Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten, Ausführung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieser Beschäftigungenlänger zu genießen. Die Anlagen zu Hohenheim sind eben so neu, als glänzend. Man weiß, Hinter
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Ausfuͤhrung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieſer Beſchaͤftigungenlaͤnger zu genießen. Die Anlagen zu Hohenheim ſind eben ſo neu, als glaͤnzend. Man weiß, Hinter
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Ausfuͤhrung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieſer Beſchaͤftigungen
laͤnger zu genießen.
Die Anlagen zu Hohenheim ſind eben ſo neu, als glaͤnzend. Man weiß,
daß man ſich in Italien oft mitten in den Ruinen des Alterthums anbauet, oder
neue Gebaͤude mit den Reſten roͤmiſcher Gebaͤude verbindet. Dieſer Idee iſt man
hier gefolgt. Man ſieht hier die ſchoͤnſten Reſte von alten Gebaͤuden nachgeahmt,
und dieſe ſind unmittelbar mit Saͤlen und Kabinetten, im neuern Geſchmack ange-
legt und fein und praͤchtig ausgeziert, verbunden. Faſt in allen Gebaͤuden herrſcht
ein ſtarker Contraſt der Uebergaͤnge; man erſtaunt, aus taͤuſchenden Ruinen, aus
zerbroͤckelten Felsſtuͤcken und hangendem Gemaͤuer ſich auf einmal in glaͤnzende Pracht-
zimmer verſetzt zu ſehen. Nirgends ſind wohl Ruinen ſchoͤner gezeichnet und ausge-
fuͤhrt, als hier; man glaubt in der That auf italiaͤniſchem Boden zu ſtehen; alles
iſt wahr und uͤberraſchend. So ſind z. B. zu den großen Ruinen am Ende der An-
lagen uͤber 30,000 Fuder Tuſſtein, der ſich ſeiner Farbe und ſeines gebroͤckelten
Anſehens wegen trefflich zu dieſem Bau ſchickt, von Canſtadt einige Stunden weit
hieher gefuͤhrt. Die Ruinen ſind das Herrlichſte, was man ſich in dieſer Art von
Nachahmung denken kann. Sie ſtellen mit ihrem großen, praͤchtigen und maleri-
ſchen Waſſerfall eine Nachbildung von der beruͤhmten Scene zu Tivoli vor. Das
Waſſer, das die Sonne mit ihren Strahlen verſchoͤnert, ſtuͤrzt ſich aus der Mitte der
ehrwuͤrdigen Ruinen in einen tiefen ſenkrechten Fall herab, ſchaͤumt und brauſet in
dem untern Theil weiter fort, und verliert ſich endlich in eine Grotte. Auf der
Spitze dieſer Ruinen ſteht eine Kirche im alten gothiſchen Stil, mit ſeltenen Fen-
ſtern voll Malereyen auf Glaſe, die aus den beſten Zeiten dieſer jetzt verlornen Kunſt
ſich erhalten und mit Muͤhe zuſammengebracht ſind. Alle Sculpturverzierungen,
aͤußere und innere, und ſelbſt der mit großen Leichenſteinen voll ausgehauener, alter,
geruͤſteter Figuren bedeckte Fußboden, alles iſt wirklich aus der Zeit, Meiſterſtuͤck
und Denkmal der damaligen Kunſt. Hinter der Kirche ſieht man ſeitwaͤrts das
Pfarrhaus, nicht weniger taͤuſchend angelegt. — Unter der Kirche laufen Kata-
comben im Felſen, ganz im aͤchten Stil gebauet, und die Auszierungen mit Steinen
und Inſchriſten ſind wahre Alterthuͤmer, aus Italien herbeygeholt; auf der einen
Seite chriſtliche, auf der andern heidniſche Begraͤbniſſe. Man glaubt, indem die
Fackel vorgetragen wird, und das Auge auf beyden Seiten herumirret, uͤberall ſieht,
was Zeit und Koſtum fordern, bald eine halb zerſtoͤrte, in Stein gehauene Inſchrift,
bald einen Aſchenkrug, worauf ſeitwaͤrts von oben ein ſchwaches Licht in die Daͤmme-
rung hereinſchimmert, in die alten Katacomben Italiens hingezaubert zu ſeyn. —
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