Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.nach dem verschiedenen Charakter ihrer Besitzer. merhäuser, die von der Bauart nichts Schönes haben, aber durch ihre sanfte Lage,zwischen Gärtchen und Gebüschen halb versteckt, interessant werden, alles dies macht zusammen eine der anmuthigsten Landschaften in Deutschland aus, die in England lange schon einen Zeichner gefunden hätte, und bey uns kaum noch einen Beschrei- ber hat. Vornehmlich sind es reiche Handelsplätze, um welche sich diese Gattung von Allein diese Gärten fiengen auch hier am ersten an, auszuarten. Der gute stellers V Band. G
nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer. merhaͤuſer, die von der Bauart nichts Schoͤnes haben, aber durch ihre ſanfte Lage,zwiſchen Gaͤrtchen und Gebuͤſchen halb verſteckt, intereſſant werden, alles dies macht zuſammen eine der anmuthigſten Landſchaften in Deutſchland aus, die in England lange ſchon einen Zeichner gefunden haͤtte, und bey uns kaum noch einen Beſchrei- ber hat. Vornehmlich ſind es reiche Handelsplaͤtze, um welche ſich dieſe Gattung von Allein dieſe Gaͤrten fiengen auch hier am erſten an, auszuarten. Der gute ſtellers V Band. G
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nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
merhaͤuſer, die von der Bauart nichts Schoͤnes haben, aber durch ihre ſanfte Lage,
zwiſchen Gaͤrtchen und Gebuͤſchen halb verſteckt, intereſſant werden, alles dies macht
zuſammen eine der anmuthigſten Landſchaften in Deutſchland aus, die in England
lange ſchon einen Zeichner gefunden haͤtte, und bey uns kaum noch einen Beſchrei-
ber hat.
Vornehmlich ſind es reiche Handelsplaͤtze, um welche ſich dieſe Gattung von
Gaͤrten zu haͤufen pflegt. Der Ueberfluß oder Wohlſtand, den das Gluͤck des Han-
dels erzeugt, erregen ſehr bald die Begierde, ſich durch einen groͤßern Aufwand in
Wohnungen und Gaͤrten, ſo wie in Geſellſchaften und Gaſtmalen, auszuzeichnen.
Auch ſuchte der Mann, der von der Laſt der Geſchaͤfte und dem Gewuͤhl des Handels
ermuͤdet war, einen Ort, wo er an ruhigen Tagen ſich wieder erholen, freyer ath-
men, ſich ſelbſt und ſeine Familie genießen konnte; er baute ein Landhaus in der
Naͤhe der Stadt, und pflanzte ſich einen Garten. So entſtanden, nicht weniger
aus Beduͤrfniß als aus Prachtſucht, die meiſten Gaͤrten um anſehnliche Handels-
ſtaͤdte, vornehmlich in Holland und in verſchiedenen Provinzen von Deutſchland.
Allein dieſe Gaͤrten fiengen auch hier am erſten an, auszuarten. Der gute
Geſchmack iſt nur ſelten im Gefolge des Reichthums. Der Hang zum Aufwand und
zum Pomp handelt wenig mit Ueberlegung, und ſucht ſich bald durch jedes Mittel zu
befriedigen, das er auf ſeinem Weg erhaſchen kann. Er will Aufſehen und Bewun-
derung erregen; er will durchaus glaͤnzen und uͤbertreffen. Die Thorheit der Nach-
ahmung geſellte ſich zu ihm. Dieſe rieth ihm, die Gaͤrten der Fuͤrſten zu kopiren,
und der Kraͤmer blaͤhete ſich, wenn er, gleich ihnen, auf Waſſerkuͤnſte und Sta-
tuen zeigen konnte. Der Genius des Orts raͤchte ſich an der verwegenen Nachaͤffung.
Der eingeſchraͤnkte Bezirk des Platzes machte die Unbeſonnenheit nur deſto ſichtbarer.
Was in einem ausgedehnten Garten ſchicklich oder ertraͤglich war, ward hier laͤcher-
lich. Man eilte darauf von einer Thorheit zu der andern. Man bemalte den Bo-
den mit Steinen und Muſcheln, die Thuͤren mit Springwaſſern, und die bretterne
Wand mit wilden Thieren; man ſchnitt aus Taxus Kanapees, und aus den Linden
Faͤchel. So wurden viele hollaͤndiſche, ſo manche deutſche Gaͤrten bey den nie-
derſaͤchſiſchen und andern Reichsſtaͤdten verunſtaltet. Man verſchwendete koſtbare
Spielwerke, und glaͤnzte im Prunk laͤcherlicher Verzierungen; und uͤberall ſtand zwi-
ſchen dem Reichthum und dem Aufwand, die hier erſchienen, ein Zeuge, der die Ab-
weſenheit des Geſchmacks anklagte. — Dieſen Bemerkungen, an deren Wahrheit
kein Zweifel graͤnzt, darf ich hier noch wohl das Urtheil eines einſichtsvollen Schrift-
ſtellers
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Zitationshilfe: | Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/57>, abgerufen am 16.02.2025. |