Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Sechster Abschnitt. Gärten stellers *) beyfügen. "Der Handel, sagt er, ist gewissen Producten des Geschmacksgar nicht günstig. Werke der Dichtkunst trifft man kaum bey irgend einer handelnden Nation an, und die Geschichte ist hier wenig mehr, als eine trockene Erzählung ein- zelner Thatsachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrsamkeit hingegen, die bey einem ausgebreiteten Nutzen für die Gesellschaft wenig Unterhaltung gewähren, hat man hier mit großem Glück bearbeitet. Die Holländer z. B. haben uns meh- rere treffliche Werke über das bürgerliche und natürliche Recht gegeben, und die Heil- kunst danket ihnen einige der wichtigsten Erweiterungen. Allein zu solchen Künsten, wo es auf Geschmack oder auf die Fähigkeit ankömmt, die Schönheit wahrzunehmen, und zu empfinden, hat man bey solchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt. Dieser Mangel am Gefühl des Schönen zeigt sich an Gebäuden, Hausrath, und Anlegung der Gärten. Uebertünchte Bildsäulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln gepflanzte Bäume, viereckig oder kugelförmig geschnittene, auch wohl in die Gestalten von Vögeln, Bären und Menschen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen bezeichnen hier den Geschmack des reichen Städters, der überall nichts an der Natur bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit sie so mannichfaltige Gestalten von der Künsteley annimmt, und dem alles schön ist, was in die Augen fällt, Aufwand er- fordert, und, weil es sich von dem gewöhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem Unwissenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftstellern, setzt Falconer hinzu, von dem richtigen Geschmack der Chineser in Gärten behauptet wird, verdient keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunstwerken dieser Nation eine Vorstellung, nach welcher man vermuthen möchte, ihr Verfasser, Chambers, habe nur im Scherz geschrieben. Andere glaubwürdige Schriftsteller hingegen sagen uns, daß Werke des Geschmacks bey den Chinesern, eben so wie bey andern han- delnden Nationen, schwerfällig, schimmernd, mit Flitterstaat überladen, und mit einem gesuchten unnützen Aufwand verbunden sind. Die Pracht eines chinesischen Gebäu- des besteht in der Größe der Balken und Pfeiler, die von dem kostbarsten Holz gear- beitet sind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gärten haben sie nur, um Küchengewächse darinn zu erziehen." **) 2. Um *) Falconers Bemerkungen über den Einfluß des Himmelsstrichs, der Lage u. s. w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543. **) Eine Bestätigung dessen, was ich zu-
erst gegen Chambers über die thinesischen [Spaltenumbruch] Gärten gesagt. 1ster B. S. 81-103. Ein anderes sehr wichtiges Zeugniß gegen ihn giebt ein neuer berühmter und unpartheyi- scher Reisender, Herr Sonnerat (Reise nach Ostindien und China in den Jahren 1774 Sechster Abſchnitt. Gaͤrten ſtellers *) beyfuͤgen. „Der Handel, ſagt er, iſt gewiſſen Producten des Geſchmacksgar nicht guͤnſtig. Werke der Dichtkunſt trifft man kaum bey irgend einer handelnden Nation an, und die Geſchichte iſt hier wenig mehr, als eine trockene Erzaͤhlung ein- zelner Thatſachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrſamkeit hingegen, die bey einem ausgebreiteten Nutzen fuͤr die Geſellſchaft wenig Unterhaltung gewaͤhren, hat man hier mit großem Gluͤck bearbeitet. Die Hollaͤnder z. B. haben uns meh- rere treffliche Werke uͤber das buͤrgerliche und natuͤrliche Recht gegeben, und die Heil- kunſt danket ihnen einige der wichtigſten Erweiterungen. Allein zu ſolchen Kuͤnſten, wo es auf Geſchmack oder auf die Faͤhigkeit ankoͤmmt, die Schoͤnheit wahrzunehmen, und zu empfinden, hat man bey ſolchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt. Dieſer Mangel am Gefuͤhl des Schoͤnen zeigt ſich an Gebaͤuden, Hausrath, und Anlegung der Gaͤrten. Uebertuͤnchte Bildſaͤulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln gepflanzte Baͤume, viereckig oder kugelfoͤrmig geſchnittene, auch wohl in die Geſtalten von Voͤgeln, Baͤren und Menſchen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen bezeichnen hier den Geſchmack des reichen Staͤdters, der uͤberall nichts an der Natur bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit ſie ſo mannichfaltige Geſtalten von der Kuͤnſteley annimmt, und dem alles ſchoͤn iſt, was in die Augen faͤllt, Aufwand er- fordert, und, weil es ſich von dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem Unwiſſenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftſtellern, ſetzt Falconer hinzu, von dem richtigen Geſchmack der Chineſer in Gaͤrten behauptet wird, verdient keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunſtwerken dieſer Nation eine Vorſtellung, nach welcher man vermuthen moͤchte, ihr Verfaſſer, Chambers, habe nur im Scherz geſchrieben. Andere glaubwuͤrdige Schriftſteller hingegen ſagen uns, daß Werke des Geſchmacks bey den Chineſern, eben ſo wie bey andern han- delnden Nationen, ſchwerfaͤllig, ſchimmernd, mit Flitterſtaat uͤberladen, und mit einem geſuchten unnuͤtzen Aufwand verbunden ſind. Die Pracht eines chineſiſchen Gebaͤu- des beſteht in der Groͤße der Balken und Pfeiler, die von dem koſtbarſten Holz gear- beitet ſind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gaͤrten haben ſie nur, um Kuͤchengewaͤchſe darinn zu erziehen.“ **) 2. Um *) Falconers Bemerkungen uͤber den Einfluß des Himmelsſtrichs, der Lage u. ſ. w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543. **) Eine Beſtaͤtigung deſſen, was ich zu-
erſt gegen Chambers uͤber die thineſiſchen [Spaltenumbruch] Gaͤrten geſagt. 1ſter B. S. 81-103. Ein anderes ſehr wichtiges Zeugniß gegen ihn giebt ein neuer beruͤhmter und unpartheyi- ſcher Reiſender, Herr Sonnerat (Reiſe nach Oſtindien und China in den Jahren 1774 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0058" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sechster Abſchnitt. Gaͤrten</hi></fw><lb/> ſtellers <note place="foot" n="*)">Falconers Bemerkungen uͤber den<lb/> Einfluß des Himmelsſtrichs, der Lage u. ſ.<lb/> w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543.</note> beyfuͤgen. „Der Handel, ſagt er, iſt gewiſſen Producten des Geſchmacks<lb/> gar nicht guͤnſtig. Werke der Dichtkunſt trifft man kaum bey irgend einer handelnden<lb/> Nation an, und die Geſchichte iſt hier wenig mehr, als eine trockene Erzaͤhlung ein-<lb/> zelner Thatſachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrſamkeit hingegen,<lb/> die bey einem ausgebreiteten Nutzen fuͤr die Geſellſchaft wenig Unterhaltung gewaͤhren,<lb/> hat man hier mit großem Gluͤck bearbeitet. Die <hi rendition="#fr">Hollaͤnder</hi> z. B. haben uns meh-<lb/> rere treffliche Werke uͤber das buͤrgerliche und natuͤrliche Recht gegeben, und die Heil-<lb/> kunſt danket ihnen einige der wichtigſten Erweiterungen. Allein zu ſolchen Kuͤnſten,<lb/> wo es auf Geſchmack oder auf die Faͤhigkeit ankoͤmmt, die Schoͤnheit wahrzunehmen,<lb/> und zu empfinden, hat man bey ſolchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt.<lb/> Dieſer Mangel am Gefuͤhl des Schoͤnen zeigt ſich an Gebaͤuden, Hausrath, und<lb/> Anlegung der Gaͤrten. Uebertuͤnchte Bildſaͤulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln<lb/> gepflanzte Baͤume, viereckig oder kugelfoͤrmig geſchnittene, auch wohl in die Geſtalten<lb/> von Voͤgeln, Baͤren und Menſchen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen<lb/> bezeichnen hier den Geſchmack des reichen Staͤdters, der uͤberall nichts an der Natur<lb/> bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit ſie ſo mannichfaltige Geſtalten von der<lb/> Kuͤnſteley annimmt, und dem alles ſchoͤn iſt, was in die Augen faͤllt, Aufwand er-<lb/> fordert, und, weil es ſich von dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem<lb/> Unwiſſenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftſtellern, ſetzt <hi rendition="#fr">Falconer</hi><lb/> hinzu, von dem richtigen Geſchmack der <hi rendition="#fr">Chineſer</hi> in Gaͤrten behauptet wird, verdient<lb/> keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunſtwerken dieſer Nation<lb/> eine Vorſtellung, nach welcher man vermuthen moͤchte, ihr <hi rendition="#fr">Verfaſſer, Chambers</hi>,<lb/> habe nur im Scherz geſchrieben. Andere glaubwuͤrdige Schriftſteller hingegen ſagen<lb/> uns, daß Werke des Geſchmacks bey den <hi rendition="#fr">Chineſern</hi>, eben ſo wie bey andern han-<lb/> delnden Nationen, ſchwerfaͤllig, ſchimmernd, mit Flitterſtaat uͤberladen, und mit einem<lb/> geſuchten unnuͤtzen Aufwand verbunden ſind. Die Pracht eines <hi rendition="#fr">chineſiſchen</hi> Gebaͤu-<lb/> des beſteht in der Groͤße der Balken und Pfeiler, die von dem koſtbarſten Holz gear-<lb/> beitet ſind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gaͤrten haben ſie nur, um<lb/> Kuͤchengewaͤchſe darinn zu erziehen.“ <note xml:id="id01" next="#id02" place="foot" n="**)">Eine Beſtaͤtigung deſſen, was ich zu-<lb/> erſt gegen Chambers uͤber die thineſiſchen<lb/><cb/> Gaͤrten geſagt. 1ſter B. S. 81-103. Ein<lb/> anderes ſehr wichtiges Zeugniß gegen ihn<lb/> giebt ein neuer beruͤhmter und unpartheyi-<lb/> ſcher Reiſender, Herr Sonnerat (Reiſe<lb/> nach Oſtindien und China in den Jahren<lb/> <fw place="bottom" type="catch">1774</fw></note></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">2. Um</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0058]
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gar nicht guͤnſtig. Werke der Dichtkunſt trifft man kaum bey irgend einer handelnden
Nation an, und die Geſchichte iſt hier wenig mehr, als eine trockene Erzaͤhlung ein-
zelner Thatſachen und Begebenheiten. Andere Theile der Gelehrſamkeit hingegen,
die bey einem ausgebreiteten Nutzen fuͤr die Geſellſchaft wenig Unterhaltung gewaͤhren,
hat man hier mit großem Gluͤck bearbeitet. Die Hollaͤnder z. B. haben uns meh-
rere treffliche Werke uͤber das buͤrgerliche und natuͤrliche Recht gegeben, und die Heil-
kunſt danket ihnen einige der wichtigſten Erweiterungen. Allein zu ſolchen Kuͤnſten,
wo es auf Geſchmack oder auf die Faͤhigkeit ankoͤmmt, die Schoͤnheit wahrzunehmen,
und zu empfinden, hat man bey ſolchen Nationen insgemein wenig Talente bemerkt.
Dieſer Mangel am Gefuͤhl des Schoͤnen zeigt ſich an Gebaͤuden, Hausrath, und
Anlegung der Gaͤrten. Uebertuͤnchte Bildſaͤulen, nach geraden Linien oder in Zirkeln
gepflanzte Baͤume, viereckig oder kugelfoͤrmig geſchnittene, auch wohl in die Geſtalten
von Voͤgeln, Baͤren und Menſchen gezwungene Taxus, und kleine Springbrunnen
bezeichnen hier den Geſchmack des reichen Staͤdters, der uͤberall nichts an der Natur
bewundert, als die Bereitwilligkeit, womit ſie ſo mannichfaltige Geſtalten von der
Kuͤnſteley annimmt, und dem alles ſchoͤn iſt, was in die Augen faͤllt, Aufwand er-
fordert, und, weil es ſich von dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur entfernt, bey dem
Unwiſſenden Bewunderung erregt. Was von einigen Schriftſtellern, ſetzt Falconer
hinzu, von dem richtigen Geſchmack der Chineſer in Gaͤrten behauptet wird, verdient
keinen Beyfall. Eine neuere Schrift macht uns von den Kunſtwerken dieſer Nation
eine Vorſtellung, nach welcher man vermuthen moͤchte, ihr Verfaſſer, Chambers,
habe nur im Scherz geſchrieben. Andere glaubwuͤrdige Schriftſteller hingegen ſagen
uns, daß Werke des Geſchmacks bey den Chineſern, eben ſo wie bey andern han-
delnden Nationen, ſchwerfaͤllig, ſchimmernd, mit Flitterſtaat uͤberladen, und mit einem
geſuchten unnuͤtzen Aufwand verbunden ſind. Die Pracht eines chineſiſchen Gebaͤu-
des beſteht in der Groͤße der Balken und Pfeiler, die von dem koſtbarſten Holz gear-
beitet ſind, und in dem Schnitzwerke an den Thoren. Gaͤrten haben ſie nur, um
Kuͤchengewaͤchſe darinn zu erziehen.“ **)
2. Um
*) Falconers Bemerkungen uͤber den
Einfluß des Himmelsſtrichs, der Lage u. ſ.
w. aus dem Engl. 8. 1782. S. 542-543.
**) Eine Beſtaͤtigung deſſen, was ich zu-
erſt gegen Chambers uͤber die thineſiſchen
Gaͤrten geſagt. 1ſter B. S. 81-103. Ein
anderes ſehr wichtiges Zeugniß gegen ihn
giebt ein neuer beruͤhmter und unpartheyi-
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Zitationshilfe: | Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/58>, abgerufen am 16.02.2025. |