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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc.
kleine Garten besteht nur aus den angenehmsten Blumen und ausländischen Blüthen-
sträuchern, welche die stille Wollust dieses verborgenen Aufenthalts vermehren
helfen.

Der Park zu Arnouville ist vielleicht mehr im Geschmacke der Engländer,
als irgend ein andrer neuer Garten in Frankreich, wo man, austatt die Natur
nachzuahmen, sie oft nur entstellt, oder versteckt. Er hat nichts von dem Gesuch-
ten und Tändelnden, sondern einfache Schönheiten der Natur, die sich im Großen
zeigen, aber mit Geschmack geordnet sind. Bäche und stille Gewässer, Gehölze
mit ihren Vertiefungen, die innern Prospecte, eine Menge von verschiedenen Ge-
mälden der Landschaft vereinigen sich hier, ein edles und mannichfaltiges Schauspiel
zu bilden. Es giebt wohl wenige Gärten, wo man freyer umherirren, und der
Anmuth der ganzen umliegenden Gegend leichter genießen kann. Man kann so viele
Wege des Parks durchlaufen, selbst um das Dorf herumgehen, verschiedene Spa-
ziergänge vollenden, und dann wieder in sein Cabinet zurückkehren, ohne daß es
eine Person im Hause gewahr wird. Ueberall dienen Brücken und Thüren zur Ver-
bindung sowohl, als zur Abwechselung der Spaziergänge. Man kommt bald in
fruchtbare Gefilde voll reicher Aerndten, bald in einsame Wiesen, bald in künstliche,
bald in ländliche Pflanzungen längst den Bächen, bald in ein kleines Thal hinter
einem Gehölze, bald an eine Wassermühle im Walde, wovon das Geräusch des
Stroms aus der Ferne sanfter herüber tönt, bald in ein Dorf auf einem Hügel.
Diese und viele andere Gegenden mehr sind durch angelegte Spazierwege mit ein-
ander verbunden, worauf das Auge von immer abändernden Aussichten nah und
fern unterhalten wird. Alle diese anmuthigen Theile sind noch mit Fruchtgärten,
Weinbergen, und andern Anstalten der nützlichen Gärtnerey vereinigt.

Der berühmteste neue Park in Frankreich ist wohl Ermenonville, gleich
merkwürdig durch den Geist seines Besitzers, des Marquis de Gerardin *) und
durch seine Gastfreundschaft gegen Rousseau, die sich bis auf sein Grab **) erstreckte.

Der
*) Von seiner vortrefflichen Schrift de
la Composition des Paysages. 8. Paris

1777. (S. 1 B. S. 134) ist in Leipzig 1779
eine deutsche Uebersetzung erschienen. Er
giebt verschiedene allgemeine und zerstreute,
aber feine Bemerkungen über die Verschö-
nerung der Natur, ohne jedoch ihre beson-
[Spaltenumbruch] dere Anwendung in den mannichfaltigen
Arten von Gärten zu entwickeln. Die
Maximen und Beobachtungen des Land-
schaftmalers dienen zur Grundlage seiner
Untersuchungen.
**) S. 2ten B. S. 59.
K k 2

Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
kleine Garten beſteht nur aus den angenehmſten Blumen und auslaͤndiſchen Bluͤthen-
ſtraͤuchern, welche die ſtille Wolluſt dieſes verborgenen Aufenthalts vermehren
helfen.

Der Park zu Arnouville iſt vielleicht mehr im Geſchmacke der Englaͤnder,
als irgend ein andrer neuer Garten in Frankreich, wo man, auſtatt die Natur
nachzuahmen, ſie oft nur entſtellt, oder verſteckt. Er hat nichts von dem Geſuch-
ten und Taͤndelnden, ſondern einfache Schoͤnheiten der Natur, die ſich im Großen
zeigen, aber mit Geſchmack geordnet ſind. Baͤche und ſtille Gewaͤſſer, Gehoͤlze
mit ihren Vertiefungen, die innern Proſpecte, eine Menge von verſchiedenen Ge-
maͤlden der Landſchaft vereinigen ſich hier, ein edles und mannichfaltiges Schauſpiel
zu bilden. Es giebt wohl wenige Gaͤrten, wo man freyer umherirren, und der
Anmuth der ganzen umliegenden Gegend leichter genießen kann. Man kann ſo viele
Wege des Parks durchlaufen, ſelbſt um das Dorf herumgehen, verſchiedene Spa-
ziergaͤnge vollenden, und dann wieder in ſein Cabinet zuruͤckkehren, ohne daß es
eine Perſon im Hauſe gewahr wird. Ueberall dienen Bruͤcken und Thuͤren zur Ver-
bindung ſowohl, als zur Abwechſelung der Spaziergaͤnge. Man kommt bald in
fruchtbare Gefilde voll reicher Aerndten, bald in einſame Wieſen, bald in kuͤnſtliche,
bald in laͤndliche Pflanzungen laͤngſt den Baͤchen, bald in ein kleines Thal hinter
einem Gehoͤlze, bald an eine Waſſermuͤhle im Walde, wovon das Geraͤuſch des
Stroms aus der Ferne ſanfter heruͤber toͤnt, bald in ein Dorf auf einem Huͤgel.
Dieſe und viele andere Gegenden mehr ſind durch angelegte Spazierwege mit ein-
ander verbunden, worauf das Auge von immer abaͤndernden Ausſichten nah und
fern unterhalten wird. Alle dieſe anmuthigen Theile ſind noch mit Fruchtgaͤrten,
Weinbergen, und andern Anſtalten der nuͤtzlichen Gaͤrtnerey vereinigt.

Der beruͤhmteſte neue Park in Frankreich iſt wohl Ermenonville, gleich
merkwuͤrdig durch den Geiſt ſeines Beſitzers, des Marquis de Gerardin *) und
durch ſeine Gaſtfreundſchaft gegen Rouſſeau, die ſich bis auf ſein Grab **) erſtreckte.

Der
*) Von ſeiner vortrefflichen Schrift de
la Compoſition des Payſages. 8. Paris

1777. (S. 1 B. S. 134) iſt in Leipzig 1779
eine deutſche Ueberſetzung erſchienen. Er
giebt verſchiedene allgemeine und zerſtreute,
aber feine Bemerkungen uͤber die Verſchoͤ-
nerung der Natur, ohne jedoch ihre beſon-
[Spaltenumbruch] dere Anwendung in den mannichfaltigen
Arten von Gaͤrten zu entwickeln. Die
Maximen und Beobachtungen des Land-
ſchaftmalers dienen zur Grundlage ſeiner
Unterſuchungen.
**) S. 2ten B. S. 59.
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[259/0267] Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. kleine Garten beſteht nur aus den angenehmſten Blumen und auslaͤndiſchen Bluͤthen- ſtraͤuchern, welche die ſtille Wolluſt dieſes verborgenen Aufenthalts vermehren helfen. Der Park zu Arnouville iſt vielleicht mehr im Geſchmacke der Englaͤnder, als irgend ein andrer neuer Garten in Frankreich, wo man, auſtatt die Natur nachzuahmen, ſie oft nur entſtellt, oder verſteckt. Er hat nichts von dem Geſuch- ten und Taͤndelnden, ſondern einfache Schoͤnheiten der Natur, die ſich im Großen zeigen, aber mit Geſchmack geordnet ſind. Baͤche und ſtille Gewaͤſſer, Gehoͤlze mit ihren Vertiefungen, die innern Proſpecte, eine Menge von verſchiedenen Ge- maͤlden der Landſchaft vereinigen ſich hier, ein edles und mannichfaltiges Schauſpiel zu bilden. Es giebt wohl wenige Gaͤrten, wo man freyer umherirren, und der Anmuth der ganzen umliegenden Gegend leichter genießen kann. Man kann ſo viele Wege des Parks durchlaufen, ſelbſt um das Dorf herumgehen, verſchiedene Spa- ziergaͤnge vollenden, und dann wieder in ſein Cabinet zuruͤckkehren, ohne daß es eine Perſon im Hauſe gewahr wird. Ueberall dienen Bruͤcken und Thuͤren zur Ver- bindung ſowohl, als zur Abwechſelung der Spaziergaͤnge. Man kommt bald in fruchtbare Gefilde voll reicher Aerndten, bald in einſame Wieſen, bald in kuͤnſtliche, bald in laͤndliche Pflanzungen laͤngſt den Baͤchen, bald in ein kleines Thal hinter einem Gehoͤlze, bald an eine Waſſermuͤhle im Walde, wovon das Geraͤuſch des Stroms aus der Ferne ſanfter heruͤber toͤnt, bald in ein Dorf auf einem Huͤgel. Dieſe und viele andere Gegenden mehr ſind durch angelegte Spazierwege mit ein- ander verbunden, worauf das Auge von immer abaͤndernden Ausſichten nah und fern unterhalten wird. Alle dieſe anmuthigen Theile ſind noch mit Fruchtgaͤrten, Weinbergen, und andern Anſtalten der nuͤtzlichen Gaͤrtnerey vereinigt. Der beruͤhmteſte neue Park in Frankreich iſt wohl Ermenonville, gleich merkwuͤrdig durch den Geiſt ſeines Beſitzers, des Marquis de Gerardin *) und durch ſeine Gaſtfreundſchaft gegen Rouſſeau, die ſich bis auf ſein Grab **) erſtreckte. Der *) Von ſeiner vortrefflichen Schrift de la Compoſition des Payſages. 8. Paris 1777. (S. 1 B. S. 134) iſt in Leipzig 1779 eine deutſche Ueberſetzung erſchienen. Er giebt verſchiedene allgemeine und zerſtreute, aber feine Bemerkungen uͤber die Verſchoͤ- nerung der Natur, ohne jedoch ihre beſon- dere Anwendung in den mannichfaltigen Arten von Gaͤrten zu entwickeln. Die Maximen und Beobachtungen des Land- ſchaftmalers dienen zur Grundlage ſeiner Unterſuchungen. **) S. 2ten B. S. 59. K k 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/267>, abgerufen am 24.11.2024.