur Sache herabkluͤgelte, die Schande der Vernunft, welche zur Ver- theidigung ihrer Rechtmaͤßigkeit Scheingruͤnde erſann. Nie hat die wehrloſe Schwach- heit der Staͤrke ein Recht uͤber ſich zu einem andern Endzwecke, als zu ihrem Schutze, zu ihrem Beſten, anvertrauen wollen, anvertrauen koͤnnen. Und nie iſt ein Zu- trauen ſchaͤndlicher gemisbraucht worden, als da man das Schutzrecht in Herrenrecht verwandelte, und Geſchoͤpfe, die aus der Hand der Natur, auf gleichen Wegen, mit gleichen Kraͤften des Koͤrpers, mit gleichen Faͤhigkeiten des Geiſtes ausgeruͤſtet kommen, zum Eigenthum ihrer Mitgeſchoͤpfe abwuͤrdigte. Wie, um aller Ver- nunft willen, haͤtten Menſchen, auch zum Schutze ihres Lebens, dasjenige jemals veraͤußern wollen, das des Lebens groͤßten, einzigen Werth ausmacht? Wie konn- ten einige tauſend geſunde, arbeitſame, ruͤſtige Menſchen jemals das Eigenthum eines von ſchwachen Aeltern gebornen, durch Muͤßiggang und Wolluͤſte entnervten, unbeholfenen Schwaͤchlings werden? Oder eines geinfelten Moͤnchen, deſſen Ab- geordneter den arbeitſamen Hausvater heute mit Ungeſtuͤm vor der Thuͤre zur Frohne herauspocht, vor der nur noch geſtern einer ſeiner Ordensgenoſſen demuͤthig um Nah- rungsmittel gebettelt hatte? Aber indeſſen die Philoſophie ein ſo widerſinniges, em- poͤrendes Paradox mit der entſchiedenen Uebermacht der ſiegenden Wahrheit bekaͤm- pfet, indeſſen Academien Preiſe fuͤr den ausfuͤhrbarſten Vorſchlag beſtimmen: wie der ſeufzenden Menſchheit dieſes Joch abgenommen werden koͤnne; thut es Joſeph. — So loͤſet die erhabene Menſchenliebe eines Geſetzgebers und ſein Muth, ſich durch die Beſorgniſſe, die der Eigennutz erhebt, nicht irre machen zu laſſen, mit einem Wort die verwickeltſten Aufgaben der Academien.“ — Joſeph hob die ſchreckliche Leibei- genſchaft in Boͤhmen auf. Joſeph ließ durch das ganze oͤſterreichiſche Pohlen die Verordnung ergehen, daß die Bauern, die bisher fuͤnf bis ſechs Tage der Woche zu Frohndienſten verwenden mußten, ſie nur drey Tage zu leiſten haͤtten; fuͤr ihre Kinder ließ er Schulen anlegen; und ſo fieng er an, ſie durch mehr Freyheit und Unterricht aus der Barbarey zu reißen. Alle Menſchenfreunde in ſeinen Staaten und außer ihnen vereinigten ihre Freude mit dem Entzuͤcken ſeiner befreyten und be- gluͤckten Unterthanen. Aber, wird vielleicht geſagt, man kann doch die Verfaſſung ertraͤglich machen, ohne ſie aufzuheben. — Allein iſt Ertraͤglichkeit eine Verbeſſerung des Ganzen? Iſt ſie nicht von der Geſinnung der Gutsbeſitzer abhaͤngig, und daher eben ſo wandelbar, als dieſe? Es iſt wahr, die zuſaͤllige Menſchenliebe des Be- ſitzers Y 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/181>, abgerufen am 21.11.2024.