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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Erster Anhang.

Wir beginnen nun unsere Spazier gänge, indem wir den Weg zur Rechten
des Rasens folgen, und gelangen bald an eine Bank, an welcher eine Inschrift des
Besitzers glückliche Zufriedenheit im Schooß des ruhigen Landlebens ankündigt:

"Die ihr mit leichter Fröhlichkeit euch in des Glückes Wirbeln dreht, blickt
nicht verächtlich her auf den, der hier zufrieden lebt." *)

Man genießt hier eine Durchsicht über den Rasen zwischen zwey Gruppen, und eine
andere in den durch eine Allee von Roßkastanien von dem Park getrennten Küchen-
garten hinaus, ohne seine Abtheilungen zu zeigen; über ihn hin streicht diese noch
durch einen Theil der Anlagen, und endigt sich außer ihrem Bezirk in einer weiten
Ferne zwischen Kornfeldern.

Wir lassen den Weg nach der chinesischen Brücke, der am Rande des Rasens
zwischen zwey Gruppen auf beyden Seiten sich windet, zur Linken liegen, und wan-
deln zwischen zwey nahen Tannengruppen, die in der Aussicht vom Hause sich hinter
andern verbergen, zu einem Sitz. Indessen wir hier unter geraden hohen Birken
und Buchen ruhen, zeigt sich die Vorderseite des Hauses in einer malerischen An-
sicht, indem die nächste Gruppe sich davor hinzieht und einen Theil verbirgt. Nicht
weit davon steht unter einer Tannengruppe eine Bank, ohne Aussicht, eingeschränkt
auf die nahe buschigte Vertiefung. Dieser Sitz, der dem Nachdenken über unsere
Tage gewidmet scheint, begünstigt in der Einsamkeit Betrachtungen von der Art,
wie diese Inschrift veranlaßt:

"Freuden genug verlieh uns hier der Himmel, um unsern Aufenthalt zu
verschönern, doch aber auch so viel des Kummers, um uns nach einer
glücklichern Wohnung zu sehnen."

Von hier wendet sich der Weg etwas zur Rechten. Der Rasen endigt sich
links auf ein Gewässer, worinn eine kleine, am Rande mit Blumen geschmückte,
Insel erscheint. Man sieht hier die chinesische Brücke von der Seite und unter ih-
rem Bogen hindurch auf ein waldigtes Gebüsch. Die zweyte leichtere Brücke zeigt
sich näher; man überschaut durch sie hin einen Strich des jenseitigen Wassers, so-
dann den hellern Rasen und einen Theil der Pflanzungen. Weiter fortschreitend
fällt das Auge durch eine Oeffnung in einer dunkeln Gruppe, wohin ein Pfad ab-
läuft, auf eine heiter durchschimmernde Scene, die aus Rasen, Wasser und einer
entfernten weißen Brücke in dieser Aussicht zusammengesetzt ist. Man trifft indessen,

indem
*) Man giebt hier die Inschriften, die
fast alle Stellen aus den besten englischen
[Spaltenumbruch] Dichtern sind, vieler Leser wegen über-
setzt.
Erſter Anhang.

Wir beginnen nun unſere Spazier gaͤnge, indem wir den Weg zur Rechten
des Raſens folgen, und gelangen bald an eine Bank, an welcher eine Inſchrift des
Beſitzers gluͤckliche Zufriedenheit im Schooß des ruhigen Landlebens ankuͤndigt:

„Die ihr mit leichter Froͤhlichkeit euch in des Gluͤckes Wirbeln dreht, blickt
nicht veraͤchtlich her auf den, der hier zufrieden lebt.“ *)

Man genießt hier eine Durchſicht uͤber den Raſen zwiſchen zwey Gruppen, und eine
andere in den durch eine Allee von Roßkaſtanien von dem Park getrennten Kuͤchen-
garten hinaus, ohne ſeine Abtheilungen zu zeigen; uͤber ihn hin ſtreicht dieſe noch
durch einen Theil der Anlagen, und endigt ſich außer ihrem Bezirk in einer weiten
Ferne zwiſchen Kornfeldern.

Wir laſſen den Weg nach der chineſiſchen Bruͤcke, der am Rande des Raſens
zwiſchen zwey Gruppen auf beyden Seiten ſich windet, zur Linken liegen, und wan-
deln zwiſchen zwey nahen Tannengruppen, die in der Ausſicht vom Hauſe ſich hinter
andern verbergen, zu einem Sitz. Indeſſen wir hier unter geraden hohen Birken
und Buchen ruhen, zeigt ſich die Vorderſeite des Hauſes in einer maleriſchen An-
ſicht, indem die naͤchſte Gruppe ſich davor hinzieht und einen Theil verbirgt. Nicht
weit davon ſteht unter einer Tannengruppe eine Bank, ohne Ausſicht, eingeſchraͤnkt
auf die nahe buſchigte Vertiefung. Dieſer Sitz, der dem Nachdenken uͤber unſere
Tage gewidmet ſcheint, beguͤnſtigt in der Einſamkeit Betrachtungen von der Art,
wie dieſe Inſchrift veranlaßt:

„Freuden genug verlieh uns hier der Himmel, um unſern Aufenthalt zu
verſchoͤnern, doch aber auch ſo viel des Kummers, um uns nach einer
gluͤcklichern Wohnung zu ſehnen.“

Von hier wendet ſich der Weg etwas zur Rechten. Der Raſen endigt ſich
links auf ein Gewaͤſſer, worinn eine kleine, am Rande mit Blumen geſchmuͤckte,
Inſel erſcheint. Man ſieht hier die chineſiſche Bruͤcke von der Seite und unter ih-
rem Bogen hindurch auf ein waldigtes Gebuͤſch. Die zweyte leichtere Bruͤcke zeigt
ſich naͤher; man uͤberſchaut durch ſie hin einen Strich des jenſeitigen Waſſers, ſo-
dann den hellern Raſen und einen Theil der Pflanzungen. Weiter fortſchreitend
faͤllt das Auge durch eine Oeffnung in einer dunkeln Gruppe, wohin ein Pfad ab-
laͤuft, auf eine heiter durchſchimmernde Scene, die aus Raſen, Waſſer und einer
entfernten weißen Bruͤcke in dieſer Ausſicht zuſammengeſetzt iſt. Man trifft indeſſen,

indem
*) Man giebt hier die Inſchriften, die
faſt alle Stellen aus den beſten engliſchen
[Spaltenumbruch] Dichtern ſind, vieler Leſer wegen uͤber-
ſetzt.
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[206/0214] Erſter Anhang. Wir beginnen nun unſere Spazier gaͤnge, indem wir den Weg zur Rechten des Raſens folgen, und gelangen bald an eine Bank, an welcher eine Inſchrift des Beſitzers gluͤckliche Zufriedenheit im Schooß des ruhigen Landlebens ankuͤndigt: „Die ihr mit leichter Froͤhlichkeit euch in des Gluͤckes Wirbeln dreht, blickt nicht veraͤchtlich her auf den, der hier zufrieden lebt.“ *) Man genießt hier eine Durchſicht uͤber den Raſen zwiſchen zwey Gruppen, und eine andere in den durch eine Allee von Roßkaſtanien von dem Park getrennten Kuͤchen- garten hinaus, ohne ſeine Abtheilungen zu zeigen; uͤber ihn hin ſtreicht dieſe noch durch einen Theil der Anlagen, und endigt ſich außer ihrem Bezirk in einer weiten Ferne zwiſchen Kornfeldern. Wir laſſen den Weg nach der chineſiſchen Bruͤcke, der am Rande des Raſens zwiſchen zwey Gruppen auf beyden Seiten ſich windet, zur Linken liegen, und wan- deln zwiſchen zwey nahen Tannengruppen, die in der Ausſicht vom Hauſe ſich hinter andern verbergen, zu einem Sitz. Indeſſen wir hier unter geraden hohen Birken und Buchen ruhen, zeigt ſich die Vorderſeite des Hauſes in einer maleriſchen An- ſicht, indem die naͤchſte Gruppe ſich davor hinzieht und einen Theil verbirgt. Nicht weit davon ſteht unter einer Tannengruppe eine Bank, ohne Ausſicht, eingeſchraͤnkt auf die nahe buſchigte Vertiefung. Dieſer Sitz, der dem Nachdenken uͤber unſere Tage gewidmet ſcheint, beguͤnſtigt in der Einſamkeit Betrachtungen von der Art, wie dieſe Inſchrift veranlaßt: „Freuden genug verlieh uns hier der Himmel, um unſern Aufenthalt zu verſchoͤnern, doch aber auch ſo viel des Kummers, um uns nach einer gluͤcklichern Wohnung zu ſehnen.“ Von hier wendet ſich der Weg etwas zur Rechten. Der Raſen endigt ſich links auf ein Gewaͤſſer, worinn eine kleine, am Rande mit Blumen geſchmuͤckte, Inſel erſcheint. Man ſieht hier die chineſiſche Bruͤcke von der Seite und unter ih- rem Bogen hindurch auf ein waldigtes Gebuͤſch. Die zweyte leichtere Bruͤcke zeigt ſich naͤher; man uͤberſchaut durch ſie hin einen Strich des jenſeitigen Waſſers, ſo- dann den hellern Raſen und einen Theil der Pflanzungen. Weiter fortſchreitend faͤllt das Auge durch eine Oeffnung in einer dunkeln Gruppe, wohin ein Pfad ab- laͤuft, auf eine heiter durchſchimmernde Scene, die aus Raſen, Waſſer und einer entfernten weißen Bruͤcke in dieſer Ausſicht zuſammengeſetzt iſt. Man trifft indeſſen, indem *) Man giebt hier die Inſchriften, die faſt alle Stellen aus den beſten engliſchen Dichtern ſind, vieler Leſer wegen uͤber- ſetzt.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/214>, abgerufen am 24.11.2024.