Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung sitzers kann den Zustand seiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich.Aber wenn die Menschenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfassung selbst, die ein Uebel ist? -- Ihre plötzliche Aufhebung würde vielleicht in den meisten Fällen eben so wenig Sollten denn einst die schönen Tage anbrechen, wo der Landmann überall durch Frey- sich
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung ſitzers kann den Zuſtand ſeiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich.Aber wenn die Menſchenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfaſſung ſelbſt, die ein Uebel iſt? — Ihre ploͤtzliche Aufhebung wuͤrde vielleicht in den meiſten Faͤllen eben ſo wenig Sollten denn einſt die ſchoͤnen Tage anbrechen, wo der Landmann uͤberall durch Frey- ſich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0182" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung</hi></fw><lb/> ſitzers kann den Zuſtand ſeiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich.<lb/> Aber wenn die Menſchenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfaſſung<lb/> ſelbſt, die ein Uebel iſt? —</p><lb/> <p>Ihre ploͤtzliche Aufhebung wuͤrde vielleicht in den meiſten Faͤllen eben ſo wenig<lb/> eine Wohlthat fuͤr den Leibeigenen ſeyn, als wenn man einen Vogel, der vom Neſte an<lb/> Jahre hindurch im Bauer geſeſſen, auf einmal in freye Luft fliegen laͤßt. Sie erfordert,<lb/> um nicht eine groͤßere Verwirrung zu veranlaſſen, eine gewiſſe Vorbereitung und Klug-<lb/> heit in der Ausfuͤhrung. Allein eben dadurch leidet ihre Ausfuͤhrbarkeit ſelbſt nichts.<lb/> Daß ſie eine genaue Ueberlegung und Benutzung der mancherley Verhaͤltniſſe und oͤrt-<lb/> lichen Umſtaͤnde, die dabey vorkommen, verlangt, iſt der Natur der Sache ſehr gemaͤß.<lb/> Und außerdem lehren ſchon ſo manche Vorgaͤnge, wie die Ausfuͤhrung vorbereitet und<lb/> ausgefuͤhrt werden kann. Ihre Wirkung iſt nicht allein die Wiedereinſetzung der Men-<lb/> ſchen in ihre natuͤrlichen Rechte, ſondern auch die Verbeſſerung der Guͤter ſelbſt und die<lb/> Vermehrung ihrer Einkuͤnfte. Man frage nach in den Laͤndern, wo keine Leibeigen-<lb/> ſchaft war, oder wo ſie aufgehoben ward; man ſehe jetzt in <hi rendition="#fr">Daͤnnemark</hi> den Ertrag<lb/> der Guͤter, wo dieſe Verbeſſerung eingefuͤhrt iſt. Die Erfahrung entſcheidet, und<lb/> laͤßt keinem Einwurf Platz. Ueberall ſind die herrlichen Fruͤchte dieſer Veraͤnderung<lb/> ſichtbar, auf der Seite des Herrn mehr Bequemlichkeit, mehr Verbeſſerung ſeiner<lb/> Guͤter, mehr Einkuͤnfte; auf der Seite des Volks mehr Muth, mehr Arbeitſamkeit,<lb/> mehr Aufklaͤrung, mehr Trieb zur buͤrgerlichen Tugend, mehr Vermoͤgen zur Be-<lb/> ſtreitung der Abgaben, mehr Familien und mehr Wohlſtand fuͤr ſie. Bey ſolchen<lb/> wichtigen Verbeſſerungen wird man nicht mehr aͤhnliche laͤcherliche Fragen wiederho-<lb/> len, wie dieſe: wo nehmen wir Kaͤſe und Butter her, wenn in <hi rendition="#fr">Niederſachſen</hi> die<lb/> Leibeigenſchaft aufgehoben wuͤrde? Fehlen denn etwa dieſe Beduͤrfniſſe in <hi rendition="#fr">Holland</hi><lb/> und in der <hi rendition="#fr">Schweiz?</hi> Wenn das Vorurtheil der Gewohnheit oder des uͤbel unterrich-<lb/> teten Eigennutzes nach und nach verſchwindet, ſo wird das, was zunaͤchſt ein Gegen-<lb/> ſtand der Gerechtigkeit und der Menſchenliebe iſt, zugleich als ein Gegenſtand der Klug-<lb/> heit betrachtet werden, und eine hie und da noch verſchloſſene Quelle wahrer buͤrgerlicher<lb/> Gluͤckſeligkeit ſich zu ergießen anfangen.</p><lb/> <p>Sollten denn einſt die ſchoͤnen Tage anbrechen, wo der Landmann uͤberall durch Frey-<lb/> heit und Eigenthum zu den gluͤcklichen Gefuͤhlen der Menſchheit ſich erheben duͤrfte; ſo wuͤr-<lb/> de die Verachtung oder Geringſchaͤtzung der Doͤrfer aufhoͤren, und der Weiſe mit mehr<lb/> Vergnuͤgen ſeine Wohnung mitten unter den Bebauern des Feldes aufſchlagen. Er wuͤr-<lb/> de nuͤtzlichen Unterricht und geſellige Neigungen unter ihnen verbreiten; durch ſeinen Um-<lb/> gang den Sieg uͤber ſchaͤdliche Vorurtheile ſich erleichtern; durch ſeine Anleitung die Quel-<lb/> len der Zufriedenheit des Lebens eroͤffnen. Gerne wuͤrden ſie den Freund aufnehmen, der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0182]
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
ſitzers kann den Zuſtand ſeiner Leibeigenen erleichtern, und erleichtert ihn oft wirklich.
Aber wenn die Menſchenliebe fehlt? Bleibt es denn nicht immer die Verfaſſung
ſelbſt, die ein Uebel iſt? —
Ihre ploͤtzliche Aufhebung wuͤrde vielleicht in den meiſten Faͤllen eben ſo wenig
eine Wohlthat fuͤr den Leibeigenen ſeyn, als wenn man einen Vogel, der vom Neſte an
Jahre hindurch im Bauer geſeſſen, auf einmal in freye Luft fliegen laͤßt. Sie erfordert,
um nicht eine groͤßere Verwirrung zu veranlaſſen, eine gewiſſe Vorbereitung und Klug-
heit in der Ausfuͤhrung. Allein eben dadurch leidet ihre Ausfuͤhrbarkeit ſelbſt nichts.
Daß ſie eine genaue Ueberlegung und Benutzung der mancherley Verhaͤltniſſe und oͤrt-
lichen Umſtaͤnde, die dabey vorkommen, verlangt, iſt der Natur der Sache ſehr gemaͤß.
Und außerdem lehren ſchon ſo manche Vorgaͤnge, wie die Ausfuͤhrung vorbereitet und
ausgefuͤhrt werden kann. Ihre Wirkung iſt nicht allein die Wiedereinſetzung der Men-
ſchen in ihre natuͤrlichen Rechte, ſondern auch die Verbeſſerung der Guͤter ſelbſt und die
Vermehrung ihrer Einkuͤnfte. Man frage nach in den Laͤndern, wo keine Leibeigen-
ſchaft war, oder wo ſie aufgehoben ward; man ſehe jetzt in Daͤnnemark den Ertrag
der Guͤter, wo dieſe Verbeſſerung eingefuͤhrt iſt. Die Erfahrung entſcheidet, und
laͤßt keinem Einwurf Platz. Ueberall ſind die herrlichen Fruͤchte dieſer Veraͤnderung
ſichtbar, auf der Seite des Herrn mehr Bequemlichkeit, mehr Verbeſſerung ſeiner
Guͤter, mehr Einkuͤnfte; auf der Seite des Volks mehr Muth, mehr Arbeitſamkeit,
mehr Aufklaͤrung, mehr Trieb zur buͤrgerlichen Tugend, mehr Vermoͤgen zur Be-
ſtreitung der Abgaben, mehr Familien und mehr Wohlſtand fuͤr ſie. Bey ſolchen
wichtigen Verbeſſerungen wird man nicht mehr aͤhnliche laͤcherliche Fragen wiederho-
len, wie dieſe: wo nehmen wir Kaͤſe und Butter her, wenn in Niederſachſen die
Leibeigenſchaft aufgehoben wuͤrde? Fehlen denn etwa dieſe Beduͤrfniſſe in Holland
und in der Schweiz? Wenn das Vorurtheil der Gewohnheit oder des uͤbel unterrich-
teten Eigennutzes nach und nach verſchwindet, ſo wird das, was zunaͤchſt ein Gegen-
ſtand der Gerechtigkeit und der Menſchenliebe iſt, zugleich als ein Gegenſtand der Klug-
heit betrachtet werden, und eine hie und da noch verſchloſſene Quelle wahrer buͤrgerlicher
Gluͤckſeligkeit ſich zu ergießen anfangen.
Sollten denn einſt die ſchoͤnen Tage anbrechen, wo der Landmann uͤberall durch Frey-
heit und Eigenthum zu den gluͤcklichen Gefuͤhlen der Menſchheit ſich erheben duͤrfte; ſo wuͤr-
de die Verachtung oder Geringſchaͤtzung der Doͤrfer aufhoͤren, und der Weiſe mit mehr
Vergnuͤgen ſeine Wohnung mitten unter den Bebauern des Feldes aufſchlagen. Er wuͤr-
de nuͤtzlichen Unterricht und geſellige Neigungen unter ihnen verbreiten; durch ſeinen Um-
gang den Sieg uͤber ſchaͤdliche Vorurtheile ſich erleichtern; durch ſeine Anleitung die Quel-
len der Zufriedenheit des Lebens eroͤffnen. Gerne wuͤrden ſie den Freund aufnehmen, der
ſich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |