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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Beschreibungen von Gärten.
indem man rechts weiter geht, auf einen dunkeln Schattensitz unter hohen Bäumen.
Ein lieblicher Ruheplatz. Die Aussicht geht auf das Ende des Raseus, die Blu-
men der Insel und die halb versteckte chinesische Brücke; hohe Bäume schließen den
Gesichtskreis.

Von diesem Sitz geht zur Rechten, von Bäumen bedeckt, eine ländliche
Treppe von rohen Birkenstämmen hinab. Indem man aus dem Bezirk dunkler
Schatten heraustritt, eröffnet sich bey der letzten Stufe auf einmal ein großer, hei-
trer, entzückender Schauplatz. Gerade vor dem Auge ein weiter ausgebreiteter
Rasen, über welchen in die Ferne hin die Aussicht streicht und sich in Kornfeldern
und wilden Gebüschen endigt. Fast an seinem Ende erscheint in diesem Gesichts-
punkt eine ansehnliche größere Gruppe; andre laufen links auf einer kleinen Erhö-
hung hinter einander fort; eine größere von sehr malerischem Reiz zeigt sich am
nächsten. Aber die schönste Scene bricht weiter zur Linken vor einer der erwähnten
Gruppen hervor. Rasen, Wasser, eine mit Blumen geschmückte Insel, von der
ersten unterschieden und etwas erhöht, weiße Gartenstühle, und eine wohlgebauete
Brücke vereinigen sich, neben einem Wald, der den Blick begränzt, das heiterste
Gartengemälde zu bilden. Die Insel hat keine Bäume, um den freyen und edlen
Umriß dieses Waldes, oder vielmehr der sich hier in das schöne Ansehen eines Wal-
des wölbenden Gruppen, deren Außenlinien zusammen fließen, und sich mit einer
sanften Krümmung herumziehen, durch keinen vorspringenden Gegenstand zu unter-
brechen. Die Einbuchten der Gruppen machen eine malerische Schattirung der
dunklern und hellern Stellen gegen einander; und diese Wirkung steigt durch die
Vorpflanzung weißer Weiden vor finstern Tannen zum lebhastesten Contrast.
Ueberhaupt wird der Kenner gleich bemerken, was tausend gemeine Augen nicht
sehen, daß nämlich der Pflanzer die Abwechselungen des Laubwerks, selbst da, wo
diese Waldschönheit nur auf eine kurze Zeit eingeschränkt ist, mit Ueberlegung ge-
nutzt hat.

Diese Scene verbirgt sich allmählich im Fortwandeln, um eine neue hervor-
brechen zu lassen. Der Rasen erweitert sich seitwärts, und zugleich ein alter ehr-
würdiger Eichenhayn, der hin und wieder einen ungewissen Durchblick verstattet.
Seine herrlichen Stämme und seine dunklen Häupter contrastiren gegen den hellen
Rasen, wie das ernste Alter gegen die lebhafte Jugend.

Wir lassen zur Linken den Weg, der in die Gegend führt, die beym Herab-
steigen von der Treppe so glänzend ins Auge fiel, und nähern uns dem Eichenhayn.
Noch immer erweitert sich zur Rechten der Rosen, der zuletzt von Weidengebüschen
begränzt wird. Man gelangt an einige hinter einander am Wege gesetzte Stühle,

wovon

Beſchreibungen von Gaͤrten.
indem man rechts weiter geht, auf einen dunkeln Schattenſitz unter hohen Baͤumen.
Ein lieblicher Ruheplatz. Die Ausſicht geht auf das Ende des Raſeus, die Blu-
men der Inſel und die halb verſteckte chineſiſche Bruͤcke; hohe Baͤume ſchließen den
Geſichtskreis.

Von dieſem Sitz geht zur Rechten, von Baͤumen bedeckt, eine laͤndliche
Treppe von rohen Birkenſtaͤmmen hinab. Indem man aus dem Bezirk dunkler
Schatten heraustritt, eroͤffnet ſich bey der letzten Stufe auf einmal ein großer, hei-
trer, entzuͤckender Schauplatz. Gerade vor dem Auge ein weiter ausgebreiteter
Raſen, uͤber welchen in die Ferne hin die Ausſicht ſtreicht und ſich in Kornfeldern
und wilden Gebuͤſchen endigt. Faſt an ſeinem Ende erſcheint in dieſem Geſichts-
punkt eine anſehnliche groͤßere Gruppe; andre laufen links auf einer kleinen Erhoͤ-
hung hinter einander fort; eine groͤßere von ſehr maleriſchem Reiz zeigt ſich am
naͤchſten. Aber die ſchoͤnſte Scene bricht weiter zur Linken vor einer der erwaͤhnten
Gruppen hervor. Raſen, Waſſer, eine mit Blumen geſchmuͤckte Inſel, von der
erſten unterſchieden und etwas erhoͤht, weiße Gartenſtuͤhle, und eine wohlgebauete
Bruͤcke vereinigen ſich, neben einem Wald, der den Blick begraͤnzt, das heiterſte
Gartengemaͤlde zu bilden. Die Inſel hat keine Baͤume, um den freyen und edlen
Umriß dieſes Waldes, oder vielmehr der ſich hier in das ſchoͤne Anſehen eines Wal-
des woͤlbenden Gruppen, deren Außenlinien zuſammen fließen, und ſich mit einer
ſanften Kruͤmmung herumziehen, durch keinen vorſpringenden Gegenſtand zu unter-
brechen. Die Einbuchten der Gruppen machen eine maleriſche Schattirung der
dunklern und hellern Stellen gegen einander; und dieſe Wirkung ſteigt durch die
Vorpflanzung weißer Weiden vor finſtern Tannen zum lebhaſteſten Contraſt.
Ueberhaupt wird der Kenner gleich bemerken, was tauſend gemeine Augen nicht
ſehen, daß naͤmlich der Pflanzer die Abwechſelungen des Laubwerks, ſelbſt da, wo
dieſe Waldſchoͤnheit nur auf eine kurze Zeit eingeſchraͤnkt iſt, mit Ueberlegung ge-
nutzt hat.

Dieſe Scene verbirgt ſich allmaͤhlich im Fortwandeln, um eine neue hervor-
brechen zu laſſen. Der Raſen erweitert ſich ſeitwaͤrts, und zugleich ein alter ehr-
wuͤrdiger Eichenhayn, der hin und wieder einen ungewiſſen Durchblick verſtattet.
Seine herrlichen Staͤmme und ſeine dunklen Haͤupter contraſtiren gegen den hellen
Raſen, wie das ernſte Alter gegen die lebhafte Jugend.

Wir laſſen zur Linken den Weg, der in die Gegend fuͤhrt, die beym Herab-
ſteigen von der Treppe ſo glaͤnzend ins Auge fiel, und naͤhern uns dem Eichenhayn.
Noch immer erweitert ſich zur Rechten der Roſen, der zuletzt von Weidengebuͤſchen
begraͤnzt wird. Man gelangt an einige hinter einander am Wege geſetzte Stuͤhle,

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[207/0215] Beſchreibungen von Gaͤrten. indem man rechts weiter geht, auf einen dunkeln Schattenſitz unter hohen Baͤumen. Ein lieblicher Ruheplatz. Die Ausſicht geht auf das Ende des Raſeus, die Blu- men der Inſel und die halb verſteckte chineſiſche Bruͤcke; hohe Baͤume ſchließen den Geſichtskreis. Von dieſem Sitz geht zur Rechten, von Baͤumen bedeckt, eine laͤndliche Treppe von rohen Birkenſtaͤmmen hinab. Indem man aus dem Bezirk dunkler Schatten heraustritt, eroͤffnet ſich bey der letzten Stufe auf einmal ein großer, hei- trer, entzuͤckender Schauplatz. Gerade vor dem Auge ein weiter ausgebreiteter Raſen, uͤber welchen in die Ferne hin die Ausſicht ſtreicht und ſich in Kornfeldern und wilden Gebuͤſchen endigt. Faſt an ſeinem Ende erſcheint in dieſem Geſichts- punkt eine anſehnliche groͤßere Gruppe; andre laufen links auf einer kleinen Erhoͤ- hung hinter einander fort; eine groͤßere von ſehr maleriſchem Reiz zeigt ſich am naͤchſten. Aber die ſchoͤnſte Scene bricht weiter zur Linken vor einer der erwaͤhnten Gruppen hervor. Raſen, Waſſer, eine mit Blumen geſchmuͤckte Inſel, von der erſten unterſchieden und etwas erhoͤht, weiße Gartenſtuͤhle, und eine wohlgebauete Bruͤcke vereinigen ſich, neben einem Wald, der den Blick begraͤnzt, das heiterſte Gartengemaͤlde zu bilden. Die Inſel hat keine Baͤume, um den freyen und edlen Umriß dieſes Waldes, oder vielmehr der ſich hier in das ſchoͤne Anſehen eines Wal- des woͤlbenden Gruppen, deren Außenlinien zuſammen fließen, und ſich mit einer ſanften Kruͤmmung herumziehen, durch keinen vorſpringenden Gegenſtand zu unter- brechen. Die Einbuchten der Gruppen machen eine maleriſche Schattirung der dunklern und hellern Stellen gegen einander; und dieſe Wirkung ſteigt durch die Vorpflanzung weißer Weiden vor finſtern Tannen zum lebhaſteſten Contraſt. Ueberhaupt wird der Kenner gleich bemerken, was tauſend gemeine Augen nicht ſehen, daß naͤmlich der Pflanzer die Abwechſelungen des Laubwerks, ſelbſt da, wo dieſe Waldſchoͤnheit nur auf eine kurze Zeit eingeſchraͤnkt iſt, mit Ueberlegung ge- nutzt hat. Dieſe Scene verbirgt ſich allmaͤhlich im Fortwandeln, um eine neue hervor- brechen zu laſſen. Der Raſen erweitert ſich ſeitwaͤrts, und zugleich ein alter ehr- wuͤrdiger Eichenhayn, der hin und wieder einen ungewiſſen Durchblick verſtattet. Seine herrlichen Staͤmme und ſeine dunklen Haͤupter contraſtiren gegen den hellen Raſen, wie das ernſte Alter gegen die lebhafte Jugend. Wir laſſen zur Linken den Weg, der in die Gegend fuͤhrt, die beym Herab- ſteigen von der Treppe ſo glaͤnzend ins Auge fiel, und naͤhern uns dem Eichenhayn. Noch immer erweitert ſich zur Rechten der Roſen, der zuletzt von Weidengebuͤſchen begraͤnzt wird. Man gelangt an einige hinter einander am Wege geſetzte Stuͤhle, wovon

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/215>, abgerufen am 24.11.2024.