schwebten wir mit dem dahin gleitenden Fahrzeug bald durch die Wiederscheine, die zu wanken anfiengen, diese lieblichen Wiederscheine von Landhäusern, von Klöstern, von Weinbergen, bald durch die ernsten Massen von Schatten, die von den Höhen herabsielen.
Dann folgten wieder kleine paradiesische Thäler zwischen den Bergen, Hayne von Obstbäumen und friedfertige Dörfchen, wo hie und da nicht aus Hütten, sondern aus edlen Häusern ein Rauch, der gastfreundschaftlich das Abendessen ankündigte, emporwallele. Ihre Vorderseite, nach dem Strom hingerichtet, schimmerte aus dem Schatten der Fruchtbäume hervor, und lockte den Vorüberfahrenden, in diese Wohnungen der Ruhe einzukehren.
Das Abendgeläute fieng an, durch die Dämmerung zu hallen, und hallte aus den Bergen zurück. Von allen Seiten kündigten die Klöster und die Dorfkirchen die Stunden des Geders an. Die Glocken antworteten sich, als hätten sie die Losung verstanden, und nun schlug die Aufforderung von Ohr zu Ohr. Anbetung, feyer- liche Stille, Ruhe der Seele, gelassene Erinnerung an die Vergangenheit und eine Aussicht in die Zukunst, wiewohl nur so dämmernd, wie der Abend, verbreiteten sich mit dem heiligen Schall durch alle umliegenden Gegenden. Diese Stimmung der Seele ward nicht wenig durch die Dunkelheit der Berge und ihre Ueberschattungen, und durch die Ruhe des Flusses vermehrt, der unter ihnen fortschlich.
Die Finsterniß ward immer größer; doch sahen wir noch Thürme am Ufer und Ruinen auf den Spitzen der Felsen. Die Berge wichen allmählich, indem wir uns Coblenz näherten, erst zur Linken, dann zur Rechten; die Gegenden wurden niedriger; der Wind stürmte frey herein; der Rhein schlug schäumende Wellen, und wir stiegen aus von einer Fahrt, bey der sich nichts weiter wünschen ließ, als der lange Nachgenuß aller der Scenen und Empfindungen, die sie gegeben hatte.
8.
Das alte churfürstliche Schloß zu Coblenz im Thal, das am Fuß und unter dem Schutz der berühmten Bergfestung Ehrenbreitstein am Rhein liegt, hat eine sehr lebhafte Aussicht auf den Strom, auf seine Brücke, auf die Schiffe und Fahr- zeuge, die auf- und niedergehen. Weil es aber zerfällt, so hat der jetzige Churfürst, Clemens Wenceslaus, geborner Prinz von Chursachsen, den Bau eines neuen großen und prächtigen Schlosses unternommen, der noch nicht vollendet ist. Es steht nahe bey der Stadt Coblenz auf einer kleinen Anhöhe am Ufer des Rheins, und kehrt dem Fluß die Hinterseite zu. Das Werk wird von großen Sandsteinen
von
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
ſchwebten wir mit dem dahin gleitenden Fahrzeug bald durch die Wiederſcheine, die zu wanken anfiengen, dieſe lieblichen Wiederſcheine von Landhaͤuſern, von Kloͤſtern, von Weinbergen, bald durch die ernſten Maſſen von Schatten, die von den Hoͤhen herabſielen.
Dann folgten wieder kleine paradieſiſche Thaͤler zwiſchen den Bergen, Hayne von Obſtbaͤumen und friedfertige Doͤrfchen, wo hie und da nicht aus Huͤtten, ſondern aus edlen Haͤuſern ein Rauch, der gaſtfreundſchaftlich das Abendeſſen ankuͤndigte, emporwallele. Ihre Vorderſeite, nach dem Strom hingerichtet, ſchimmerte aus dem Schatten der Fruchtbaͤume hervor, und lockte den Voruͤberfahrenden, in dieſe Wohnungen der Ruhe einzukehren.
Das Abendgelaͤute fieng an, durch die Daͤmmerung zu hallen, und hallte aus den Bergen zuruͤck. Von allen Seiten kuͤndigten die Kloͤſter und die Dorfkirchen die Stunden des Geders an. Die Glocken antworteten ſich, als haͤtten ſie die Loſung verſtanden, und nun ſchlug die Aufforderung von Ohr zu Ohr. Anbetung, feyer- liche Stille, Ruhe der Seele, gelaſſene Erinnerung an die Vergangenheit und eine Ausſicht in die Zukunſt, wiewohl nur ſo daͤmmernd, wie der Abend, verbreiteten ſich mit dem heiligen Schall durch alle umliegenden Gegenden. Dieſe Stimmung der Seele ward nicht wenig durch die Dunkelheit der Berge und ihre Ueberſchattungen, und durch die Ruhe des Fluſſes vermehrt, der unter ihnen fortſchlich.
Die Finſterniß ward immer groͤßer; doch ſahen wir noch Thuͤrme am Ufer und Ruinen auf den Spitzen der Felſen. Die Berge wichen allmaͤhlich, indem wir uns Coblenz naͤherten, erſt zur Linken, dann zur Rechten; die Gegenden wurden niedriger; der Wind ſtuͤrmte frey herein; der Rhein ſchlug ſchaͤumende Wellen, und wir ſtiegen aus von einer Fahrt, bey der ſich nichts weiter wuͤnſchen ließ, als der lange Nachgenuß aller der Scenen und Empfindungen, die ſie gegeben hatte.
8.
Das alte churfuͤrſtliche Schloß zu Coblenz im Thal, das am Fuß und unter dem Schutz der beruͤhmten Bergfeſtung Ehrenbreitſtein am Rhein liegt, hat eine ſehr lebhafte Ausſicht auf den Strom, auf ſeine Bruͤcke, auf die Schiffe und Fahr- zeuge, die auf- und niedergehen. Weil es aber zerfaͤllt, ſo hat der jetzige Churfuͤrſt, Clemens Wenceslaus, geborner Prinz von Churſachſen, den Bau eines neuen großen und praͤchtigen Schloſſes unternommen, der noch nicht vollendet iſt. Es ſteht nahe bey der Stadt Coblenz auf einer kleinen Anhoͤhe am Ufer des Rheins, und kehrt dem Fluß die Hinterſeite zu. Das Werk wird von großen Sandſteinen
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
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zu wanken anfiengen, dieſe lieblichen Wiederſcheine von Landhaͤuſern, von Kloͤſtern,
von Weinbergen, bald durch die ernſten Maſſen von Schatten, die von den Hoͤhen
herabſielen.
Dann folgten wieder kleine paradieſiſche Thaͤler zwiſchen den Bergen, Hayne
von Obſtbaͤumen und friedfertige Doͤrfchen, wo hie und da nicht aus Huͤtten, ſondern
aus edlen Haͤuſern ein Rauch, der gaſtfreundſchaftlich das Abendeſſen ankuͤndigte,
emporwallele. Ihre Vorderſeite, nach dem Strom hingerichtet, ſchimmerte aus
dem Schatten der Fruchtbaͤume hervor, und lockte den Voruͤberfahrenden, in dieſe
Wohnungen der Ruhe einzukehren.
Das Abendgelaͤute fieng an, durch die Daͤmmerung zu hallen, und hallte aus
den Bergen zuruͤck. Von allen Seiten kuͤndigten die Kloͤſter und die Dorfkirchen
die Stunden des Geders an. Die Glocken antworteten ſich, als haͤtten ſie die Loſung
verſtanden, und nun ſchlug die Aufforderung von Ohr zu Ohr. Anbetung, feyer-
liche Stille, Ruhe der Seele, gelaſſene Erinnerung an die Vergangenheit und eine
Ausſicht in die Zukunſt, wiewohl nur ſo daͤmmernd, wie der Abend, verbreiteten ſich
mit dem heiligen Schall durch alle umliegenden Gegenden. Dieſe Stimmung der
Seele ward nicht wenig durch die Dunkelheit der Berge und ihre Ueberſchattungen,
und durch die Ruhe des Fluſſes vermehrt, der unter ihnen fortſchlich.
Die Finſterniß ward immer groͤßer; doch ſahen wir noch Thuͤrme am Ufer
und Ruinen auf den Spitzen der Felſen. Die Berge wichen allmaͤhlich, indem wir
uns Coblenz naͤherten, erſt zur Linken, dann zur Rechten; die Gegenden wurden
niedriger; der Wind ſtuͤrmte frey herein; der Rhein ſchlug ſchaͤumende Wellen, und
wir ſtiegen aus von einer Fahrt, bey der ſich nichts weiter wuͤnſchen ließ, als der
lange Nachgenuß aller der Scenen und Empfindungen, die ſie gegeben hatte.
8.
Das alte churfuͤrſtliche Schloß zu Coblenz im Thal, das am Fuß und unter
dem Schutz der beruͤhmten Bergfeſtung Ehrenbreitſtein am Rhein liegt, hat eine
ſehr lebhafte Ausſicht auf den Strom, auf ſeine Bruͤcke, auf die Schiffe und Fahr-
zeuge, die auf- und niedergehen. Weil es aber zerfaͤllt, ſo hat der jetzige Churfuͤrſt,
Clemens Wenceslaus, geborner Prinz von Churſachſen, den Bau eines neuen
großen und praͤchtigen Schloſſes unternommen, der noch nicht vollendet iſt. Es
ſteht nahe bey der Stadt Coblenz auf einer kleinen Anhoͤhe am Ufer des Rheins,
und kehrt dem Fluß die Hinterſeite zu. Das Werk wird von großen Sandſteinen
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/348>, abgerufen am 17.06.2024.
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